BFH Urteil v. - VII R 17/04

Wiedereinfuhr von Ursprungserzeugnissen der EG

Leitsatz

1. Es bleibt offen, ob bei der Wiedereinfuhr von Ursprungserzeugnissen der Europäischen Gemeinschaft aus der Tschechischen Republik jedenfalls vor dem Zollpräferenzen zu gewähren waren.

2. Die Neufassung des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK durch die VO Nr. 2700/2000 kann erst auf Zollschulden angewandt werden, die nach dem Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens () entstanden sind.

3. Zu den Anforderungen an die tatrichterliche Sachaufklärung und zur Bindungswirkung tatrichterlicher Feststellungen.

4. Ein Antrag auf Zollbefreiung für Rückwaren kann auch noch nach der Abgabe der Zollanmeldung gestellt werden. Dafür genügt es, wenn sich der Wille des Beteiligten, die Zollfreiheit für Rückwaren in Anspruch zu nehmen, aus den Umständen ergibt.

Gesetze: Europaabkommen Tschechien Protokoll Nr. 4 Europaabkommen Tschechien Protokoll Nr. 4 Art. 16 Abs. 1Europaabkommen Tschechien Protokoll Nr. 4 Art. 20VO Nr. 2913/92 (ZK) VO Nr. 2913/92 (ZK) Art. 185 Abs. 1VO Nr. 2913/92 (ZK) Art. 220 Abs. 1VO Nr. 2913/92 (ZK) Art. 220 Abs. 2 Buchst. bVO Nr. 2454/93 (ZKDVO) VO Nr. 2454/93 (ZKDVO) Art. 848 Abs. 1FGO § 76 Abs. 1 Satz 1FGO § 118 Abs. 2ZPO § 138 Abs. 3

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) meldete in dem Zeitraum von Mai bis Juni 1998 15 PKW vom Typ A und 3 PKW der Marke B beim Beklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt —HZA—) zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Die Fahrzeuge waren zuvor von der Z AG von Deutschland in die Tschechische Republik geliefert worden. Im Hinblick auf die vorgelegten von den tschechischen Finanzbehörden ausgestellten Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1, die als Ursprung der Fahrzeuge Deutschland auswiesen, sah das HZA von einer Erhebung von Zoll ab.

Auf Nachprüfungsersuchen des HZA teilte das Finanzministerium der Tschechischen Republik mit, dass der Ausführer nicht in der Lage gewesen sei, die entsprechenden Dokumente zum Nachweis des Ursprungs der in den streitgegenständlichen Warenverkehrsbescheinigungen genannten Waren vorzulegen, und dass diese nicht als Ursprungswaren betrachtet werden könnten. Das HZA forderte daraufhin von der Klägerin ... DM Zoll nach.

Die von der Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren hiergegen erhobene Klage hatte hinsichtlich der PKW des Typs A Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, eine Zollpräferenz könne die Klägerin nicht in Anspruch nehmen, weil die vorgelegten Warenverkehrsbescheinigungen von der Organisation, die sie ausgestellt habe, widerrufen worden seien. Eine Behandlung der Fahrzeuge als Rückwaren komme nicht in Betracht, weil die Klägerin die Fahrzeuge weder als Rückwaren angemeldet noch den nach Art. 186 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex —ZK—) des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— Nr. L 302/1) erforderlichen Nachweis der Rückwareneigenschaft habe erbringen können. Das HZA habe jedoch bezüglich der 15 PKW des Typs A gemäß Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK von der nachträglichen buchmäßigen Erfassung des Zolls absehen müssen. Im Streitfall sei Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK i.d.F. der am in Kraft getretenen VO (EG) Nr. 2700/2000 (VO Nr. 2700/2000) des Europäischen Parlaments und des Rates vom (ABlEG Nr. L 311/17) anzuwenden. Es handele sich hierbei nicht um eine materiell-, sondern um eine formal-rechtliche Regelung, die auch auf vor In-Kraft-Treten der Änderungsverordnung entstandene Zollschulden anzuwenden sei. Das Vorliegen eines Irrtums der Zollbehörden im Ausfuhrland und die Nichterkennbarkeit dieses Irrtums für den Zollschuldner sei danach gesetzlich zu vermuten. Die Klägerin habe hinsichtlich der 15 PKW des Typs A auch gutgläubig gehandelt. Bei der Beantragung der Warenverkehrsbescheinigungen in Tschechien und bei der Einfuhr der Fahrzeuge nach Deutschland seien jeweils Kopien der Ausfuhrrechnungen vorgelegt worden, die eine Ursprungserklärung der Z AG und die Fahrgestellnummer des jeweiligen Wagens enthalten hätten. Aufgrund der in diesen Unterlagen enthaltenen Angaben und der Angabe der Fahrgestellnummern in den Rechnungen der tschechischen Lieferanten der Klägerin sowie in den Warenverkehrsbescheinigungen habe eine Verbindung zwischen den exportierten und den reimportierten Fahrzeugen hergestellt werden können. Die Klägerin habe demnach davon ausgehen dürfen, dass die Präferenzbedingungen für die eingeführten Fahrzeuge des Typs A erfüllt seien. Es beständen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ausstellung der Warenverkehrsbescheinigungen auf einer unrichtigen Darstellung der Fakten durch die Ausführer beruhe.

