BFH Beschluss v. - II B 47/04

Aufhebung eines Verhandlungstermins wegen Erkrankung

Gesetze: ZPO § 227

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) rechnete mit Einheitswertbescheid vom —Zurechnungsfortschreibung auf den — dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) und dem Beigeladenen ein im Jahr 1988 erworbenes Grundstück je zur Hälfte zu. Mit weiterem Einheitswertbescheid vom auf den (Wert- und Artfortschreibung) stellte das FA die Grundstücksart Geschäftsgrundstück und einen geänderten Einheitswert fest. Der vom Kläger und seiner Ehefrau, der Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren, u.a. mit der Begründung, der Einheitswertsbescheid vom sei ihnen nicht bekannt gegeben worden und die Zurechnung des Grundstücks an den Kläger und den Beigeladenen auf den sei rechtswidrig, erhobene Einspruch führte nur zu einer Herabsetzung des Einheitswerts.

Im Klageverfahren bekräftigten die Kläger ihr Einspruchsvor-bringen. Nachdem das Finanzgericht (FG) den Antrag auf Ausset-zung der Vollziehung des Bescheids vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung mit Beschluss vom zurückgewiesen und die Klage durch Gerichtsbescheid vom abgewiesen hatte, stellten die Kläger zwar Antrag auf mündliche Verhandlung, äußerten sich aber entgegen wiederholter Ankündigungen nicht mehr zur Sache.

Die auf den sowie 19. Februar, 15. Oktober und bestimmten Termine zur mündlichen Verhandlung wurden jeweils auf Antrag der Kläger wieder aufgehoben. Die Kläger wurden dabei mit Schreiben des FG vom 14. Februar und gebeten, eine etwaige krankheitsbedingte Verhandlungsunfähigkeit des Klägers durch einen Amtsarzt bestätigen zu lassen. In der Ladung vom wies das FG den Kläger darauf hin, dass eine nochmalige krankheitsbedingte Terminsverlegung nur bei Vorlage eines amtsärztlichen Attestes in Betracht kommen könne.

Die Kläger beantragten mit Schriftsatz vom , den mit Ladung vom auf den , 12.55 Uhr bestimmten Termin zur mündlichen Verhandlung zu verlegen, da der Kläger, der zugleich Prozessbevollmächtigter der Klägerin war, am 21. Januar 2004 in B einen Termin zur mündlichen Verhandlung wahrzunehmen habe. Er reise deshalb am nach B und am wieder zurück. Dem Antrag war eine Ladung des Amtsgerichts (AG) in B vom zur mündlichen Verhandlung am , 9.30 Uhr beigefügt. Das FG lehnte diesen Verlegungsantrag ab.

Die Kläger wiederholten ihren Verlegungsantrag mit Schreiben vom und wiesen darauf hin, dass aufgrund der weiten Entfernung zwischen B und ihrem Wohnsitz in W (rd. 600 km) auch aus gesundheitlichen Gründen ein Aufenthalt in B nach dem Termin beim AG erforderlich sei. Wie das FG bereits wisse, lebe ihr erst vor wenigen Monaten geborener Enkel in B. Der Kläger wolle daher den Termin beim AG mit einem Besuch bei seinem Enkel und dessen Eltern verbinden. Dies habe er bereits nach Zustellung der Ladung des AG und vor der Ladung des FG so geplant. Er habe außerdem am etwa 100 km außerhalb von B einen —nicht näher bezeichneten— beruflichen Termin wahrzunehmen. Dieser erneute Verlegungsantrag blieb ebenfalls erfolglos. Die Kläger wiederholten daraufhin den Antrag nochmals und verwiesen auf die bereits geltend gemachten Gründe. Sie legten außerdem Bestätigungen der Familienangehörigen in B vor, wonach die Reise nach B vom 19. bis bereits am geplant worden sei (Schriftsätze vom 16. und ). Auch diesen Terminsverlegungsantrag lehnte das FG ab.

Der Kläger nahm den Termin beim AG am wahr. Um 11.00 Uhr dieses Tages übersandte er von einem „Kopierladen” in B ein Telefax mit dem Antrag auf Aufhebung des auf den bestimmten Termins zur mündlichen Verhandlung wegen Reise- und Verhandlungsunfähigkeit und fügte das Attest einer in B ansässigen Ärztin bei, wonach er vom 20. bis nicht reise- und verhandlungsfähig sei. Er machte in dem Telefax keine Angaben, wie er in B zu erreichen sei.

