BFH Beschluss v. - VII S 15/05 (PKH)

Instanzenzug:

Gründe

Dem Kläger und Antragsteller (Antragsteller) kann die beantragte Prozesskostenhilfe (PKH) nicht gewährt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung —hier die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision— gegen das die Klage auf Vollstreckungseinstellung abweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 142 der FinanzgerichtsordnungFGO— i.V.m. § 114 der ZivilprozessordnungZPO—). Aufgrund der Aussichtslosigkeit des noch einzulegenden Rechtsmittels kommt auch die Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten gemäß § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 117 Abs. 1, § 121 Abs. 1 ZPO oder die Bestellung eines Notanwalts nach § 78b Abs. 1 ZPO i.V.m. § 155 FGO nicht in Betracht.

Der Antragsteller, der erwerbslos ist und seit über zehn Jahren Arbeitslosenhilfe bezieht, schuldet dem Beklagten (Finanzamt —FA—) Einkommen- und Umsatzsteuer nebst Säumniszuschlägen in Höhe von 5 229,34 €. Nachdem mehrere Vollstreckungsversuche erfolglos geblieben waren, pfändete das FA beim Bruder des Antragstellers und dessen Prozessbevollmächtigten die sich aus einem Urteil des Oberlandesgerichts…ergebenden Ansprüche aus der Erbschaft der verstorbenen Großmutter des Antragstellers. Sodann beantragte der Antragsteller den Erlass der Steuerschulden, den das FA ablehnte und lediglich die Hälfte der Säumniszuschläge erließ. Den Einspruch wies das FA als unbegründet zurück. Daraufhin erhob der Antragsteller Klage vor dem FG und beantragte zugleich beim FA, die gegen ihn gerichteten Vollstreckungsmaßnahmen bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils einzustellen. Dies lehnte das FA ab. Der gegen den ablehnenden Bescheid gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. Daraufhin erhob der Antragsteller erneut Klage.

Den Antrag auf Terminsverlegung, den der Antragsteller mit einer längerfristigen Rehabilitations-Maßnahme begründete, jedoch auf eine entsprechende Anforderung des FG nicht glaubhaft machte, wies das FG zurück. Es urteilte, dass der Antrag auf Terminsverlegung zu Recht abgelehnt worden sei und dass sich der Antragsteller nicht auf eine verspätete Kenntnisnahme von der Aufforderung zur Glaubhaftmachung berufen könne.

Frei von Ermessensfehlern habe das FA den Antrag auf Gewährung von Vollstreckungsaufschub (§ 258 der AbgabenordnungAO 1977—) abgelehnt. Da das FA rechtzeitig verjährungsunterbrechende Maßnahmen getroffen habe, seien die streitigen Steuerforderungen noch nicht verjährt. Der Antragsteller habe nicht dargelegt, dass er durch ein kurzfristiges Zuwarten des FA weniger beeinträchtigt würde und dass er die Steuerschuld kurzfristig begleichen werde. Im Streitfall würde die Vollstreckung auch nicht zu einer Existenzvernichtung des Antragstellers führen, denn der Antragsteller sei bereits in Vermögensverfall geraten und beziehe Arbeitslosengeld. Da die Klage auf Erlass der Steuerschulden abgewiesen worden sei, widerspreche die Verweigerung von Vollstreckungsaufschub nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben. Die Pfändung des Erbschaftsanteils erweise sich unter den gegebenen Umständen nicht als unbillig. Ein Pfändungsschutz sei weder nach § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO noch nach § 850i ZPO anzuerkennen, denn bei dem gepfändeten Erbschaftsanteil handle es sich nicht um einen Anspruch aus einer Lebensversicherung und auch nicht um eine Vergütung für persönlich geleistete Dienste. Des Weiteren könne sich der Antragsteller nicht auf die im Erbfall geltenden Vollstreckungsschutzvorschriften des § 747 ZPO und der §§ 778 ff. ZPO berufen, denn die Zwangsvollstreckung werde nicht von einem Gläubiger des Erblassers und nicht in einen noch ungeteilten Nachlass betrieben. Schließlich könne § 765a ZPO nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) neben § 258 AO 1977 keine Anwendung finden. Davon abgesehen würden im Streitfall auch die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorliegen. Die Behauptung des Antragstellers, den Erbschaftsanteil für eine Zahnbehandlung einsetzen zu wollen, führe nicht zu einem die Vollstreckung ausschließenden Härtefall im Sinne dieser Vorschrift. Aus dem vorgelegten Heil- und Kostenplan sei nicht ersichtlich, dass eine derartige Zahnbehandlung medizinisch notwendig sei. Ferner sei kein Nachweis erfolgt, dass der Sozialversicherungsträger die Kosten nicht zu tragen bereit wäre.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Antragsteller. Für eine noch einzulegende Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision bzw. für die Einlegung der Revision beantragt er die Gewährung von PKH und die Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten, hilfsweise die Beiordnung eines Notanwalts. Zur Begründung seines Anliegens führt er aus, dass das FG die Nichtzulassung der Revision im Urteil selbst nicht ausgesprochen habe; daher sei von einer Zulassung der Revision auszugehen. Zu den vermeintlich vorliegenden Revisionsgründen trägt er vor, dass das FG seine Einwendungen unterdrückt und bezogen auf seinen Einzelfall verkannt habe, dass sich allein der Erlass der Steuerschulden auf die Verbesserung seiner wirtschaftlichen Situation auswirken würde. Unter Nichtberücksichtigung der Nachlassverbindlichkeiten habe das FG nicht dargelegt, warum im Streitfall nicht von einer Existenzvernichtung ausgegangen werden könne und wie der Antragsteller die medizinische Versorgung und die Altersvorsorge sicherstellen solle.