Hiergegen richtet sich die Revision des HZA. Es macht geltend, das FG sei bei seiner Entscheidung von dem Senatsurteil vom VII R 37/01 (BFHE 200, 444, BStBl II 2003, 145) abgewichen, indem es Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK i.d.F der VO Nr. 2700/2000 auch auf Zollschulden angewendet habe, die vor In-Kraft-Treten dieser Verordnung entstanden seien. Auf den Streitfall sei Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK in der bis zum geltenden Fassung anzuwenden. Es läge weder ein Irrtum der deutschen noch ein Irrtum der tschechischen Zollbehörden bei der Ausstellung der Warenverkehrsbescheinigungen vor. Die Klägerin habe entgegen der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom VII R 6/99, BFHE 190, 507) nicht dargelegt, dass die Unrichtigkeit der Warenverkehrsbescheinigungen darauf beruhe, dass die tschechischen Behörden sie aufgrund richtiger und vollständiger Angaben der Ausführer, jedoch in Verkennung der Ursprungsregeln ausgestellt hätten. Vielmehr hätten die tschechischen Behörden die Warenverkehrsbescheinigungen aufgrund falscher bzw. gefälschter Händlerbescheinigungen und nicht aufgrund eines Irrtums über die Anwendung und Auslegung der Ursprungsbestimmungen ausgestellt. Der gegenteiligen Annahme des FG fehle die tatsächliche Grundlage. Das FG habe nicht ermittelt, ob die Ausfuhrrechnungen, die die Klägerin im Rahmen des Einspruchsverfahrens dem HZA vorgelegt habe, den tschechischen Behörden bei der Ausstellung der Warenverkehrsbescheinigungen vorgelegen hätten. Das sei zweifelhaft, weil sich aus zwei Schreiben des Zollfahndungsamtes (ZFA) München und der Zentralstelle Ursprungsnachprüfung ergebe, dass die Z AG den tschechischen Exporteuren die zur Ausstellung ordnungsgemäßer Präferenznachweise erforderlichen Nachweisunterlagen verweigere.

Selbst wenn ein relevanter Irrtum der tschechischen Behörden vorgelegen habe, sei entgegen der Ansicht des FG nicht gesetzlich zu vermuten, dass dieser Irrtum von der Klägerin vernünftigerweise nicht habe erkannt werden können, sondern dies sei in jedem Einzelfall zu prüfen. Dabei habe die Klägerin aufgrund ihrer Erfahrung im Import und Handel von PKW wissen müssen, dass die Z AG den tschechischen Exporteuren die zur Ausstellung von ordnungsgemäßen Präferenznachweisen erforderlichen Nachweisunterlagen verweigere, so dass sie die Unrichtigkeit der Warenverkehrsbescheinigungen hätte erkennen müssen.

Eine Zollbefreiung der Waren nach Art. 185 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK scheide aus, da die Klägerin keinen entsprechenden Antrag gestellt habe. Die Antragsfrist für einen Erlass nach Art. 236 ZK sei inzwischen abgelaufen, so dass der Antrag auch nicht mehr gestellt werden könne.