Das FG führte am die mündliche Verhandlung durch, obwohl die Kläger nicht erschienen waren, und wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, es könne offen bleiben, ob das vorgelegte, nicht von einem Amtsarzt ausgestellte Attest die darin bescheinigte Reise- und Verhandlungsunfähigkeit des Klägers hinreichend glaubhaft mache. Dem Kläger sei nämlich die offenkundige Absicht der Prozessverschleppung vorzuwerfen. Er habe seine prozessualen Mitwirkungspflichten im Laufe des Verfahrens so erheblich verletzt, dass in der Durchführung der mündlichen Verhandlung selbst bei seiner krankheitsbedingten Verhinderung keine Versagung des rechtlichen Gehörs erkannt werden könne. Bereits seit Anfang des Jahres 2002 sei immer wieder Krankheit der Grund für Anträge auf Fristverlängerungen und Terminsaufhebungen gewesen. Dennoch hätten die Kläger trotz einer Anregung des FG keinen Grund gesehen, einen gesunden Vertreter zu beauftragen. Dazu hätte insbesondere deshalb Anlass bestanden, weil der Kläger nach seinem Vortrag schwer und längerfristig erkrankt sei. Die Beauftragung eines Vertreters sei auch zumutbar gewesen, da der Prozessstoff das persönliche Erscheinen der Kläger nicht wegen besonderer Sachkunde im Tatsächlichen oder aus ähnlichen Gründen geboten habe. Für eine Prozessverschleppungsabsicht spreche auch, dass der Kläger mehrmals zunächst andere Gründe für eine Verlegung der mündlichen Verhandlung angegeben habe und erst nach Ablehnung dieser Anträge jeweils kurz vor dem geplanten Sitzungstermin eine plötzliche Erkrankung angeführt habe. Ein amtsärztliches Attest habe er offensichtlich nicht vorlegen wollen. Zudem hätten sich die Kläger nach dem Ergehen des Beschlusses wegen Aussetzung der Vollziehung und des Gerichtsbescheids nicht zur Sache geäußert, obwohl der Kläger zu umfassenden Stellungnahmen in der Lage gewesen sei, wie die eingehenden Begründungen der Anträge auf Fristverlängerungen und Terminsaufhebungen zeigten. Der Kläger habe auch von der ihm antragsgemäß gewährten Möglichkeit, Akteneinsicht zu nehmen, keinen Gebrauch gemacht.

Zur Sache selbst führte das FG aus, die Klage der Klägerin sei unzulässig, da sie nicht Adressatin des Einheitswertbescheids und deshalb durch diesen auch nicht beschwert sei. Die Klage des Klägers sei unzulässig, da es sich bei der angefochtenen Art- und Wertfortschreibung um gegenüber der Zurechnungsfortschreibung gesonderte Verwaltungsakte handele, die nicht mit der Begründung angegriffen werden könnten, es fehle an einer wirksamen Zurechnungsfortschreibung.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision rügt der Kläger Verletzung rechtlichen Gehörs. Das FG hätte dem Antrag auf Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung stattgeben müssen. Aufgrund schwerwiegender, näher dargelegter familiärer Probleme sei sein gesundheitlicher Zustand labil gewesen. Er sei deshalb nicht für längere oder mittelfristige Zeiträume unbedingt arbeits-, einsatz- und verhandlungsfähig gewesen. Er habe den Termin vor dem AG mit einem Besuch bei Sohn, Schwiegertochter und Enkel bis zum verbinden wollen und sich deshalb in einem Hotel in B eingebucht. Sein gesundheitlicher Zustand habe es ihm erlaubt, den Verhandlungstermin beim AG wahrzunehmen. Hieraus könne indes nicht auf die Verhandlungsfähigkeit am Folgetag geschlossen werden. Die von ihm in B aufgesuchte Ärztin habe seinen Gesundheitszustand zutreffend beurteilt. Ob er auch noch einen Amtsarzt hätte ausfindig machen können, könne offen bleiben.

In der mündlichen Verhandlung hätte er vorgetragen, dass der angefochtene Einheitswertbescheid vom ausweislich der beigefügten Kopie auch gegenüber der Klägerin ergangen sei. Der Bescheid über die Zurechnungsfortschreibung sei ihm und seiner Ehefrau nicht zugegangen. Die Zurechnung des Grundstücks an ihn —den Kläger— und den Beigeladenen wäre auch nicht rechtmäßig gewesen.

Die Klägerin hat keine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision erhoben.

