Begriff der Betriebsstätte
Leitsatz
Die Anschaffung von neuen abnutzbaren Wirtschaftsgütern ist – neben weiteren Voraussetzungen – nur zulagenbegünstigt, wenn die Wirtschaftsgüter mindestens fünf Jahre nach ihrer Anschaffung zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören. Eine Betriebsstätte ist nur dann gegeben, wenn dem Betrieb Räume zur ständigen Benutzung zur Verfügung stehen, über die ihm eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht eingeräumt ist.
Der Nutzende muss eine einem Mieter ähnliche Rechtsposition innehaben, die ihm nicht ohne weiteres entzogen oder ohne seine Mitwirkung nicht verändert werden kann. Für die Annahme einer Betriebsstätte ist letztlich entscheidend, ob eine bestimmte unternehmerische Tätigkeit in einer Geschäftseinrichtung mit fester örtlicher Bindung ausgeübt wird und sich in der Bindung eine gewisse „Verwurzelung„ des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ausdrückt.
Gesetze: InvZulG § 2 Satz 1 Nr. 1; AO § 12
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, betreibt einen Großhandel mit Mineralölerzeugnissen (Altöl, Diesel, Benzin, Schmierstoffen und Flüssiggas) und erbringt Dienstleistungen auf den Gebieten Haus- und Wärmetechnik sowie Heizungsbau. Am Sitz der Geschäftsleitung außerhalb des Fördergebiets unterhält die Klägerin neben Verwaltungsgebäuden u.a. Lagerstätten für Mineralöl (Hochtanks, Tankanlagen), eine Lagerhalle für Schmierstoffe, Räumlichkeiten für den Heizungsbau und eine Fahrzeugpflegehalle. Seit Juli 1990 vertrieb die Klägerin ihre Produkte auch in den neuen Bundesländern, wofür im zweiten Halbjahr 1990 sechs und im Jahre 1991/1992 insgesamt zehn Arbeitnehmer, im Wesentlichen Außendienstmitarbeiter, beschäftigt wurden. Am meldete die Klägerin eine Zweigniederlassung in S und am eine unselbständige Zweigstelle in P an. Nach Angaben der Klägerin bestand außerdem in T ein Heizöltanklager.
Die Klägerin beantragte für das Kalenderjahr 1991 eine Investitionszulage u.a. für die Anschaffung von Tankfahrzeugen und Flüssiggasbehältern. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) setzte die Investitionszulage antragsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest.
Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung war die Zweigniederlassung in S unter der Wohnanschrift eines am eingestellten Außendienstmitarbeiters angemeldet. Aufgrund mündlicher Vereinbarung durfte die Klägerin in der Wohnung einen Büroraum mitbenutzen. Diese Zweigniederlassung meldete die Klägerin am wieder ab. Ein Betriebsstättenergebnis wurde nicht ermittelt.
Die am angemeldete Betriebsstätte in Plauen befindet sich auf einem bebauten Grundstück, das eine neu gegründete Anlagen GmbH & Co. KG (KG) mit notariellem Kaufvertrag vom erworben hatte. Nach Sanierung des Gebäudes, insbesondere Einbau einer Zentralheizung, Sanitär- und Elektroinstallation Ende 1992 und Anschaffung einer Büroeinrichtung Anfang 1993 mietete die Klägerin ab einen Teil des Gebäudes von der KG.
Der Prüfer und im Folgenden das FA vertraten die Auffassung, sowohl die Flüssiggasbehälter als auch die Tankfahrzeuge gehörten nicht zum Anlagevermögen einer Betriebsstätte im Fördergebiet. Zum großen Teil seien die Flüssiggasbehälter auch nicht in einer Betriebsstätte im Fördergebiet verblieben, weil sie überwiegend (90 bis 95 %) an Personen vermietet worden seien, die keine Betriebsstätte im Fördergebiet unterhalten und die Behälter zu privaten Heizzwecken genutzt hätten. Da die Klägerin ihren Gewinn nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr (Bilanzstichtag 30. Juni) ermittle, seien die Investitionen, für die sie Investitionszulage beantragt habe, den betreffenden Wirtschaftsjahren zuzuordnen.
Das FA änderte daher den Investitionszulagenbescheid 1991 und setzte die Investitionszulage für das Wirtschaftsjahr 1990/91 entsprechend den Feststellungen im Prüfungsbericht herab.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung des geänderten Investitionszulagenbescheids begehrte, ab, soweit das FA die nach dem (nach Ablauf des Wirtschaftsjahrs 1990/91) angeschafften Wirtschaftsgüter aus der Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage ausgesondert hatte. Im Übrigen gab es der Klage statt. Es führte im Wesentlichen aus:
Bereits in der Zeit bis seien Betriebsstätten im Fördergebiet vorhanden gewesen, denen die angeschafften Wirtschaftsgüter zuzuordnen seien. Die zu diesem Zeitpunkt allenfalls provisorisch eingerichteten Büroräume in S bzw. P und das lediglich im Anfangsstadium stehende Tanklager T erfüllten die Anforderungen an den Betriebsstättenbegriff des § 12 der Abgabenordnung (AO 1977). Zwar seien in diesen Betriebsstätten noch keine ausreichend ausgestatteten Büroräume, EDV-Anlagen, leistungsfähigen Tanklager, Sozial- und Verwaltungsräume vorhanden gewesen, um die wesentlichen Impulse für die Tätigkeit der Klägerin als Vertretung der Mineralölgesellschaft im Fördergebiet zu setzen. Die Klägerin habe aber bereits 1990/1991 alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um für die im Fördergebiet geplante und mit der Mineralölgesellschaft abgesprochene Tätigkeit „die kaufmännischen, verwaltungsmäßigen und sozialen Kapazitäten in der Gestalt eingerichteter Büros, vernetzter EDV, eines leistungsfähigen Tanklagers mit Waschräumen und Toiletten vor Ort im Fördergebiet zu installieren”. Die Konzeption der Klägerin sei auf funktional eigenständige Betriebsstätten ausgerichtet gewesen und sie habe im Zusammenhang damit die Investitionen getätigt. Dass diese Betriebsstätten erst 1992/1993 nach und nach ihre volle Funktion hätten aufnehmen können und erst dann von dort aus die wesentlichen Impulse für die wirtschaftliche Tätigkeit im Fördergebiet hätten geben können, könne nach dem Sinn und Zweck der Förderung nicht zu Lasten des Investors gehen. Das FG-Urteil ist unter dem Az. I 8/2002 in juris abrufbar.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe § 2 Satz 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1991 unzutreffend ausgelegt.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidungen die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils ist die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Das FG hat den Begriff der Betriebsstätte rechtsfehlerhaft ausgelegt. Die Klägerin unterhielt im Investitionszeitraum keine Betriebsstätte im Fördergebiet, der die angeschafften Wirtschaftsgüter hätten zugeordnet werden können.