Die Klägerin hält das finanzgerichtliche Urteil im Ergebnis für zutreffend. Selbst wenn man der Auffassung des HZA hinsichtlich der Nichtanwendbarkeit des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK n.F. folge, ergebe sich aus den tatsächlichen Feststellungen des FG, dass ein beachtlicher Irrtum der tschechischen Zollbehörden bei der Ausstellung der Warenverkehrsbescheinigungen vorgelegen habe. Das FG habe festgestellt, dass bei Beantragung der Warenverkehrsbescheinigungen Kopien der Ausfuhrrechnungen der Z AG vorgelegen hätten. Die tschechischen Behörden hätten damit bei der Ausstellung der Warenverkehrsbescheinigungen alle für die Anwendung der Präferenzbestimmungen relevanten Tatsachen gekannt. An diese Feststellung sei der Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden. Der Hinweis des HZA in der Revisionsbegründung auf die Schreiben des ZFA München und der Zentralstelle Ursprungsnachprüfung stelle neues Tatsachenvorbringen dar, das im Revisionsverfahren nicht zu berücksichtigen sei.

Die Klägerin habe auch gutgläubig gehandelt und den Irrtum der tschechischen Zollbehörden bei der Ausstellung der Präferenznachweise nicht erkennen können. Auf die Frage, ob die Gewährung eines Gebietsschutzes seitens der Automobilhersteller und das Wissen, dass Reimporte von den Automobilkonzernen nicht erwünscht sind bzw. behindert werden, erhöhte Anforderungen an die Sorgfalt des Zollbeteiligten begründen könnten, komme es nicht an, weil es sich hierbei um neuen Tatsachenvortrag handele, der im Revisionsverfahren nicht zu berücksichtigen sei.

II.

Die Revision des HZA ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung durch das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

1. Der Senat lässt offen, ob die Gewährung von Zollpräferenzen bei der Wiedereinfuhr von Ursprungserzeugnissen der Europäischen Gemeinschaft aus der Tschechischen Republik in die Gemeinschaft nach dem im Streitfall maßgeblichen Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Tschechischen Republik andererseits vom —EA Tschechien— (ABlEG 1994 Nr. L 360/2) und dem ihm beigegebenen Protokoll Nr. 4 über die Bestimmung des Begriffs „Erzeugnisse mit Ursprung in” oder „Ursprungserzeugnisse” und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen —Prot. Nr. 4— i.d.F. des Beschlusses Nr. 3/96 des Assoziationsrates vom (ABlEG Nr. L 343/1) überhaupt in Betracht kommt. Daran mögen im Hinblick auf den Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 Prot. Nr. 4 und verschiedene Veröffentlichungen aus dem Jahre 2004 (VSF-Nachrichten —VSF-N— 17 2004 vom Nr. 90; VSF-N 20 2004 vom Nr. 110; VSF-N 44 2004 vom Nr. 263; Drittlandszollsatz für EG-Ursprungserzeugnisse, Außenwirtschaftliche Praxis —AWPrax— 2004, 206; Präferenzgewährung für EU-Ursprungserzeugnisse weggefallen, AWPrax 2004, 283) Zweifel bestehen.

