Umsatztantieme als verdeckte Gewinnausschüttung
Leitsatz
Ist ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH für den Gesamtbetrieb zuständig, ist eine Erfolgsbeteiligung regelmäßig nur in der Form einer Gewinntantieme anzuerkennen. Dies gilt auch für eine Gesellschaft mit dem Unternehmensgegenstand Vermittlung und Projektentwicklung von Immobilien. Zwar ist denkbar, dass eine solche "makelnde" Gesellschaft in geringerem Umfang Personal und Fremdkapital benötigt als Produktionsgesellschaften. Dieser Umstand führt aber nicht zwangsläufig zu einer "Proportionalität" oder "Parallelität" der Gewinn- und Umsatzentwicklung, die die Anerkennung auch einer Umsatzbeteiligung rechtfertigen könnte.
Gesetze: KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob an die Gesellschafter-Geschäftsführerin der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gezahlte Vermittlungsprovisionen als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zu behandeln sind.
Die Klägerin, eine 1974 gegründete GmbH, betreibt die Vermittlung und Projektentwicklung von Immobilien. Alleinige Gesellschafterin war im Streitjahr 1994 C, sie war zudem zur alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführerin bestellt. Durch Anstellungsvertrag im Jahre 1988 vereinbarte die Klägerin mit C ein Monatsgehalt i.H.v. ... DM, ferner war je ein Monatsgehalt als Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld zu zahlen. Für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit erhielt C jeweils Zuschläge. Zudem stand ihr ein Dienstwagen (auch für Privatfahrten) zu. Daneben erhielt C eine Tantieme von 20 % des Gewinns nach Steuern. Im Jahre 1991 schloss die Klägerin mit C zusätzlich eine Provisionsvereinbarung, wonach letztere eine so bezeichnete Vermittlungsprovision i.H.v. 15 % des jeweiligen Umsatzes der Klägerin erhalten sollte.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) behandelte diese Vermittlungsprovision in voller Höhe als vGA gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und erließ entsprechend geänderte Bescheide.
Die hiergegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. Auf die in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 638 abgedruckten Entscheidungsgründe wird verwiesen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG. Sie beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Bescheide laut Rubrum dahin zu ändern, dass die Vermittlungsprovision nicht als vGA behandelt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Zu Recht hat die Vorinstanz die von der Klägerin an ihre Gesellschafter-Geschäftsführerin C gezahlte Vermittlungsprovision als vGA behandelt.
1. Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung zu verstehen, die nicht auf einer offenen Gewinnausschüttung beruht, sich auf den Unterschiedsbetrag i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auswirkt und durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder mitveranlasst ist. Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis hat der Bundesfinanzhof (BFH) für den größten Teil der zu entscheidenden Fälle bejaht, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie einem Gesellschaftsfremden unter ansonsten vergleichbaren Umständen nicht zugewendet hätte. Maßstab für den hiernach anzustellenden Fremdvergleich ist das Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, der gemäß § 43 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anwendet (vgl. , BFH/NV 2005, 248; vom I R 80/02, BFHE 203, 114, BStBl II 2003, 926).
2. Im Hinblick auf die steuerliche Anerkennung von Erfolgsbeteiligungen für einen Gesellschafter-Geschäftsführer ist nach ständiger Rechtsprechung davon auszugehen, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter im Regelfall eine Erfolgsvergütung in Form einer Gewinn-, nicht hingegen in Form einer Umsatztantieme gewähren wird. Denn eine Umsatzbeteiligung, die unabhängig von der Erzielung von Erträgen zu gewähren ist, steht dem eigenen Gewinnstreben der Kapitalgesellschaft entgegen und ist mit dem Risiko einer Gewinnabsaugung verbunden (vgl. dazu u.a. , BFH/NV 1994, 124; vom I R 105-107/97, BFHE 188, 61, BStBl II 1999, 321; in BFH/NV 2005, 248; Gosch, Körperschaftsteuergesetz, § 8 Rz. 1273, jeweils m.w.N.). Umsatzbeteiligungen begründen somit regelmäßig vGA. Die Voraussetzungen eines steuerlich dennoch anzuerkennenden Ausnahmefalles sind von demjenigen darzulegen, der die steuerrechtliche Anerkennung begehrt (, BFHE 157, 408, BStBl II 1989, 854; Gosch, ebenda).