Das FG habe entscheidungserhebliche Gründe unterdrückt und Zahlen verfälscht. Unzutreffend sei die Feststellung, dass arbeitsmarkt- und sozialpolitische Ziele durch einen Steuererlass im Alter nicht gefördert werden dürften. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH seien Mittel für die Rücklagenbildung einer Altersvorsorge, für Kranken- und Sozialversicherungsbeiträge etc. dem Vollstreckungsschuldner zu belassen. In Nachlassverbindlichkeiten (Beerdigungs- und Grabpflegekosten; Kosten aufgrund der Erbauseinandersetzung) könne nicht vollstreckt werden. Die Nachlassteilung sei nicht abgeschlossen. Entgegen der Darstellung des FG sei die Notwendigkeit der zahnärztlichen Behandlung durch den Heil- und Kostenplan hinreichend belegt. Auf eine Kostenübernahme durch den Sozialhilfeträger müsse sich der Antragsteller nicht verweisen lassen. Das FG verschweige, dass die zur Hälfte erlassenen Säumniszuschläge im Erhebungskonto nicht eingebucht worden seien. Hinsichtlich der erlassenen Säumniszuschläge hätten zwei getrennte Zeiträume berücksichtigt werden müssen. Rechtsfehlerhaft habe das FG in einer tatsächlich nicht stattgefundenen Kontopfändung und in der Anforderung eines Kontoauszuges durch den Steuerschuldner verjährungsunterbrechende Maßnahmen gesehen. Aufgrund eingetretener Verjährung seien sowohl die Hauptschuld als auch die Nebenleistungen erloschen. Da fristgerecht Klage erhoben worden sei, seien die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen nicht bestandskräftig geworden. Schließlich habe das FG den Antrag auf Terminsverlegung und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der vom FG gesetzten Frist zur Glaubhaftmachung der Hinderungsgründe zu Unrecht abgelehnt. Zur Wahrnehmung seiner Rechte sei die Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten, hilfsweise die Beiordnung eines Notanwalts erforderlich. Denn einen zur Vertretung bereiten Prozessbevollmächtigten habe er nicht gefunden, was sieben schriftlich vorliegende Absagen belegen würden.