Diese Frage wird für die abschließende Entscheidung des Rechtsstreits voraussichtlich nicht entscheidungserheblich sein. Selbst wenn die Gewährung von Zollpräferenzen bei der Wiedereinfuhr von Ursprungserzeugnissen der Europäischen Gemeinschaft aus der Tschechischen Republik in die Gemeinschaft von den einschlägigen Vorschriften nicht gedeckt wäre, ist zu erwarten, dass das FG im aus anderen Gründen erforderlichen zweiten Rechtsgang feststellen wird, dass insoweit jedenfalls ein die Nacherhebung von Zoll ausschließender Irrtum der deutschen Zollbehörden gemäß Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK i.d.F. vor In-Kraft-Treten der VO Nr. 2700/2000 vorlag, der von der Klägerin nicht erkannt werden konnte, und dass die Klägerin insoweit gutgläubig gehandelt hat. In diesem Fall hätte sich das HZA in einem nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK a.F. beachtlichen Rechtsirrtum darüber befunden, dass die Gewährung von Zollpräferenzen bei der Wiedereinfuhr von Ursprungswaren der Gemeinschaft in die Gemeinschaft grundsätzlich möglich sei, indem es im Hinblick auf die vorgelegten Warenverkehrsbescheinigungen —ungeachtet ihres späteren Widerrufs durch die tschechischen Behörden— zunächst von der Erhebung von Zoll absah. Dies entsprach der damaligen Verwaltungspraxis (vgl. VSF-N 14 1997 vom Nr. 141 Abs. 4 Buchst. b) und einer verbreiteten, mit ernstlich zu erwägenden Argumenten begründeten Auffassung in der zollrechtlichen Literatur (Wolffgang, Verzollung von EG-Ursprungserzeugnissen bei EG-Import?, AWPrax 1997, 75; Röser in Wolffgang, Management mit Zollpräferenzen, 1998, S. 54 f.; Bachmann in Wolffgang, Management mit Zollpräferenzen, S. 107; aus späterer Zeit: Röser, Präferenzgewährung im System der paneuropäischen Kumulierung, AWPrax 1999, 391; Streich, Paneuropäische Freihandelszone, AWPrax 2000, 187, 188; Witte/ Prieß, Zollkodex, 3. Aufl. 2002, Art. 27 Rdnr. 124). In Anbetracht dessen hätte dieser Irrtum auch von einem erfahrenen und gewissenhaften Zollbeteiligten nicht erkannt werden können. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin insoweit im Streitfall nicht gutgläubig gehandelt oder Vorschriften über die Zollanmeldung missachtet hat, sieht der Senat insoweit nicht.

Die folgenden Ausführungen gehen daher davon aus, dass die Wiedereinfuhr von Ursprungserzeugnissen der Gemeinschaft in die Gemeinschaft zu Präferenzbedingungen bis zum grundsätzlich möglich war bzw. dass das Fehlen dieser Möglichkeit der Klägerin im Streitfall jedenfalls nicht entgegengehalten werden kann.

2. Das FG ist im Ansatzpunkt zutreffend davon ausgegangen, dass eine Zollschuld gemäß Art. 201 Abs. 1 ZK entstanden ist und eine Präferenzbehandlung für die streitgegenständlichen PKW vom Typ A regelmäßig dann ausscheidet, wenn —wie hier— bei der Überprüfung einer als Präferenznachweis vorgelegten Warenverkehrsbescheinigung nicht eindeutig festzustellen ist, dass die Warenverkehrsbescheinigung richtig ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs —BFH— in BFHE 200, 444, BStBl II 2003, 145; in BFHE 190, 507; , BFH/NV 2002, 962). Das HZA ist in solchen Fällen grundsätzlich berechtigt, die nicht erhobenen Zölle allein aufgrund der Mitteilung der zuständigen Behörden des Ausfuhrstaates nachzuerheben, dass die Präferenznachweise nicht den Erfordernissen für ihre Echtheit und die Richtigkeit der darin enthalten Angaben entsprechen, ohne sich darum zu bemühen, den tatsächlichen Ursprung der eingeführten Waren festzustellen (Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— vom Rs. C-97/95, EuGHE 1997, I-4209).

3. Die Annahme des FG, die Voraussetzungen für ein Absehen von der Nacherhebung der Zölle gemäß Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK wegen eines Irrtums der tschechischen Zollbehörden bei der Ausstellung der Warenverkehrsbescheinigungen lägen vor, ist jedoch von den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht gedeckt. Es war erforderlich, Feststellungen zum Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK in der bis zum geltenden Fassung zu treffen, was nicht geschehen ist. Das Urteil kann daher in der vorliegenden Form keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, damit das FG die fehlenden Tatsachenfeststellungen nachholen kann.

a) Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK i.d.F. der VO Nr. 2700/2000 sei auch auf Zollschulden anzuwenden, die vor In-Kraft-Treten dieser Verordnung entstanden seien. Wie der Senat mit Urteil in BFHE 200, 444, BStBl II 2003, 145 bereits entschieden hat, handelt es sich bei den durch die VO Nr. 2700/2000 in Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK eingefügten weiteren Vorschriften nicht um Verfahrensvorschriften, sondern um materiell-rechtliche Bestimmungen, die keine verfahrenstechnischen, sondern materielle Regelungen darüber enthalten, unter welchen Umständen von einer nachträglichen buchmäßigen Erfassung und damit einer nachträglichen Erhebung von Einfuhrabgaben abzusehen ist. Sie können daher erst auf Zollschulden angewandt werden, die nach dem Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens entstanden sind (vgl.  212/80, EuGHE 1981, 2735; vom Rs. C-261/96, EuGHE 1997, I-6177 Rdnr. 17; , BFHE 189, 244). Es trifft entgegen der Ansicht des FG auch nicht zu, dass diese Vorschriften nur etwas wiedergeben, was zuvor bereits in der Rechtsprechung des EuGH entwickelt worden ist. Vielmehr sind die betreffenden Bestimmungen das Ergebnis eines nach langen Verhandlungen gefundenen Kompromisses (vgl. zur Entstehungsgeschichte Witte/ Alexander, Zollkodex, 3. Aufl., Art. 220 Rz. 58, 59), der den Vertrauensschutz gegenüber der bis dahin bestehenden Rechtslage im Anschluss an das u. C-204/94, EuGHE 1996, I-2465 Rdnr. 95, erweitert und präzisiert hat.

b) Nach dem folglich zur Anwendung kommenden Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK a.F. kann von einer Nacherhebung des Zolls nur abgesehen werden, wenn der gesetzlich geschuldete Betrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, der vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte, und wenn der Zollschuldner gutgläubig gehandelt hat. Als Irrtum der Zollbehörden kommt dabei —wovon das FG im Ansatz zutreffend ausgeht— auch ein Irrtum der drittländischen Behörden bei der Ausstellung der Präferenznachweise in Betracht. Allerdings liegt nur dann ein i.S. von Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK a.F. beachtlicher Irrtum dieser Behörden vor, wenn die Unrichtigkeit der Warenverkehrsbescheinigungen darauf beruht, dass die drittländischen Behörden sie aufgrund richtiger und vollständiger Angaben der Ausführer in Verkennung der Ursprungsregeln ausgestellt haben (EuGH-Urteil in EuGHE 1996, I-2465 Rdnr. 95). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Zollschuldner substantiiert darzulegen (Senatsurteil in BFHE 190, 507, 511 f.) und erforderlichenfalls zu beweisen.

Das FG hat jedoch keinerlei Feststellungen zu einem Irrtum der Zollbehörden getroffen. Das FG ist vielmehr aufgrund der von ihm für zutreffend gehaltenen Anwendung des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK i.d.F. der VO Nr. 2700/2000 ohne weitere Prüfung von einem Irrtum der Behörde, welche die Warenverkehrsbescheinigungen ausgestellt hat, ausgegangen. Ferner hat das FG ohne weitere Prüfung angenommen, die Klägerin habe diesen Irrtum vernünftigerweise nicht erkennen können.

c) Anders als die Klägerin meint, ergibt sich eine den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindende Feststellung des FG dahin gehend, dass die tschechischen Behörden die Warenverkehrsbescheinigungen aufgrund richtiger und vollständiger Angaben der Ausführer in Verkennung der Ursprungsregeln ausgestellt hätten, und damit ein im Rahmen des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK beachtlicher Irrtum der Zollbehörden vorgelegen habe, auch nicht daraus, dass das FG in seinem Urteil im Rahmen der Prüfung eines anderen Tatbestandsmerkmals des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK n.F. davon ausgegangen ist, Kopien der die Ursprungserklärungen und die Fahrgestellnummer enthaltenden Ausfuhrrechnungen der Z AG seien jeweils bei der Beantragung der EUR.1 in Tschechien vorgelegt worden.