Das FA ist der Ansicht, dass der gerügte Verfahrensmangel nicht schlüssig dargelegt worden sei.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

Soweit der Kläger den geltend gemachten Verfahrensmangel überhaupt den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entsprechend schlüssig dargelegt hat, liegt der Mangel jedenfalls nicht vor.

Das FG hat das Verfahrensgrundrecht des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) nicht dadurch verletzt, dass es den Termin zur mündlichen Verhandlung nicht aufgehoben und trotz Nichterscheinens der Kläger im Termin die Klage abgewiesen hat. Der Kläger hat gegenüber dem FG keine erheblichen, zur Terminsaufhebung zwingenden Gründe i.S. des § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) dargelegt und glaubhaft gemacht.

a) Das vorgelegte privatärztliche Attest vom reichte nicht aus, um die Reise- und Verhandlungsunfähigkeit des Klägers zu belegen. Das FG konnte auf der Grundlage der ärztlichen Bescheinigung, die keine Angaben zu Art und Schwere der Erkrankung enthielt, nicht selbst beurteilen, ob der Kläger reise- und verhandlungsfähig war. Sie genügte daher nicht den gesetzlichen Anforderungen. Ein zum Nachweis einer auf einer plötzlichen Erkrankung beruhenden Verhandlungsunfähigkeit vorgelegtes privatärztliches Attest muss die Verhandlungsunfähigkeit eindeutig und nachvollziehbar ergeben. Würden diese Anforderungen an die Begründung des Antrags bei einer aus Krankheitsgründen kurzfristig begehrten Terminsänderung nicht gestellt, bestünde die Gefahr, dass die Entscheidung darüber allein vom Beteiligten abhinge. Das wäre mit dem Ziel einer möglichst zügigen Durchführung des Verfahrens nicht vereinbar (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom VII B 237/95, BFH/NV 1996, 202; vom X B 58/99, BFH/NV 2000, 441; vom IV B 86/99, BFH/NV 2000, 1353, und vom VII B 7/04, BFH/NV 2005, 64).

Auf die danach erforderlichen detaillierten Angaben konnte im Streitfall insbesondere deshalb nicht verzichtet werden, weil der Kläger am in der Lage gewesen war, den Termin vor dem AG wahrzunehmen, und zudem den Antrag auf Aufhebung oder Verlegung des Termins zunächst anders begründet hatte. Da das FG den Kläger bereits wiederholt um die Vorlage eines amtsärztlichen Attestes gebeten hatte, konnte er sich nicht darauf verlassen, dass die von ihm vorgelegte unsubstantiierte privatärztliche Bescheinigung zur Aufhebung des Termins führen würde. Er hätte daher durch entsprechende Angaben zu seiner Erreichbarkeit in B sicherstellen müssen, dass das FG eine zusätzliche Glaubhaftmachung der geltend gemachten Reise- und Verhandlungsunfähigkeit anfordern könnte. Dass dies der Kläger nicht getan hat, geht zu seinen Lasten, zumal er sich auch nicht durch Rückfrage beim FG über die Entscheidung über seinen Terminsänderungsantrag informiert hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom V B 30/98 u.a., BFH/NV 1999, 647, und in BFH/NV 2005, 64).

b) Das FG brauchte den Verhandlungstermin auch nicht aus anderen Gründen aufzuheben. Es konnte insbesondere im Hinblick auf die bereits mehrmals antragsgemäß erfolgte Aufhebung von Terminen zur mündlichen Verhandlung der Durchführung des Termins Vorrang vor dem vom Kläger beabsichtigten Familientreffen einräumen. Aufgrund der guten Verkehrsverbindungen zwischen B und C konnte das FG auch annehmen, dass der Kläger nach Teilnahme an der Verhandlung vor dem AG problemlos rechtzeitig zur mündlichen Verhandlung nach C zurückkehren könne, ohne dass dem die in den Anträgen auf Terminsänderung nicht näher dargelegten, die Fahrt nach B nicht ausschließenden gesundheitlichen Gründe entgegenstünden. Die erstmals im Beschwerdeverfahren geltend gemachte Buchung eines Hotelzimmers in B war dem FG nicht bekannt und konnte von ihm daher nicht berücksichtigt werden. Den vom Kläger angeführten beruflichen Termin am etwa 100 km außerhalb von B brauchte das FG ebenfalls nicht zum Anlass für eine Terminsaufhebung zu nehmen. Der Kläger hatte zu dem Termin keine näheren Angaben gemacht. Die Planung des Termins zeigt im Übrigen, dass der Kläger seinen Gesundheitszustand selbst als entsprechend günstig einschätzte.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 2041 Nr. 11
TAAAB-66060