Bei der im PKH-Verfahren gebotenen und ausreichenden summarischen Überprüfung erscheint der vom Antragsteller angestrebte Rechtsbehelf nicht Erfolg versprechend, denn der BFH wäre an einer Entscheidung in der Sache gehindert. Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat das FG die Revision nicht zugelassen. Das Fehlen des ausdrücklichen Ausspruchs der Nichtzulassung der Revision im erstinstanzlichen Urteil bedeutet nicht, dass die Revision vom FG zugelassen worden wäre. Denn die Entscheidung über die Nichtzulassung kann auch konkludent getroffen werden. Daher ist die Revision versagt, wenn das Urteil wie im Streitfall keinen Ausspruch über die Zulassung der Revision enthält (vgl. BFH-Beschlüsse vom X R 105/96, BFH/NV 1998, 1488, und vom VIII R 45/94, BFH/NV 1995, 426). Im Übrigen weist auch die beigefügte Rechtsmittelbelehrung darauf hin, dass das FG die Revision nicht zugelassen hat.

Nach Auffassung des Senats kann die Zulassung der Revision auch nicht mit einer Nichtzulassungsbeschwerde erreicht werden. Im Stile einer Revisionsbegründung sucht der Antragsteller in seinen mit „Revisionsgründe” überschriebenen Ausführungen die Fehlerhaftigkeit des erstinstanzlichen Urteils zu belegen. Jedoch ist diesem Vorbringen eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung ebenso wenig zu entnehmen, wie die Darlegung eines Verfahrensmangels i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Folglich wäre die Nichtzulassungsbeschwerde auch bei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist und Ausfertigung der Beschwerdebegründung durch einen Prozessbevollmächtigten als unzulässig zu verwerfen.

1. Soweit sich der Antragsteller unter Hinweis auf die BFH-Entscheidungen vom III 83/65 (BFHE 94, 402, BStBl II 1969, 201), vom IV R 23/78 (BFHE 133, 489, BStBl II 1981, 726) und vom IV R 298/84 (BFHE 149, 126, BStBl II 1987, 612) darauf beruft, dass ihm Mittel für zukunftssichernde und gesundheitserhaltende Maßnahmen belassen werden müssten, dass sich nur ein Erlass der geschuldeten Steuern auf eine nachhaltige Verbesserung seiner wirtschaftlichen Situation auswirken könne und dass das FG in seiner Entscheidung die im Rahmen des Erlassantrages vorgebrachten Gründe unterdrückt habe, kann dieses Vorbringen im Streitfall schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision führen, weil das FG nur über die Rechtmäßigkeit des Ermessensgebrauchs hinsichtlich der Ablehnung einer nach § 258 AO 1977 begehrten Maßnahme befunden, indes die auf den Erlass der Steuerschulden gerichtete Verpflichtungsklage in einem anderen Urteil abgewiesen hat. Gegenstand der vom Antragsteller angegriffenen Entscheidung ist allein die Ablehnung einer einstweiligen Maßnahme zur Beseitigung einer vom Antragsteller behaupteten Unbilligkeit der Vollstreckung, so dass der auf eine vermeintliche Erlassbedürftigkeit gestützte Vortrag einen Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO nicht darzulegen vermag. Dies gilt auch für den Fall, dass dem Vorbringen des Antragstellers eine Divergenzrüge entnommen werden könnte. Denn die von ihm angeführten BFH-Entscheidungen betreffen die Voraussetzungen für die Gewährung einer endgültigen Maßnahme in Form eines Billigkeitserlasses. Das Ziel einer dauerhaften Einstellung der Zwangsvollstreckung lässt sich jedoch durch eine Maßnahme nach § 258 AO 1977 nicht erreichen (vgl. Senatsentscheidungen vom VII B 29/92, BFH/NV 1993, 660, und vom VII B 150/92, BFH/NV 1993, 709, m.w.N.).

2. Ein Verfahrensmangel wird auch nicht mit der bloßen Behauptung belegt, dass das FG einen Verstoß gegen das Übermaßverbot sowie die Frage nicht geprüft habe, wie der Antragsteller seine medizinische Versorgung im Alter sowie die Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten sicherstellen könne. Im Übrigen lassen sich dem Urteil Aussagen zur konkreten Höhe des Erbanteils nicht entnehmen, so dass der Vorwurf der Sachverhaltsverfälschung durch das FG ins Leere geht. Dies gilt auch für die vermeintlichen Ausführungen des FG zur Rechtmäßigkeit der verwirkten Säumniszuschläge und zum Bestehen eines diesbezüglichen Erlassanspruchs. Es liegt die Vermutung nahe, dass der Antragsteller mit seinen Einwendungen Ausführungen in einem anderen Urteil angreift, mit dem das FG die Verpflichtungsklage auf Erlass der Steuerschulden abgewiesen hat.