1. Nach § 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1991 ist die Anschaffung von neuen abnutzbaren Wirtschaftsgütern —neben weiteren Voraussetzungen— nur zulagenbegünstigt, wenn die Wirtschaftsgüter mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören.
Der Begriff der Betriebsstätte ist nach § 12 AO 1977 zu bestimmen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist eine Betriebsstätte nur dann gegeben, wenn dem Betrieb Räume zur ständigen Benutzung zur Verfügung stehen, über die ihm eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht eingeräumt ist. Der Nutzende muss eine einem Mieter ähnliche Rechtsposition innehaben, die ihm nicht ohne weiteres entzogen oder ohne seine Mitwirkung nicht verändert werden kann. Für die Annahme einer Betriebsstätte ist letztlich entscheidend, ob eine bestimmte unternehmerische Tätigkeit in einer Geschäftseinrichtung mit fester örtlicher Bindung ausgeübt wird und sich in der Bindung eine gewisse „Verwurzelung” des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ausdrückt (, BFHE 198, 325, BStBl II 2002, 512).
2. Ob die in S in der Wohnung eines Außendienstmitarbeiters angemeldete Zweigniederlassung als Betriebsstätte beurteilt werden kann, ist fraglich (vgl. Senatsurteil in BFHE 198, 325, BStBl II 2002, 512), braucht im Streitfall aber nicht abschließend entschieden zu werden. Denn die frühestens im August 1990 errichtete Niederlassung wurde am wieder abgemeldet, so dass die Wirtschaftsgüter dort jedenfalls nicht mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung zum Anlagevermögen gehörten.
3. Die Zweigstelle in P und das Tanklager in T erfüllten entgegen der Auffassung des FG im Investitionszeitraum die Voraussetzungen einer Betriebsstätte noch nicht.
a) Nach den Feststellungen des FG befand sich das Betriebsgrundstück zu diesem Zeitpunkt im Eigentum der KG, die es nach Erwerb am bis Ende 1992 sanierte, im Jahr 1993 eine Büroeinrichtung anschaffte, und ab teilweise an das Unternehmen der Klägerin vermietete. Das FG geht selbst davon aus, dass vor diesem Zeitpunkt die Errichtung der Betriebsstätte erst in Angriff genommen und noch keine ausreichende Ausstattung vorhanden gewesen sei, die es erlaubt hätte, die erforderlichen wesentlichen Impulse für die Tätigkeit der Klägerin als Vertretung der Mineralölgesellschaft im Fördergebiet von Anfang an zu setzen. Anhaltspunkte für eine wie auch immer geartete „Verwurzelung” des Unternehmens in P vor Juni 1993 ergeben sich danach nicht. Das Tanklager in T befand sich im Investitionszeitraum nach den Feststellungen des FG ebenfalls erst im Anfangsstadium.
b) Entgegen der Auffassung des FG können Wirtschaftsgüter auch dann nicht dem Anlagevermögen einer erst nach Ablauf des Investitionszeitraums errichteten Betriebsstätte zugeordnet werden, wenn der Investor bereits zum Zeitpunkt der Anschaffung der Wirtschaftsgüter alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um die Betriebsstätte zu „installieren”.
Zwar können nach ständiger Rechtsprechung des Senats Investitionszulagen auch für Wirtschaftsgüter gewährt werden, die vor Betriebseröffnung angeschafft oder hergestellt werden, wenn der betreffende Betrieb zügig errichtet und alsbald eröffnet wird ( III R 113/82, BFHE 153, 191, BStBl II 1988, 636, und vom III R 9/96, BFHE 192, 363, BStBl II 2000, 592). Die Grundsätze dieser Rechtsprechung dienen dazu, die Förderung der in der Gründungsphase eines Unternehmens konzentriert anfallenden Investitionen sicherzustellen. Sie gelten aber dann nicht, wenn die Betriebsstätte von einem außerhalb des Fördergebietes liegenden Betrieb gegründet wird. In diesem Fall kann eine Förderlücke vor Eröffnung der Betriebsstätte nicht entstehen, da die angeschafften Wirtschaftsgüter dem Anlagevermögen des Hauptbetriebes zugeordnet werden können (Senatsurteil vom III R 30/01, BFHE 203, 568, BStBl II 2004, 250).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 2056 Nr. 11
FAAAB-66069