Anwendung des Alterseinkünftegesetzes auf ausländische Renten; Schweizer Pensionskassen
Hinsichtlich der Anwendung des Alterseinkünftegesetzes [1] (AltEinkG) auf die Besteuerung von Zahlungen in bzw. aus Schweizer Pensionskassen – insbesondere bei Grenzgängern in die Schweiz – ergeben sich ab dem Veranlagungszeitraum 2005 verschiedene Neuerungen. Nach den Erörterungen auf Bundesebene gilt Folgendes:
1. Allgemeines
Die Regelungen der § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a und § 22 Nr. 1 S. 3 Buchstabe a EStG n.F. [2] werden auch auf ausländische gesetzlichen Rentenversicherungen angewandt [3]. Das Schweizer Altersvorsorgesystem [4] unterscheidet sich in wesentlichen Teilen vom deutschen Vorsorgesystem. Die Auszahlungen aus der Schweizer AHV (Alters- und Hinterlassenenversicherung, sog. 1. Säule) sind unstreitig Zahlungen aus einer gesetzlichen Rentenversicherung. Problematisch ist die Einordnung der nach dem BVG (Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge, sog. 2. Säule) errichteten Schweizer Pensionskassen.
Im Gegensatz zur deutschen betrieblichen Altersversorgung ist die sog. berufliche Vorsorge der 2. Säule in der Schweiz nach dem BVG obligatorisch, d.h. alle Arbeitnehmer sind verpflichtet, einer Pensionskasse beizutreten bzw. die Arbeitgeber sind verpflichtet eine derartige Möglichkeit für ihre Arbeitnehmer zu schaffen. Die Arbeitgeber haben Pflichtbeiträge zur Pensionskasse zu leisten (freiwillige Beiträge sind daneben möglich), für die in Deutschland bei der Veranlagung von Schweizer Grenzgängern die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG angewandt wird (vgl. unten Tz. 2). Das Schweizer Pensionskassensystem entspricht daher einer gesetzlichen Rentenversicherung.
2. Arbeitgeberbeiträge zur Pensionskasse
Die Arbeitgeberbeiträge, die aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung gezahlt werden, sind nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG steuerfrei. Die Schweizer Arbeitgeber haben die Möglichkeit, im jeweiligen Pensionskassereglement festzulegen, dass sie für die Arbeitnehmer höhere Beiträge an die Pensionskasse entrichten, als gesetzlich nach dem BVG vorgeschrieben ist. Auf diese freiwilligen Arbeitgeberbeiträge ist § 3 Nr. 62 Satz 4 EStG sinngemäß anzuwenden (zur Berechnung vgl. Seite 4 der Anlage N-Gre). Die § 3 Nr. 62 EStG übersteigenden freiwillig gezahlten Arbeitgeberbeiträge stellen steuerpflichtiger Arbeitslohn dar.
Für die übersteigenden steuerpflichtigen Arbeitgeberbeiträge scheidet eine Anwendung von § 3 Nr. 63 EStG und § 10a/Abschnitt XI EStG aus. Die Schweizer Pensionskasse erfüllt aufgrund der Möglichkeiten zur Beitragsrückerstattung und wegen der Wohneigentumsförderung nicht die Voraussetzungen dieser Vorschriften. Es handelt sich daher auch nicht um begünstigte Altersvorsorgeverträge nach § 82 Abs. 1 EStG.
3. Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG n.F.
Die Beiträge des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers (inkl. der steuerpflichtigen Zuschüsse) zur AHV und zur Schweizer Pensionskasse sind als Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung im Rahmen der Basisversorgung als Sonderausgaben abzugsfähig (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG n.F.). Die steuerfreien Arbeitgeberbeiträge sind allerdings vom Gesamtbetrag wieder abzuziehen (vgl. Beispielsfälle der nachfolgenden Tz. 5).
Beim Sonderausgabenabzug wird nicht zwischen gesetzlichen und freiwilligen Beiträgen unterschieden. Alle Zahlungen in eine gesetzliche Rentenversicherung (z.B. auch der freiwillige Einkauf in die Pensionskasse) sind daher im Rahmen der Basisversorgung abzugsfähig.
4. Besteuerung in der Auszahlungsphase
4.1. Rentenzahlungen aus der AHV und aus der Schweizer Pensionskasse
Die Rentenzahlungen aus der AHV und der Schweizer Pensionskasse nach Eintritt des Versorgungsfalles sind grundsätzlich mit dem Besteuerungsanteil als sonstige Einkünfte zu erfassen (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG n.F.); bei Renteneintritt bis einschließlich 2005 mit einem Besteuerungsanteil i.H.v. 50 %.