3. Soweit der Antragsteller die unzutreffende rechtliche Würdigung durch das FG, insbesondere die Nichtbeachtung oder rechtsfehlerhafte Interpretation von Pfändungsschutzvorschriften der ZPO rügt, kann auch dieses Vorbringen nicht zu einer Zulassung der Revision führen. Denn Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen für sich gesehen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 130/03, BFH/NV 2004, 215; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 24 und § 116 Rz. 34, jeweils m.w.N.). Ergänzend weist der beschließende Senat darauf hin, dass § 258 AO 1977 eine besondere Regelung für die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung oder auch der Durchführung einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme enthält, die derjenigen in § 765a ZPO entspricht, so dass diese Vorschrift für das Verwaltungsvollstreckungsverfahren keine Anwendung finden kann (Senatsbeschluss vom VII B 9/82, nicht veröffentlicht).

4. Auch die insbesondere auf Verjährung gestützten Einwendungen, die sich gegen die Rechtmäßigkeit der der Vollstreckung zugrunde liegenden Steuerforderungen richten, könnten einer Nichtzulassungsbeschwerde —selbst wenn diesem Vorbringen die Darlegung eines in § 115 Abs. 2 FGO benannten Zulassungsgrundes entnommen werden könnte— nicht zum Erfolg verhelfen, denn solche Einwendungen können nach der Rechtsprechung des BFH für sich allein eine Unbilligkeit i.S. von § 258 AO 1977 nicht begründen (vgl. Beermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 258 AO 1977 Rdnr. 14, m.w.N.). Anhaltspunkte für den Sonderfall, dass das durch die Vollstreckung Erlangte alsbald wieder zurückzugewähren wäre, sind im Streitfall nicht ersichtlich. Denn wie bereits ausgeführt, hat das FG die gegen die Ablehnung des Erlasses der Steuerschulden gerichtete Klage abgewiesen.

5. Auch den gegen die Ablehnung der Terminsverlegung vorgebrachten Einwendungen lässt sich die schlüssige Darlegung eines Zulassungsgrundes i.S. von § 115 Abs. 2 FGO nicht entnehmen. Das FG hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass der Antragsteller bereits im Zeitpunkt der Antragstellung in der Lage gewesen sei, den geltend gemachten Verhinderungsgrund —nämlich den bevorstehenden und bereits schriftlich bestätigten Klinikaufenthalt— glaubhaft zu machen, dies aber unterlassen habe. Darüber hinaus habe ihn die Aufforderung zur Glaubhaftmachung des Verhinderungsgrundes so rechtzeitig erreicht, dass dem Antragsteller die Übermittlung der Klinikeinweisung noch möglich gewesen sei. Gegen diese Feststellungen hat der Antragsteller lediglich eingewandt, dass dem FG die Notwendigkeit einer Terminsverlegung bewusst gewesen sei und dass die Frist für eine Glaubhaftmachung üblicherweise eine Woche betrage. Dies reicht zur schlüssigen Darlegung eines Verfahrensmangels i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO jedoch nicht aus. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die nachgereichte Bestätigung über den Klinikaufenthalt schon deswegen einen Verfahrensfehler wegen unterlassener Terminsaufhebung bzw. Terminsverlegung nicht begründen kann, weil sie dem FG erst nach der Urteilsverkündung übermittelt worden ist (, BFH/NV 1999, 958).

6. Eine Kostenentscheidung im PKH-Verfahren ist nicht zu treffen. Bei dem Verfahren zur Beiordnung eines Notanwalts handelt es sich um ein unselbstständiges Zwischenverfahren, für das Gerichtsgebühren nicht entstehen (, BFH/NV 1996, 157).

Fundstelle(n):
ZAAAB-58629