BFH Urteil v. - XI R 47/04

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb in den Streitjahren 1996 bis 1998 nebenberuflich eine Rechtsanwaltskanzlei. Die Kanzleiräume (rd. 51 qm) befanden sich in drei Räumen im Untergeschoss seines Zweifamilienhauses. Das sog. Chefzimmer war mit Schreibtisch, PC, Schränken, Sessel und Arbeitsunterlagen ausgestattet. In einer fensterlosen, beleuchteten Diele standen ein Tisch mit vier Stühlen, ein Sideboard, ein Schrank und eine Couch und in der Gästetoilette das Kopier- und Faxgerät. Betreten werden konnten die Praxisräume durch eine Treppe im Windfang des Erdgeschosses des Wohnhauses sowie über eine Terrassentüre, von der ein befestigter Weg zur Gartentüre führte. Die —gesonderte— Klingel für die Kanzlei befand sich am allgemeinen Hauseingang. Der Zugang erfolgte regelmäßig über den Windfang und den Treppenabgang. Im Untergeschoss befanden sich neben den Kanzleiräumen ein Keller- und Heizungsraum sowie eine 53 qm große Wohnung, die der Kläger an seinen Sohn vermietete.

Der Kläger erzielte in den Streitjahren aus seiner Rechtsanwaltstätigkeit Einnahmen zwischen 33 178 DM und 70 358 DM, seine Aufwendungen für die Büroräume lagen zwischen 13 915 DM und 15 056 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erkannte Aufwendungen für die Kanzleiräume nur in Höhe von 2 400 DM an.

Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Aufgrund der zu § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung unterlägen die Kanzleiräume als häusliches Arbeitszimmer der Abzugsbeschränkung. Die Räume seien büromäßig eingerichtet und nach Lage und Gestaltung des gesamten Grundstücks nicht dem allgemeinen Zugang durch die Öffentlichkeit gewidmet. Sie würden regelmäßig über den (Wohn-)Hauseingang betreten. Zwar seien die Wohnungen im Zweifamilienhaus durch Türen mit Knauf abgetrennt, jedoch führe die Treppe aus dem Windfang nicht unmittelbar und ausschließlich zu den Kanzleiräumen, sondern auch zu der vermieteten Wohnung, so dass die Büroräume letztlich in die Privatsphäre des Wohnhauses eingebunden seien. Ein intensiver Publikumsverkehr habe nicht stattgefunden. Der Kläger habe seine Anwaltstätigkeit nur nebenberuflich ausgeübt, so dass das häusliche Büro auch nicht Mittelpunkt seiner gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit gewesen sei.

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG und des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Die Praxisräume seien tatsächlich nicht in die Privatsphäre der beiden Wohnungen eingebunden gewesen. Lediglich die Zugänge seien gemeinsam genutzt worden. Ein allgemeiner Zugang durch die Öffentlichkeit müsse nicht bestehen. Der Rechtsanwaltsberuf sei ein typischer „Büroberuf”, die Beschränkung der Abzugsfähigkeit der Raumkosten beeinträchtige die freie Berufsausübung. Der Rechtsanwalt, der seine Kanzlei im eigenen Wohnhaus betreibe, werde ungerechtfertigt schlechter gestellt als derjenige, der Kanzleiräume anmiete. Aus verfassungsrechtlichen Gründen sei daher § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG nicht für die Kanzleiräume eines Rechtsanwalts anzuwenden.

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des Urteils des Finanzgerichts (FG) seine Aufwendungen für die Kanzleiräume vollumfänglich zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen. Die Revisionsbegründung entspreche nicht den Mindestanforderungen. Sie erschöpfe sich in der Rüge, das FG habe falsch entschieden bzw. Tatumstände unzutreffend gewürdigt. Die Kanzleiräume unterlägen aufgrund ihrer Einbindung in das privat genutzte Wohnhaus der Abzugsbeschränkung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) liege darin keine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG.

II. Die Revision des Klägers ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Die Entscheidung des FG, die Aufwendungen des Klägers für die Praxisräume nur in Höhe von 2 400 DM pro Streitjahr zu berücksichtigen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Die Revision des Klägers ist zulässig. Bereits die mit Fax vom eingegangene Revisionsbegründung entspricht den von § 120 Abs. 3 FGO gestellten Anforderungen. Der Kläger hat insbesondere Verletzung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG und der Art. 3 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG gerügt und diese schlüssig begründet.

2. Aufgrund der den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG können die Aufwendungen des Klägers für die im Untergeschoss befindlichen Kanzleiräume nur in Höhe von 2 400 DM als Betriebsausgaben berücksichtigt werden.

a) Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG dürfen Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung den Gewinn nicht mindern. Häusliches Arbeitszimmer in diesem Sinn ist nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung ein Raum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, verwaltungstechnischer oder organisatorischer Arbeiten dient (vgl. z.B. , BFHE 200, 336, BStBl II 2003, 139; vom XI R 89/00, BFHE 201, 27, BStBl II 2003, 185). Diese Definition gilt —trotz Kanzleipflicht (§ 27 der Bundesrechtsanwaltsordnung)— auch für die Kanzleiräume eines nebenberuflich als Rechtsanwalt tätigen Steuerpflichtigen (vgl. , BFHE 208, 239, BStBl II 2005, 344). Das entspricht dem ausdrücklich in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gelangten Willen des Gesetzgebers (BTDrucks 13/1686, S. 16). Danach sollte die Kanzlei eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters „von der Begrenzung der Höhe nach”, d.h. nicht von der Anwendung der Abzugsbeschränkung als solcher ausgenommen werden.

Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist die beschränkte Absetzbarkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar (, BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162). Die Abzugsbeschränkung verletzt auch nicht Art. 12, 14 GG. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen des BFH hierzu im Urteil vom VI R 4/97 (BFHE 184, 532, BStBl II 1998, 351) Bezug genommen. Die Verfassungsbeschwerde gegen dieses Urteil wurde zurückgewiesen (BVerfG-Urteil in BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162).

b) Nach den Feststellungen des FG befinden sich die streitigen Räume im Wohnhaus des Klägers und sind büromäßig eingerichtet. Der häuslichen Einbindung steht nicht entgegen, dass die Kanzleiräume nicht nur über den Eingang des Wohnhauses, sondern auch über eine eigene Terrasse betreten werden können. Abgesehen davon, dass im Streitfall die Kanzleiräume regelmäßig über den Hauseingang betreten wurden, hebt ein separater Eingang allein die Einbindung in die häusliche Sphäre noch nicht notwendigerweise auf (vgl. z.B. , BFH/NV 2004, 1387). Ein intensiver und dauerhafter Publikumsverkehr (vgl. hierzu BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 1387, m.w.N.) hat im Streitfall nachweislich nicht stattgefunden. Die räumliche Trennung der Wohnungen durch Türen mit Knauf schließt ebenfalls die Einbindung der Kanzleiräume als solche im Wohnhaus nicht aus. Die Tatsache, dass diese sich in einem anderen Stockwerk als die Privatwohnung befinden, ist ebenfalls allein nicht entscheidend (vgl. z.B. zu einer Notfallpraxis eines Arztes , BFHE 205, 46, BStBl II 2005, 203). Die häusliche Sphäre ist auch nicht notwendigerweise auf den eigentlichen Wohnbereich beschränkt (vgl. z.B. , BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43).

Fundstelle(n):
NWB-Eilnachricht Nr. 20/2006 S. 48
BAAAB-69731