BFH Beschluss v. - XI B 227/03

Instanzenzug: ,F

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen.

1. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) aufgeworfenen Rechtsfragen machen keine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 1. Alternative FGO ist nur in den Fällen erforderlich, in denen über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., 2002, § 115 Rdnr. 28, 41). Die vom Kläger aufgeworfenen Fragen lassen sich anhand der vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne weiteres beantworten. Darüber, ob das Finanzgericht (FG) im Streitfall richtig entschieden hat, ist in diesem Verfahren nicht zu befinden.

a) Zum Tatbestandsmerkmal „eigenverantwortlich tätig” i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) liegt bereits eine vielfältige Rechtsprechung zu den unterschiedlichsten freien Berufen vor. So hat der BFH z.B. für einen (Bau-)Ingenieur entschieden, dass die Eigenverantwortlichkeit eine persönliche Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit voraussetzt. Gegenstand der eigenverantwortlichen Einflussnahme ist das einzelne, von ihm in Auftrag genommene Werk oder die einzelne Dienstleistung, für deren ordnungsgemäße Ausführung er vor allem die fachliche Verantwortung trägt. Die fehlende Mitarbeit am einzelnen Auftrag muss auf Ausnahmen und Routinefälle beschränkt bleiben. Überträgt der Berufsträger Aufgaben, die nicht lediglich einfacher oder mechanischer Art sind, auf qualifizierte Mitarbeiter, ist erforderlich, dass die Mitarbeiter nicht nur überwacht werden, sondern auch deren Tätigkeit als solche des Berufsträgers erkennbar ist (vgl. z.B. , BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727; so auch schon , BFHE 93, 468, BStBl II 1968, 820). Dementsprechend hat der BFH bereits im Beschluss vom X B 54/87 (BFHE 151, 147, BStBl II 1988, 17) der Frage, was unter „eigenverantwortlich tätig” zu verstehen ist, keine grundsätzliche Bedeutung (mehr) beigemessen.

Höchstrichterlich geklärt ist ferner, dass die Eigenverantwortlichkeit nach den Verhältnissen des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen ist und es keine allgemein gültigen zeitlichen Vorgaben für eine eigenverantwortliche fachliche Leistung gibt (vgl. z.B. , BFHE 198, 316, BStBl II 2002, 581). Diese Grundsätze gelten nicht nur für Ärzte für Laboratoriumsmedizin (vgl. auch z.B. , BFHE 194, 206, BStBl II 2002, 478).

Aus der Vielzahl der zum Tatbestandsmerkmal „eigenverantwortlich tätig” vorliegenden Rechtsprechung ergibt sich mit der notwendigen Klarheit, dass es auf das Auftreten des Berufsträgers nach außen alleine nicht entscheidend ankommt. Entscheidend ist, ob die erbrachte Leistung den „Stempel seiner Persönlichkeit” trägt (so seit BFH in BFHE 93, 468, BStBl II 1968, 820). Im Übrigen hat auch das FG nicht ausschließlich auf die Firmierung des Ingenieurbüros „X & Partner, Vermessungs- und Ingenieurbüro” abgestellt. Es hat lediglich den Vortrag des Klägers zurückgewiesen, dieser habe allein die für die Erbringung der Vermessungsleistungen maßgebliche Arbeit erbracht.

b) Bei der vom Kläger aufgeworfenen Frage, ob bei einem Vermessungsingenieur eine Mitwirkung von maximal 30 Minuten pro Geschäftsvorfall gegen eine eigenverantwortliche Tätigkeit spricht, handelt es sich nicht um eine Rechts-, sondern um eine Tatfrage. Sie lässt sich nicht allgemein beantworten, sondern richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, wie z.B. nach dem Umfang des jeweiligen Auftrags. So besteht kein Zweifel, dass bei einem umfangreichen Auftrag eine persönliche fachliche Mitwirkung von ca. 30 Minuten der Leistung noch nicht den Stempel der Eigenpersönlichkeit des Berufsträgers verleiht, während dies bei einem Kleinauftrag durchaus der Fall sein kann. Geklärt ist ferner, dass der zeitliche Aufwand des Berufsträgers für den einzelnen Auftrag allenfalls eine widerlegbare Vermutung begründet (vgl. z.B. , BFH/NV 2000, 837).

c) Die Rechtsfrage, ob mit der Einreichung der Einkommensteuererklärung zugleich die Festsetzungsfrist für die Gewerbesteuer gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 1. Alternative der Abgabenordnung (AO 1977) zu laufen beginnt, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung und erfordert keine Entscheidung des BFH. Sie kann ohne weiteres anhand der AO 1977 und offensichtlich nur so beantwortet werden, wie es das FG getan hat (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 28, m.w.N.). Allein das Fehlen eines „entsprechenden Leitsatzes” erfordert noch keine höchstrichterliche Entscheidung (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rdnr. 34).