Zwar obliegt die Feststellung des für die Entscheidung eines Rechtsstreits maßgeblichen Sachverhalts dem FG, an dessen Feststellungen der BFH in der Revisionsinstanz grundsätzlich gebunden ist. Die Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung des FG ist jedoch insoweit revisibel, als Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze vorliegen (, BFHE 135, 479, BStBl II 1982, 442). Die Bindungswirkung gemäß § 118 Abs. 2 FGO tritt mithin nur ein, wenn hinsichtlich der getroffenen Feststellungen die bei der Tatsachenfeststellung und bei der Beweiswürdigung zu beachtenden Rechtsgrundsätze beachtet wurden. Dazu gehört nicht nur, dass die Feststellungen des FG nicht in sich widersprüchlich oder sonst mit den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen unvereinbar sein dürfen, sondern auch, dass sie auf einer nachvollziehbaren Anwendung von rational einsichtigen Grundsätzen der Beweiswürdigung beruhen (vgl. , zur Veröffentlichung vorgesehen; vom I R 225/82, BFHE 154, 7, BStBl II 1988, 944). Das FG darf also nicht gleichsam ins Blaue hinein Feststellungen treffen, die sich in Wahrheit als Mutmaßungen oder bloße Unterstellungen erweisen (, BFHE 162, 199, BStBl II 1991, 100). Das bedeutet nicht, dass die vom FG getroffenen Feststellungen zwingend sein müssen; vielmehr genügt es, dass sie aufgrund der dem FG vorliegenden Beweismittel zumindest möglich erscheinen (, BFHE 188, 415, BStBl II 1999, 735). Es ist aber erforderlich, dass die Feststellungen des FG auf einer hinreichenden Grundlage beruhen, die das Revisionsgericht in die Lage versetzen nachzuvollziehen, wie das FG zu der seine Entscheidung tragenden Überzeugung gelangt ist (, zur Veröffentlichung vorgesehen; vom X R 151/97, BFH/NV 2000, 1097).

Daran fehlt es hier. Das HZA macht zu Recht geltend, das FG habe nicht ermittelt, ob die Ausfuhrrechnungen bei der Beantragung der EUR.1 in Tschechien vorgelegt worden seien. Wie das FG zu der Annahme gelangt ist, die Kopien der Ausfuhrrechnungen mit den Ursprungserklärungen und der Angabe der Fahrgestellnummern hätten jeweils bei der Beantragung der EUR.1 in Tschechien vorgelegen, ist nicht nachzuvollziehen. Nach der Darstellung des FG soll sich dies aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ergeben. Weder das Protokoll der mündlichen Verhandlung noch das Urteil enthalten aber nähere Hinweise darüber, auf konkret welche Unterlagen oder sonstigen Beweismittel das FG seine Erkenntnis stützt. Zwar ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Tatrichter ausnahmsweise allein aufgrund einer Würdigung des Vortrages eines der Beteiligten zu der für seine Entscheidung erforderlichen Überzeugung vom Vorliegen einer (streitigen) Tatsache gelangt. Dann muss dieser Vortrag freilich aus sich heraus so überzeugend und nahe liegend erscheinen, dass es der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (ausnahmsweise) gestattet, sich über eine gegenteilige Behauptung oder gegenteilige Anhaltspunkte hinwegzusetzen, ohne dass für die Richtigkeit des Vortrages Beweismittel vorliegen (, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Der Umstand, dass den tschechischen Behörden im Nachprüfungsverfahren offenbar keine aussagekräftigen Nachweise für den Ursprung der Fahrzeuge präsentiert werden konnten, lässt die eher beiläufige Behauptung der Klägerin, den tschechischen Behörden seien bei der Beantragung der Warenverkehrsbescheinigungen beglaubigte Kopien der Ausfuhrrechnungen vorgelegt worden, nicht als so überzeugend und nahe liegend erscheinen, als dass das FG dies ohne weiteres für seine Überzeugungsbildung als ausreichend erachten durfte. Abgesehen von dem Schreiben der Klägerin vom im Rahmen des Einspruchsverfahrens ist die Frage, welche Unterlagen den tschechischen Behörden bei der Ausstellung der Präferenznachweise vorgelegt wurden, im weiteren Verfahren zumindest schriftsätzlich nicht weiter thematisiert worden. Das FG durfte die Behauptung der Klägerin trotz des Schweigens des HZA hierzu auch nicht ohne weiteres als zugestanden betrachten. Es liegt auf der Hand, dass das HZA aus eigener Sachkenntnis zu der Frage, welche Unterlagen ausländischen Behörden für die Ausstellung von Präferenznachweisen vorgelegt wurden, regelmäßig keine Angaben machen kann, so dass das HZA eine solche Behauptung in aller Regel lediglich mit Nichtwissen hätte bestreiten können. Dies in einem Verfahren zu verlangen, in dem die Amtsermittlungsmaxime (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) gilt, wäre nicht sachgerecht. Eine entsprechende Anwendung von § 138 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO), wonach Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, als zugestanden anzusehen sind, ist wegen der wesensmäßigen Unterschiede beider Verfahrensarten (Zivil- und Steuerprozess) ausgeschlossen.