3. Die im Streitfall von der Klägerin an C geleistete, von ihr so bezeichnete Vermittlungsprovision stellt eine Umsatzbeteiligung im genannten Sinne dar und ist als vGA zu behandeln.
a) Unentschieden bleiben kann, ob die Wertung des FG, es handele sich bei dieser Provision unabhängig von ihrer Bezeichnung, ihrer schuldrechtlichen Grundlage und dem zivilrechtlichen Vertragstyp „wirtschaftlich” um eine Umsatzprovision, eine Feststellung tatsächlicher Art darstellt, an die der Senat bereits gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden wäre. Denn diese Wertung ergibt sich auch nach Auffassung des erkennenden Senats aus dem Gesamtbild der vom FG getroffenen sonstigen Feststellungen.
b) Entscheidend für diese Klassifizierung der streitigen Provision ist, dass sie C als sogenannte „Super-Provision” für alle der Klägerin, somit auch von anderen Mitarbeitern ihres Unternehmens vermittelten Umsätze gezahlt wurde. Die maßgebliche Bezugsgröße für die Berechnung der Vergütung war unabhängig davon, ob und inwieweit die anspruchsberechtigte C selbst an der Erzielung dieses Umsatzes beteiligt war. Diese Feststellung wird erhärtet durch die Begründung des (ablehnenden) zum Antrag der Klägerin auf Berichtigung des Tatbestandes der Vorentscheidung. In Übereinstimmung damit sind vom FG keine Feststellungen zum Umfang der tatsächlichen Mitwirkung der C an den jeweiligen Vermittlungsleistungen getroffen worden; auch die Klägerin selbst hat dazu nichts dargelegt. Es ist dem FG deshalb in seiner Feststellung zu folgen, dass der Vergütungsanspruch der C nicht aufgrund eigener zuordenbarer Vermittlungsleistungen wie bei den anderen von der Klägerin beschäftigten Mitarbeitern entstanden ist, sondern auf der Wahrnehmung der der C übertragenen Aufgaben der Führung der Geschäfte (§ 35 Abs. 1 GmbHG) des Gesamtunternehmens der Klägerin beruhte. Die Geschäftsführung einer mit Vermittlungen befassten Gesellschaft begründet als solche keine eigene Vermittlungstätigkeit. Daraus ergibt sich zugleich, dass sich die Klägerin nicht auf eine Branchenüblichkeit der Entlohnung von Vermittlungsleistungen durch Umsatzprovisionen oder ein in diese Richtung weisendes gesetzliches „Leitbild” berufen kann.
c) Zu einer abweichenden Beurteilung führt nicht der Hinweis der Klägerin auf die von C wahrgenommene Beteiligung an „Abschlussgesprächen und Vertragsverhandlungen”. Denn zum einen ergibt sich aus den Feststellungen des FG nicht, dass die von C bezogene Provision an die Durchführung einzelner konkreter Abschlussgespräche und Verhandlungen geknüpft war. Zum anderen gehen diese Aktivitäten —wie auch das FA zu Recht ausführt— über den Rahmen von „Vermittlungen” als Unternehmensgegenstand der Klägerin hinaus. Gemäß § 652 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) entsteht der Anspruch auf Mäklerlohn nämlich „für den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrags oder für die Vermittlung eines Vertrags” unter der zusätzlichen Bedingung des hierdurch bewirkten Zustandekommens des Vertrags. Sonach verlangt eine „Vermittlung” zwar ein Einwirken auf einen möglichen Interessenten dahin, ein Geschäft mit dem Auftraggeber zu schließen (vgl. dazu , Monatsschrift für Deutsches Recht —MDR— 1977, 35; , Betriebs-Berater —BB— 1997, 1552; vgl. auch Sprau in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 2004, § 652 Rn. 27); sie ist aber andererseits auf diese Förderung der bloßen Abschlussbereitschaft beschränkt. Abschlussgespräche und Vertragsverhandlungen gehören regelmäßig nicht mehr zum Bereich des „Nachweises und der Vermittlung” als der gesetzlich entgoltenen Leistung des Maklers (vgl. Sprau in Palandt, a.a.O., Rn. 24). Dies gilt insbesondere, wenn sie —wie das FG im Streitfall festgestellt hat— dazu dienen, „Vertragsabschlüsse zu verantworten”, also beim tatsächlichen Geschäftsabschluss (Hauptvertrag) verantwortlich mitzuwirken. Derartige Aktivitäten der C folgten allenfalls dem Zweck der Bewirkung der von der eigentlichen Maklerleistung zu trennenden zusätzlichen Bedingung für das Entstehen des Anspruchs auf Mäklerlohn, somit aus den Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten der C im übergeordneten Bereich der Geschäftsführung der Klägerin.
4. Ist ein Geschäftsführer wie C für den Gesamtbetrieb zuständig, ist eine Erfolgsbeteiligung regelmäßig nur in der Form einer Gewinntantieme anzuerkennen (, BFH/NV 1999, 519; vom I R 130/94, BFH/NV 1996, 508; in BFH/NV 1994, 124, jeweils m.w.N.). Dies gilt auch für eine Gesellschaft mit dem Unternehmensgegenstand der Klägerin. Zwar ist denkbar, dass eine solche „makelnde” Gesellschaft in geringerem Umfang Personal und Fremdkapital benötigt als Produktionsgesellschaften. Dieser Umstand führt aber nicht zwangsläufig zu einer „Proportionalität” oder „Parallelität” der Gewinn- und Umsatzentwicklung, die die Anerkennung auch einer Umsatzbeteiligung rechtfertigen könnte. Dies erweist auch das Beispiel der Klägerin, die im maßgeblichen Zeitraum zwischen 1992 und 1996 zwar insgesamt Gewinne, aber unterschiedliche Umsatzrenditen zwischen 12,4 und ./. 7,7 % zu verzeichnen hatte.