Einkommensteuer und Gewerbesteuer sind selbständige Steuerarten, die unterschiedliche Besteuerungstatbestände erfassen. Sie sind in getrennten Bescheiden festzusetzen ( vgl. § 25 Abs. 1 EStG; § 16 des GewerbesteuergesetzesGewStG—). Entsprechendes gilt für die —hier streitigen— Feststellungsbescheide (§ 180 Abs. 1 Nr. 2b AO 1977, § 14 GewStG). Nach § 38 AO 1977 entstehen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das jeweilige Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Der Anspruch auf Einkommensteuer entsteht, sobald die einkommensteuerlichen Vorschriften verwirklicht sind, der Anspruch auf Gewerbesteuer, sobald die gewerbesteuerlichen Vorschriften erfüllt sind. Der Ablauf der Festsetzungsfrist (vgl. § 47 i.V.m. § 169 ff. AO 1977) ist für jeden Steueranspruch gesondert zu prüfen. Dementsprechend beginnt auch gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 die Festsetzungsfrist für unterschiedliche Steuern zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu laufen, je nachdem, wann der Steuerpflichtige seiner Pflicht zur Abgabe der Einkommensteuererklärung (§ 25 Abs. 3 Satz 1 EStG) oder zur Abgabe einer Gewerbesteuererklärung (§ 14a GewStG i.V.m. § 25 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung) nachgekommen ist.

2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen.

a) Das FG hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) nicht verletzt. Insbesondere liegt keine Überraschungsentscheidung vor.

Das FG hat den Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung und die zugleich überreichte Übersicht des Klägers ausweislich des Urteils zur Kenntnis genommen und in seine Würdigung mit einbezogen. Es hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör auch nicht dadurch verletzt, dass es den Vortrag des Klägers und den Inhalt der überreichten Übersicht unvollständig oder unrichtig zur Kenntnis genommen hat (vgl. so z.B. , BFH/NV 2001, 605).

Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung am hat der Kläger ergänzend zu seinem bisherigen Vortrag darauf hingewiesen, er habe in erster Linie im Bereich von Großaufträgen mitgewirkt und sich bei kleineren Aufträgen im Wesentlichen auf eine Kontrolle beschränkt. Mit Kleinaufträgen sei die Vermessung von Hausanschlüssen im Bereich einzelner Straßen gemeint. Diese seien im Wesentlichen identisch gewesen und hätten ca. 6 090 der Geschäftsbuchnummern (GB) ausgemacht. Zugleich hat der Kläger ausweislich des Protokolls eine Übersicht „Aufträge/GB” für die Jahre 1992 bis 1997 überreicht, die zu den Gerichtsakten genommen wurde. In dieser Übersicht beziffert der Kläger die Aufträge mit 2 964 und die GB mit 6 871 und teilt diese auf „Großkunden” und „Sonstige” auf. Unter Berücksichtigung der mündlichen Ausführungen des Klägers lag kein Anhaltspunkt dafür vor, dass —wie nunmehr im Beschwerdeverfahren vorgetragen wird— auch „Großkunden” sog. Kleinaufträge, d.h. zur Vermessung von Hausanschlüssen im Bereich einzelner Straßen, erteilt haben könnten. Es wird auch im Beschwerdeverfahren nicht dargelegt, woraus dies das FG hätte entnehmen können. Im Übrigen verlangt weder die Einräumung rechtlichen Gehörs noch die richterliche Hinweispflicht, insbesondere bei fachkundig vertretenen Beteiligten, eine umfassende Erörterung der Rechtsfragen. Auch sind die Beteiligten vor der Beratung nicht über die mögliche Würdigung des Vortrags eines Beteiligten vorweg zu unterrichten (vgl. hierzu auch z.B. , BFH/NV 1997, 580).

b) Eine mangelnde Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) ist nicht innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist in der gebotenen Form gerügt worden.

Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO sind die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist darzulegen. Wird die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht, auf deren Beachtung der Betroffene verzichten kann —wie etwa die Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das Übergehen eines Beweisantrags—, muss der Beschwerdeführer vortragen, dass er den Verstoß in der mündlichen Verhandlung gerügt habe bzw. aus welchen entschuldbaren Gründen er an einer solchen Rüge gehindert gewesen sei (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. , BFH/NV 2004, 978). Das gilt auch, wenn das FG —wie im Streitfall— im Urteil begründet hat, aus welchem Grund benannte Zeugen nicht vernommen worden sind (vgl. z.B. , BFH/NV 2004, 217).

Solche Ausführungen enthält der innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist eingereichte Schriftsatz vom nicht. Die danach unzulässig erhobene Verfahrensrüge wird nicht dadurch nachträglich zulässig, dass der Kläger nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist entsprechende Erwägungen nachgeschoben hat (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rdnr. 50, § 120 Rdnr. 66).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 55 Nr. 1
UAAAB-69100