Ein Anlass für das FG, die Behauptung der Klägerin zu hinterfragen, ergab sich im Streitfall außerdem aus dem in den Einspruchsakten des HZA, auf die das FG Bezug genommen hat, befindlichen Aktenvermerk des ZFA München - Zweigstelle Passau vom , in dem auf Ermittlungen der tschechischen Zollfahndung Budweis hingewiesen wird, die ergeben hätten, dass die Warenverkehrsbescheinigungen auf der Grundlage gefälschter Händlerbescheinigungen ausgestellt worden seien. Dies jedenfalls hätte das FG veranlassen müssen, von der Klägerin konkretere Angaben und Nachweise über die bei der Beantragung der Warenverkehrsbescheinigungen vorgelegten Unterlagen zu verlangen. Indem das HZA in der Revisionsbegründung auf das in den Streitakten befindliche Schriftstück hinweist, bringt es nicht neue Tatsachen vor, deren Berücksichtigung im Revisionsverfahren ausgeschlossen wäre, sondern macht lediglich auf einen Punkt aufmerksam, den das FG bei seiner Entscheidungsfindung von Amts wegen ohnehin hätte berücksichtigen müssen, aber offensichtlich in diesem Zusammenhang übergangen hat. Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO entscheidet das FG nämlich nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung, wozu auch die Kenntnis und Berücksichtigung des gesamten Akteninhalts gehört (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 96 Rdnr. 8). Die Nichtberücksichtigung des Aktenvermerkes des ZFA München macht die Beweiswürdigung des FG daher fehlerhaft, so dass sie auch aus diesem Grunde den erkennenden Senat nicht zu binden vermag.

Wenn das FG seine Feststellungen zu der Frage, ob die tschechischen Behörden die Warenverkehrsbescheinigungen aufgrund richtiger und vollständiger Angaben der Ausführer in Verkennung der Ursprungsregeln ausgestellt haben, im zweiten Rechtsgang nachholt, wird es auch zu klären haben, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, dass der Beglaubigungsvermerk auf der Rückseite der in den HZA-Akten befindlichen Ausfuhrrechnungen jeweils ein Datum aus dem September 1998 aufweist, während die Warenverkehrsbescheinigungen von den tschechischen Behörden in den Einfuhrmonaten Mai und Juni 1998 ausgestellt wurden. Letzteres könnte dagegen sprechen, dass die Kopien der Ausfuhrrechnungen den tschechischen Behörden bereits bei der Ausstellung der Warenverkehrsbescheinigungen vorlagen.

d) Das FG wird auch seine Feststellungen zur fehlenden Erkennbarkeit des Irrtums und zur Gutgläubigkeit der Klägerin zu überprüfen haben. Hierbei wird es nicht davon ausgehen können, dass der —für diese Erwägung unterstellte— Irrtum der tschechischen Zollbehörden bei der Ausstellung der Warenverkehrsbescheinigungen schon deshalb für die Klägerin erkennbar war, weil es —wie das FG offenbar meint— grundsätzlich nur dann möglich gewesen wäre, den Ursprungsnachweis auf der Ausfuhrrechnung durch eine Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 zu ersetzen, wenn sich die Fahrzeuge in Tschechien unter Zollkontrolle befunden hätten. Denn der vom FG hierfür angeführte Art. 20 Prot. Nr. 4 regelt nur den Sonderfall eines Austausches oder einer Aufteilung von Präferenznachweisen unter vereinfachten Voraussetzungen, wenn die Erzeugnisse einer Zollkontrolle unterstellt sind, schließt aber die Ausstellung von Präferenznachweisen nach den allgemeinen Regeln des Protokolls nicht aus.

