Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Im Jahre 1999 modernisierte und verkaufte sie ein Anwesen in den neuen Bundesländern. Der Erwerber nahm für die Anschaffungskosten des Gebäudes Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz in Anspruch.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) versagte die beantragte Investitionszulage, weil die Klägerin weder zivilrechtliche noch wirtschaftliche Eigentümerin des Gebäudes gewesen sei.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es war der Auffassung, die Klägerin habe wegen des Kumulierungsverbotes in § 3 Abs. 1 Satz 4 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1999 neben den Sonderabschreibungen des Erwerbers keinen Anspruch auf Investitionszulage.
Das Urteil wurde der Klägerin am zugestellt. Die vom FG zugelassene Revision legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin fristgerecht ein.
Mit Schreiben vom wies die Senatsvorsitzende auf den Ablauf der Revisionsbegründungsfrist und auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hin. Daraufhin begründete der Bevollmächtigte die Revision und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit dem Hinweis, er sei seit dem wegen einer Grippe-Erkrankung und wegen fehlender Unterlagen gehindert gewesen, die Begründungsfrist einzuhalten. Er führe seine Praxis als Einzelpraxis ohne Mitarbeiter. Wegen der Krankheit habe er auch einen Termin für eine Schlussbesprechung verschieben müssen.
II. Die Revision ist unzulässig. Sie war gemäß §§ 124 Abs. 1, 126 Abs. 1 FGO durch Beschluss zu verwerfen.
1. Nach § 120 Abs. 2 Satz 1 FGO ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des finanzgerichtlichen Urteils zu begründen. Die Frist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag vom Vorsitzenden des zuständigen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) verlängert werden (§ 120 Abs. 2 Satz 3 FGO).
Die Revisionsbegründungsfrist lief am ab. Die erst am eingegangene Revisionsbegründung war verspätet.
2. Wiedereinsetzung gemäß § 56 Abs. 1 FGO wegen der versäumten Revisionsbegründungsfrist kann der Klägerin nicht gewährt werden, weil sie nicht glaubhaft gemacht hat, dass sie ohne Verschulden verhindert war, diese Frist einzuhalten. Dabei muss sie sich das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO, § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).
Ein Verschulden i.S. des § 56 FGO ist —jedenfalls wenn ein Rechtsanwalt oder Steuerberater die Frist versäumt hat— nur dann zu verneinen, wenn dieser die äußerste, den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt angewendet hat. Der Prozessbevollmächtigte muss daher alles ihm Zumutbare tun, damit die Frist zur Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels gewahrt wird. Er hat daher Vorkehrungen für den Fall zu treffen, dass er unvorhergesehen an der Wahrnehmung seiner Aufgaben, insbesondere an der Wahrung gesetzlicher Pflichten, gehindert wird. Er muss sicherstellen, dass im Falle seiner Abwesenheit oder Erkrankung entweder ein Vertreter oder Personal Fristsachen daraufhin überprüft, ob die Schriftsätze rechtzeitig abgesandt worden sind oder Fristverlängerung beantragt worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom III R 12/01, BFH/NV 2002, 794, m.w.N.).
Der Prozessbevollmächtigte hat die behauptete Erkrankung nicht durch die Vorlage eines ärztlichen Attestes glaubhaft gemacht. Abgesehen davon wird nach ständiger Rechtsprechung ein Verschulden an der Fristversäumung durch eine Erkrankung nur ausgeschlossen, wenn sie plötzlich und unvorhersehbar auftritt und so schwer ist, dass es für den Prozessbevollmächtigten unzumutbar ist, die Frist einzuhalten oder rechtzeitig einen Vertreter zu bestellen (vgl. dazu , BFH/NV 2003, 58, m.w.N.) oder —wie hier gemäß § 120 Abs. 2 Satz 3 FGO möglich— vor Ablauf der Frist Fristverlängerung zu beantragen.
Demgemäß reicht es für die schlüssige Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags nicht aus, allein den Umstand der Erkrankung darzulegen; erforderlich sind vielmehr substantiierte Ausführungen dazu, welche Vorkehrungen (Büroorganisation, Bestellung eines Vertreters) der Prozessbevollmächtigte getroffen hat, um eine Fristversäumnis zu vermeiden, oder aus welchen Gründen (z.B. plötzlicher Ausbruch der Krankheit) der Prozessvertreter Maßnahmen dieser Art nicht habe ergreifen können (vgl. , BFH/NV 2004, 657, m.w.N.).
Der Bevollmächtigte bringt zur Entschuldigung vor, er führe eine Einzelpraxis ohne Mitarbeiter. Aufgrund der Erkrankung sei er bettlägerig gewesen und habe die vorbereiteten Revisionsanträge und Begründungen nicht ausformulieren und absenden können. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Versäumung der Begründungsfrist zu entschuldigen. Gerade wenn keine Mitarbeiter beschäftigt werden, die im Falle der Verhinderung des Steuerberaters die Überwachung der Fristsachen übernehmen können, ist es besonders wichtig, eine Notfall-Vorsorge so zu organisieren, dass auch bei einer unvorhersehbaren Verhinderung die Funktionsfähigkeit des Büros gewährleistet ist. Dem Vortrag ist nicht zu entnehmen, dass der Bevollmächtigte derartige Maßnahmen getroffen hat.
Abgesehen davon war nach den Ausführungen des Bevollmächtigten die Erkrankung wohl nicht so plötzlich und heftig, dass er sogar außer Stande war, rechtzeitig einen Fristverlängerungsantrag zu stellen. Denn die Krankheit hat ihn nicht gehindert, den Termin für eine Schlussbesprechung zu verschieben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 89 Nr. 1
DAAAB-69110