Auf Antrag wird ein günstigerer Ertragsanteil auf Leibrenten und andere Leistungen angewandt, sofern diese Zahlungen auf bis zum geleisteten Beiträgen beruhen, die den Höchstbetrag zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung (Beitragsbemessungsgrenze [5] 5) überschritten haben (sog. freiwillige Beiträge, § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb EStG n.F.). Der Steuerpflichtige muss dabei nachweisen, dass der Betrag des Höchstbeitrags zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung mindestens zehn Jahre überschritten wurde. Grenzgänger (inkl. Bestandsrentner), die die Tätigkeit in der Schweiz vor dem aufgenommen haben, und nachweisen können, dass die Pensionskassenbeiträge die jeweiligen Höchstbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung mindestens zehn Jahre überschritten haben, können für einen Teil der Zahlungen aus der Pensionskasse den günstigeren Ertragsanteil erhalten. Zu Einzelheiten vgl. Rz. 121 ff, IV C 3 – S 2255 – 51/05; IV C 4 – S 2221 – 37/05; IV C 5 – S 2345 – 9/05; BStBl 2005 I S. 429.
Für die Aufteilung der Zahlungen in Leistungen, die dem Besteuerungsanteil nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG n.F. und dem günstigeren Ertragsanteil nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb EStG n.F. unterliegen, können die Berechnungsbeispiel der Rz. 129 und 134 des o.g. BMF-Schreibens herangezogen werden. Als tatsächlich geleistete Beiträge sind die Arbeitnehmerbeiträge und die steuerpflichtigen Arbeitgeberbeiträge mit einzubeziehen.
4.2. Einmalzahlungen aus der Schweizer Pensionskasse
Kapitalisierte Einmalzahlungen aus einer Schweizer Pensionskasse – nach Eintritt des Versorgungsfalles, bei Vorbezug oder bei Verlassen der Schweiz (sog. Freizügigkeitsleistungen) – sind entsprechend der Neufassung des Gesetzeswortlauts neben den Leibrenten als „andere Leistungen” nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG n.F. steuerpflichtig. Die Einmalzahlungen werden somit im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung ab 2005 wie die laufenden Zahlungen mit dem Besteuerungsanteil angesetzt (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG n.F.). Da es sich bei der Einmalzahlung nicht um außerordentliche Einkünfte i.S.d. § 34 Abs. 2 EStG (weder eine Entschädigung noch eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit) handelt, kommt eine Anwendung der Fünftelregelung des § 34 EStG auf diese Zahlungen nicht in Betracht.
Bisher wurden derartige Einmalzahlungen wie Zahlungen aus einer Kapitallebensversicherung behandelt (analoge Anwendung mangels deutscher Rechtsvorschrift). Wenn der Arbeitnehmer länger als zwölf Jahre in die Pensionskasse eingezahlt hatte, war die Auszahlung in voller Höhe steuerfrei. Bei einer Zugehörigkeit zur Pensionskasse von weniger als zwölf Jahren wurde lediglich der Zinsanteil der deutschen Besteuerung unterworfen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG). Wenn eine gesetzliche Regelung vorliegt, erübrigt sich die oben dargestellte analoge Anwendung.
Diese Rechtsauffassung ist für Zahlungen anzuwenden, die nach dem zugeflossen sind. Ein Vertrauensschutz besteht im Hinblick auf die Änderung des Gesetzeswortlauts nicht.
5. Berechnungsbeispiele
Der ledige Arbeitnehmer Z wohnt in Deutschland und arbeitet bei der N-GmbH in der Schweiz. Der Arbeitnehmer bezieht einen Bruttoarbeitslohn von 60.000 € im Jahr 2005. Der Arbeitgeber und Arbeitnehmer leisten jeweils 4,2 v.H. des Bruttolohns an die AHV (= 2.520 € jeweils). Weiterhin zahlen Arbeitnehmer und Arbeitgeber je 0,7 v.H. des Bruttolohns an die IV (= 420 € jeweils). Des Weiteren zahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer je 50 v.H. in eine Pensionskasse Schweizer Rechts ein (1.500 € jeweils).
Der Arbeitnehmer hat einen Bruttoarbeitslohn von 60.000 € zu versteuern. Die Abzüge für AHV und IV und für die Pensionskassenbeiträge des Arbeitnehmers dürfen den Arbeitslohn nicht mindern.
Die Arbeitgeberbeiträge zur AHV und IV und an die Pensionskasse (hierzu vgl. Schema auf Seite 4 der Anlage N-Gre) sind nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG steuerfrei.
Der Sonderausgabenabzug des Arbeitnehmers berechnet sich wie folgt:
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AN-Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung: | |
AHV | 2.520 € |
IV | 420 € |
Pensionskasse | 1.500 € |
+ AG-Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung: | |
AHV | 2.520 € |
IV | 420 € |
Pensionskasse | 1.500 € |
Insgesamt AN- + AG-Beitrag, maximal 20.000 € | 8.880 € |
Davon 60 v.H. | 5.328 € |
./. steuerfreier Arbeitgeberanteil | 4.440 € |
abziehbare Basisvorsorgeaufwendungen | 888 € |
Der verheiratete Arbeitnehmer R wohnt in Deutschland und arbeitet bei der O-GmbH in der Schweiz. Seine Ehefrau bezieht keine Einkünfte. R bezieht einen Bruttoarbeitslohn von 60.000 € im Jahr 2005. Der Arbeitgeber und Arbeitnehmer leisten jeweils 4,2 v.H. des Bruttolohns an die AHV (= 2.520 € jeweils). Weiterhin zahlen Arbeitnehmer und Arbeitgeber je 0,7 v.H. des Bruttolohns an die IV (= 420 € jeweils). Des Weiteren zahlen der Arbeitgeber 2.000 € und der Arbeitnehmer € in eine Pensionskasse Schweizer Rechts ein
Der Arbeitnehmer hat einen Bruttoarbeitslohn von 60.000 € zu versteuern. Die Abzüge für AHV und IV und für die Pensionskassenbeiträge des Arbeitnehmers dürfen den Arbeitslohn nicht mindern.