4. Schließlich weist der Senat auf das —Bonapharma— (EuGHE 1995, I-319) hin. Der EuGH hat darin eine Ausnahme von den in der anwendbaren Präferenzregelung vorgesehenen Nachweismechanismen für den Fall zugelassen, dass sich der betreffende Wirtschaftsteilnehmer ganz außergewöhnlichen Umständen gegenübersieht, auf die er keinen Einfluss hat und deren Folgen er trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätte vermeiden können. In diesem Zusammenhang wird das FG im zweiten Rechtsgang auch das Vorbringen des HZA im Schriftsatz vom zu berücksichtigen haben, wonach Reimportgeschäfte, wie sie die Klägerin betreibt, von den Automobilkonzernen nicht erwünscht seien und von der Z AG dadurch behindert würden, dass sie den tschechischen Exporteuren die zur Ausstellung von ordnungsgemäßen Präferenznachweisen erforderlichen Unterlagen verweigere. In Anlehnung an das vorgenannte Urteil des EuGH könnte sich hieraus unter gewissen weiteren Voraussetzungen, deren Vorliegen das FG erforderlichenfalls festzustellen haben wird, eine Konstellation ergeben, die es erlaubt, ausnahmsweise von der Vorlage der in dem einschlägigen Abkommen vorgesehenen Nachweise für den Ursprung der Waren abzusehen und der Klägerin zu gestatten, den Ursprungsnachweis durch andere zuverlässige Beweismittel zu führen.

5. Sollte das FG zu dem Ergebnis kommen, dass die Voraussetzungen des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK a.F. für ein Absehen von der nachträglichen buchmäßigen Erfassung nicht vorliegen, wird es erneut zu prüfen haben, ob eine Zollbefreiung nach Art. 185 Abs. 1 ZK in Betracht kommt. Ohne den hierfür erforderlichen Tatsachenfeststellungen des FG vorzugreifen, weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Anders als das FG offenbar meint, kann der nach Art. 185 Abs. 1 ZK erforderliche Antrag noch nachträglich gestellt werden (Witte/Kampf, a.a.O., Art. 185 Rdnr. 3; Schwarz in Schwarz/Wockenfoth, Zollrecht, 3. Aufl., Art. 185 ZK Rz. 9). Hierfür spricht auch der durch die Verordnung (EG) Nr. 82/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom (ABlEG 1997 Nr. L 17/1) mit Wirkung vom eingefügte Art. 212a ZK. Die Ausführungen in dem Senatsbeschluss vom VII R 23/01 (BFHE 197, 563, 567) beziehen sich nicht auf die Frage, bis wann ein Antrag auf Zollbefreiung nach Art. 185 Abs. 1 ZK noch gestellt werden kann. Ein Antrag der Klägerin auf Anwendung der Rückwarenregelung könnte möglicherweise darin zu sehen sein, dass sie im Klageverfahren wie auch schon im Einspruchsverfahren geltend gemacht hat, es handele sich bei den PKW um in Deutschland von der Z AG hergestellte Fahrzeuge.

b) Hinsichtlich des von der Klägerin zu führenden Nachweises der Rückwareneigenschaft sind die Feststellungen des FG widersprüchlich und bedürfen im zweiten Rechtsgang ebenfalls der Klärung. Einerseits hat das FG ausgeführt, die Klägerin habe den Nachweis der Rückwareneigenschaft nicht erbringen können. Möglicherweise hatte das FG hierbei nur den Nachweis durch das Auskunftsblatt INF 3 (Art. 848 Abs. 1 1. Anstrich, Buchst. b i.V.m. Art 850 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 —Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZKDVO)— der Kommission vom mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften —ABlEG Nr. L 253/1—) im Auge. Andererseits hat das FG ausgeführt, aus den Angaben auf den von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Ausfuhrrechnungen und den Rechnungen der tschechischen Lieferanten bzw. den Warenverkehrsbescheinigungen könne eine Verbindung zwischen den ausgeführten und den wiedereingeführten PKW des Typs A hergestellt werden. Danach erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin den Alternativnachweis nach Art. 848 Abs. 1 1. Anstrich letzter Unterabs. ZKDVO führen kann.

Fundstelle(n):
BB 2005 S. 2006 Nr. 37
BFH/NV 2005 S. 1956 Nr. 10
DStRE 2005 S. 1285 Nr. 21
DStZ 2005 S. 656 Nr. 19
HFR 2005 S. 1109 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 38/2005 S. 3195
RIW 2005 S. 787 Nr. 10
StB 2005 S. 365 Nr. 10
JAAAB-60421