Verfassungsmäßigkeit des § 53 EStG
Gesetze: EStG § 53; GG Art. 3, 6, 20
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
1. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—), noch erfordert die Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) eine Zulassung der Revision.
a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. , BFH/NV 2004, 495). Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (vgl. u.a. , BFH/NV 2003, 1082, m.w.N.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Tz. 52). Daran fehlt es.
b) Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) halten die Rechtsfrage für klärungsbedürftig, ob zusammenveranlagte Eltern durch die Anwendung des § 53 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 2 Abs. 5 EStG im Jahre 1989 gegenüber kinderlosen zusammenveranlagten Eheleuten unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verfassungswidrig ungleich behandelt werden.
Diese Rechtsfrage ist nicht mehr klärungsbedürftig. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass § 53 EStG eine zutreffende Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in den Beschlüssen vom 2 BvL 42/93, 2 BvR 1220/93 und 2 BvR 1852, 1853/97 (BVerfGE 99, 246, 268, 273, BStBl II 1999, 174, 193, 194) darstellt (vgl. , BFH/NV 2004, 180, m.w.N.). Die gegen den entsprechenden Beschluss des Senats vom VI B 37/01 (BFH/NV 2001, 1239) eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (2 BvR 1085/01).
c) Die auf eigene Berechnungen gestützte Ansicht der Kläger, mit der sie eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung zusammenveranlagter Eltern mit Kindern gegenüber zusammenveranlagten kinderlosen Ehepaaren geltend machen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn die Kläger vergleichen nicht, ob die Kinder bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage und damit bei der Steuerlast angemessen berücksichtigt werden; sie gehen vielmehr davon aus, dass Ehepaaren mit Kindern unter Berücksichtigung der Existenzminima, der Einkommensteuer und des Kindergeldes ein ebenso hoher Betrag verbleiben müsse, wie kinderlosen Ehepaaren. Dabei verkennen sie jedoch —worauf der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) und das Finanzgericht (FG) zu Recht hingewiesen haben—, dass der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in seiner Ausprägung als horizontale Steuergleichheit eine gleich hohe Besteuerung von Steuerpflichtigen mit gleicher Leistungsfähigkeit gebietet (vgl. BVerfGE in BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174, unter C. I. 2.). Deshalb muss der existenznotwendige Mindestbedarf für Kinder aller Steuerpflichtigen unabhängig von ihrem individuellen Grenzsteuersatz steuerfrei belassen werden (BVerfG in BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174, unter C. I. 5. c).
Zu vergleichen ist daher, ob die steuerliche Belastung von Eltern mit Kindern unter Berücksichtigung des existenznotwendigen Mindestbedarfs für die Kinder derjenigen kinderloser Ehepaare entspricht, nicht jedoch, ob ihnen unter Berücksichtigung der Existenzminima und des Kindergeldes nach Steuern ein gleich hohes Einkommen wie Kinderlosen zur freien Verfügung steht. Die von den Klägern errechneten Deckungslücken beruhen demgegenüber auf der unzutreffenden Annahme, die kindbedingten Belastungen selbst seien von Verfassungs wegen —zumindest in Höhe der Existenzminima— auszugleichen, also letztlich von der Allgemeinheit zu tragen. Diese Ansicht lässt sich jedoch mit den Entscheidungen des BVerfG in den Beschlüssen in BVerfGE 99, 246, 268, 273, BStBl II 1999, 174, 193, 194 nicht vereinbaren.
d) Da der von den Klägern gestellten Rechtsfrage unzutreffende Grundannahmen zugrunde liegen, ist eine Entscheidung des BFH auch nicht zur Fortbildung des Rechts erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO).
e) Auch die Frage, ob die dem Familienleistungsausgleich dienende Norm des § 53 EStG wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG verfassungswidrig sei, ist nicht klärungsbedürftig. Denn die von den Klägern beanstandete Kompliziertheit der Regelung beruht darauf, dass der Gesetzgeber das Kindergeld unter Berücksichtigung der Vorgaben des Einkommensteuerrechts in einen Kinderfreibetrag umrechnen muss, wenn er den Kinderleistungsausgleich nach dem dualen System durch Kombination von Kinderfreibetrag und Kindergeld gestaltet (vgl. BVerfG in BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174, unter C. I. 5. c bb und cc).
Zwar sind dazu mehrere Rechenschritte erforderlich, was das Verständnis des § 53 EStG erschwert. Das führt jedoch nicht zur Verfassungswidrigkeit der Regelung, sondern dient der Umsetzung der Vorgaben des BVerfG. Ein Widerspruch zu den Anforderungen des BVerfG im Beschluss in BVerfGE 99, 268, BStBl II 1999, 182, unter C. III. besteht nicht, weil die dort angesprochene kindbedingte Minderung der einkommensteuerlichen Leistungsfähigkeit durch den Abzug der in § 53 EStG genannten Freibeträge erfolgt. Die Umrechnungen sind zusätzlich erforderlich, um Benachteiligungen im Grenzbereich zwischen sozialrechtlicher Förderung durch das Kindergeld auf der einen Seite und der gebotenen steuerlichen Entlastung auf der anderen Seite auszuschließen.
2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen. Das FG hat sich ausreichend mit dem Vorbringen der Kläger auseinander gesetzt.
a) Nach § 96 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 105 Abs. 2 Nr. 5 und § 119 Nr. 6 FGO sind im Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung, sämtliche vorgebrachten, aber nicht für maßgeblich gehaltenen Argumente abzuhandeln, lässt sich daraus nicht ableiten. § 119 Nr. 6 FGO gewährt dementsprechend keinen Schutz vor lücken- oder fehlerhaften Entscheidungsgründen und ist keine Grundlage für eine umfassende Rüge der Verletzung materiellen Rechts (Tipke/Kruse, a.a.O., § 119 FGO Tz. 78, m.w.N.). Dementsprechend genügt es, wenn das Urteil den Gedankengang erkennen lässt, aufgrund dessen das FG zu dem von ihm gefundenen Ergebnis gelangt ist; das gilt auch, wenn die Begründung des Urteils inhaltlich angreifbar wäre (, BFH/NV 2004, 491). Diesen Anforderungen genügt die angefochtene Entscheidung.
b) Im Übrigen trifft es nicht zu, dass das angefochtene Urteil zu der Auffassung der Kläger, sie würden gegenüber kinderlosen, zusammenveranlagten Eheleuten verfassungswidrig ungleich behandelt, keine Begründung enthalte.
Das FG hat vielmehr zu Recht darauf hingewiesen, dass die den Berechnungen der Kläger zugrunde liegenden Annahmen den verfassungsrechtlichen Vorgaben bereits dem Grunde nach nicht entsprachen, weil sie die Belastungsgerechtigkeit mit der Entlastungsgerechtigkeit verwechselten (siehe dazu oben 1. c). Deshalb brauchte es sich mit der darauf aufbauenden Begründung nicht mehr im Einzelnen auseinander zu setzen. Aus dem Vorbringen der Kläger lässt sich bei dieser Sachlage weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 FGO) noch der Begründungspflicht (§ 96 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 105 Abs. 2 Nr. 5 und § 119 Nr. 6 FGO) entnehmen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 2005 Nr. 11
AAAAB-66075