Zu prüfen ist aber, ob durch die Überzahlung der Pensionskassenbeiträge (mehr als 50 v.H.) durch den Arbeitgeber der stpfl. Arbeitlohn zu erhöhen ist.
Hierzu ist folgende Berechnung durchzuführen (Seite 4 Anlage N-Gre):
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AN-Anteil zur Pensionskasse | 1.000 € |
AG-Anteil zur Pensionskasse | 2.000 € |
Gesamtbeitrag | 3.000 € |
Davon 50 v.H. steuerfrei nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG | 1.500 € |
./. AG-Anteil | 2.000 € |
Übersteigender Betrag = freiwilliger AG-Anteil | ./. 500 € |
Arbeitslohn | 60.000 € |
Davon 9,75 v.H. (max. 9,75 v.H. von 62.400 €) | 5.850 € |
./. AG-Beitrag zur AHV/IV | 2.940 € |
./. Pflichtbeitrag zur Pensionskasse | 1.500 € |
Differenz (nur positive Beträge, sonst 0 €) | 1.410 € |
Vergleich des Differenzbetrags von 1.410 € mit dem freiwilligen AG-Beitrag: Wenn der freiwillige AG-Beitrag von 500 € den Differenzbetrag von 1.410 € übersteigen würde, läge stpfl. Arbeitslohn vor. Dies ist nicht der Fall. Der freiwillige AG-Beitrag ist steuerfrei nach § 3 Nr. 62 Satz 4 EStG.
Der Sonderausgabenabzug ermittelt sich dann wie folgt:
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AN-Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung: | ||
AHV | 2.520 € | |
IV | 420 € | |
Pensionskasse | 1.000 € | |
AN-Beiträge insgesamt | 3.940 € | 3.940 € |
+ AG-Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung: | ||
AHV | 2.520 € | |
IV | 420 € | |
Pensionskasse | 2.000 € | |
AG-Beiträge insgesamt | 4.940 € | 4.940 € |
Insgesamt AN- + AG-Beitrag, maximal 40.000 € | 8.880 € | |
Davon 60 v.H. | 5.328 € | |
./. steuerfreier Arbeitgeberanteil | 4.940 € | |
abziehbare Basisvorsorgeaufwendungen | 388 € |
Der ledige Arbeitnehmer A mit deutschem Wohnsitz und Schweizer Arbeitgeber geht zum in Rente. Er erhält neben der AHV-Rente von monatlich 150 € eine Einmalauszahlung aus der Pensionskasse des Arbeitgebers, in die beide je hälftig einbezahlt haben, von 150.000 €.
Die Einmalauszahlung unterliegt ebenso wie die monatliche Rente der Besteuerung mit dem Besteuerungsanteil von 50 v.H. (Beginn im Jahr 2005).
In 2005 sind daher 150 € × 6 = 900 € + 150.000 € = 150.900 € zur Hälfte nach § 22 Satz 3 Nr. 1 Buchst. aa EStG zu besteuern = 75.450 €.
Im Jahr 2006 erhält A 12 × 150 € = 1.800 €, für dieses Jahr ist der steuerfreie Anteil festzuschreiben = 50 v.H. von 1.800 € = 900 €.
Wenn im Jahr 2007 die Rente auf 155 € angepasst wird, erfolgt die Besteuerung folgendermaßen:
12 × 155 € = 1.860 €./. steuerfreier Teil 900 € = steuerpflichtiger Teil 960 €
Eine Neuberechnung des steuerfreien Teils unterbleibt.
OFD Karlsruhe v. - S 2275/16 - St 224
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
CAAAB-66031
1vgl. „Der aktuelle Tipp zur steuerlichen Behandlung der Neuregelung durch das Alterseinkünftegesetz” des Finanzministeriums, Link: www.finanzministerium.baden-wuerttemberg.de.
2EStG n.F. bezieht sich jeweils auf die nach dem AltEinkG ab 2005 gültige Fassung des EStG.
3Derzeit ist ein BMF-Schreiben in Vorbereitung, das eine Aufstellung der ausländischen gesetzlichen Rentenversicherungsträger enthält.
4Zu Einzelheiten vgl. Grenzgängerhandbuch Fach B Teil 2 Nr. 2.
5Das enthält in der Anlage eine Zusammenstellung der Höchstbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für die Jahre 1927 bis 2004, BStBl 2005 I S. 450.