5. Die von C als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführerin bezogene Provision ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht mit der Vergütung für einen ausschließlich für den Vertrieb einer Gesellschaft zuständigen Geschäftsführer vergleichbar, bei dem ausnahmsweise eine am Umsatz bemessene variable Vergütung (Vertriebsprovision) angemessen sein kann (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 1996, 508; in BFH/NV 1994, 124, m.w.N.). Gleichermaßen ist auch nicht über eine zusätzliche Vergütung zu entscheiden, die von der Erreichung bestimmter Unternehmensziele —gegebenenfalls auch eines vorgegebenen Umsatzes— abhängig ist und als solche u.U. sachgerecht sein könnte (vgl. dazu , BFHE 199, 315, BStBl II 2003, 329). C hat vielmehr —unabhängig von konkret definierten Größen— eine stetig an die jeweilige Umsatzentwicklung gekoppelte proportionale Vergütung bezogen.
6. Schließlich sind von der Klägerin keine sonstigen überzeugenden betrieblichen oder unternehmerischen Gründe vorgetragen worden, die abweichend von den vorstehenden Grundsätzen für die Gewährung einer Umsatzbeteiligung an C sprechen könnten. Dies würde voraussetzen, dass die mit der Vergütung angestrebte Leistungssteigerung durch eine Gewinntantieme nicht zu erreichen wäre (BFH-Urteile in BFH/NV 1994, 124; in BFHE 157, 408, BStBl II 1989, 854). Hiervon könnte allenfalls während einer (zumeist kostenintensiven) Aufbau- oder Umbauphase eines Unternehmens auszugehen sein, während derer hinreichende Erträge noch ausbleiben und die künftige Ertragsentwicklung noch nicht einzuschätzen ist; im Streitfall war die Klägerin indessen seit 20 Jahren tätig. Im Übrigen wäre für die Anerkennung einer Umsatztantieme auch während einer Aufbau- oder Umbauphase eine zeitliche und höhenmäßige Begrenzung der Provision erforderlich (BFH-Urteile in BFHE 188, 61, BStBl II 1999, 321; in BFH/NV 1994, 124), um einer nachhaltigen Vernachlässigung der Rendite vorzubeugen.
Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin C durch die Zusage der Umsatztantieme einen besonders ausgestalteten Anreiz zur Leistungssteigerung bieten wollte. Ein solcher kann nicht bereits aus dem Umstand abgeleitet werden, dass C die Aufgaben der Geschäftsführung oblagen (BFH-Urteil in BFH/NV 1996, 508).
7. Unabhängig davon ist mit der Geschäftsführerin C neben weiteren Entgeltsabreden zusätzlich eine Gewinntantiemevereinbarung getroffen worden. Einem fremden Geschäftsführer wäre bereits aus diesem Grund nicht kumulierend eine Umsatztantieme zugesagt worden. Die Häufung mehrerer variabler Gehaltsbezüge verstärkt die Gefahr einer Gewinnabsaugung (BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 519). Dies gilt entgegen ihrem Revisionsvorbringen auch für die Klägerin. Zwar hat sie im Streitjahr 1994 (Abschluss der Provisionsvereinbarung mit C) noch einen —wenn auch gegenüber dem Vorjahr bereits geminderten— Gewinn von ca. 215 000 DM erzielt. Im Folgejahr war das Ergebnis mit ca. 114 000 DM hingegen bereits deutlich gemindert und im Jahr 1996 mit einem Verlust von ca. 90 000 DM sogar negativ. Aufgrund dieser Unternehmensdaten durfte das FG davon ausgehen, dass der Klägerin durch die Provisionsvereinbarung sowohl eine angemessene Gewinnteilhabe versagt als auch die Gefahr einer Verlustrealisierung durch die Provisionszahlung tatsächlich verwirklicht worden ist.
8. Ob die streitige Vermittlungsprovision, wie die Klägerin geltend macht, aufgrund einer von der des Streitfalles abweichenden zivilrechtlichen Gestaltung (etwa bei einer freiberuflichen Tätigkeit der C) steuerlich anders zu beurteilen wäre, braucht der Senat nicht zu entscheiden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 2058 Nr. 11
EStB 2005 S. 411 Nr. 11
GmbH-StB 2005 S. 320 Nr. 11
GmbHR 2005 S. 1442 Nr. 21
HFR 2006 S. 183 Nr. 2
NWB-Eilnachricht Nr. 2/2006 S. 92
MAAAB-66058