Unterscheidung eines Verfahrensfehlers vom materiellrechtlichen Fehler
Gesetze: FGO § 96, § 115 Abs. 2 Nr. 3
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhobenen Rügen sind zum Teil unzulässig, im Übrigen aber unbegründet.
1. Es liegt kein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vor.
a) Die Regelung, wonach das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dahin auszulegen, dass neben dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung auch der gesamte Akteninhalt vollständig zu berücksichtigen ist (vgl. z.B. , BFH/NV 1989, 230, und Senatsbeschluss vom IV B 96/98, BFH/NV 2000, 70). Ein Verstoß dagegen kann mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden. Kein Verfahrensfehler, sondern ein materieller Rechtsfehler liegt aber vor, wenn der Inhalt des Verfahrens zwar vollständig zur Kenntnis genommen, aber fehlerhaft gewürdigt wird.
b) Mit seiner Rüge, das Finanzgericht (FG) habe bei der Ermittlung der eigenbetrieblich bzw. durch Vermietung genutzten Grundstücksteile die Nutzungsfläche des Flurs bei der Zuordnung von Aufwendungen nicht berücksichtigt, macht der Kläger keinen Verfahrensmangel, sondern einen Fehler materieller Rechtsanwendung geltend. Denn das FG hat den Flur mit einer Fläche von 14,84 qm sehr wohl berücksichtigt. Aus dem Umstand, dass dieser Flur nicht Gegenstand des Mietvertrags gewesen ist, hat das FG allerdings den Schluss gezogen, es habe sich um eine unentgeltliche Überlassung mit der Folge gehandelt, dass die darauf entfallenden Werbungskosten nicht abzugsfähig seien (S. 16 des FG-Urteils). In dieser Würdigung liegt, worauf der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) zutreffend hingewiesen hat, allenfalls ein materieller Rechtsfehler, der die Zulassung wegen eines Verfahrensmangels nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht eröffnet.
c) Weder ein solcher Fehler noch die vom Kläger gerügte unterlassene Zuordnung des Flurs zur eigenbetrieblichen Nutzung des Erdgeschosses begründen jedoch einen derart schwerwiegenden Mangel, der die Entscheidung des FG als objektiv willkürlich und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar erscheinen ließe oder der auf sachfremde Erwägungen hindeuten würde (s. Senatsbeschluss vom IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25, m.w.N.).
2. Die übrigen vom Kläger erhobenen Rügen einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht sind nicht formgerecht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise schlüssig dargelegt. Eine schlüssige Rüge erfordert hier, dass die Tatsachen, die den Mangel ergeben, im Einzelnen angeführt werden und dargelegt wird, weshalb die Entscheidung des FG auf dem Mangel beruhen kann (Senatsbeschluss vom IV B 105/90, BFHE 165, 469, BStBl II 1992, 148).
a) Wird gerügt, das Gericht habe seine Sachaufklärungspflicht durch Übergehen eines Beweisantrags verletzt, so ist mit der Beschwerde u.a. auch darzulegen, dass nicht auf die Geltendmachung des Verfahrensmangels verzichtet worden ist. Denn das Übergehen eines Beweisantrags stellt einen verzichtbaren Verfahrensmangel dar (Senatsbeschluss vom IV B 171/01, BFH/NV 2003, 1414, zu Nr. 1 b, sowie , BFHE 155, 498, BStBl II 1989, 372, m.w.N.). Wenn der Beschwerdeführer im Klageverfahren —wie hier— sachkundig vertreten war, sind daher mit der Beschwerde Ausführungen dazu zu machen, dass entweder die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt worden ist oder aber dass und warum die Rüge nicht rechtzeitig erhoben werden konnte (vgl. , BFHE 175, 40, BStBl II 1994, 864, zu II.B. Nr. 1 b).
b) Im Streitfall hat der Kläger zwar vorgetragen, er habe unter Beweis gestellt, dass die Räume im Obergeschoss ausschließlich betrieblich genutzt worden seien und dass die Einliegerwohnung im Streitjahr (1996) noch nicht nutzbar gewesen sei. Insoweit fehlt es jedoch an Ausführungen dazu, dass das Übergehen der Beweisangebote in der mündlichen Verhandlung, in der der Kläger vertreten war, gerügt wurde. Beschränkt sich ein sachkundig vertretener Prozessbeteiligter —was hier nach dem Inhalt der Sitzungsniederschrift der Fall war— darauf, in der mündlichen Verhandlung einen Sachantrag zu stellen, so ist das regelmäßig als Rügeverzicht hinsichtlich aller bis dahin erkennbaren Verfahrensmängel zu werten (, BFH/NV 1999, 1612).
3. Die Rüge eines Verfahrensfehlers greift schließlich auch nicht durch, soweit der Kläger bemängelt, das FG habe die Ordnungsmäßigkeit des Fahrtenbuchs mit der Behauptung abgelehnt, „von 31 verschiedenen Fahrten zu Baumärkten seien nur 5 nachgewiesen”, auf diese Lücke aber im Klageverfahren nicht hingewiesen und daher gegen seine Amtsermittlungspflicht verstoßen. Insoweit waren weder weitere Tatsachenfeststellungen geboten noch liegt darin eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Das Recht, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung äußern zu können, schützt einen fachkundig vertretenen Kläger nicht davor, dass Hinweise auf sachgerechte Anträge unterbleiben und nahe liegende rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte in der mündlichen Verhandlung nicht erörtert werden (s. etwa , BFH/NV 2002, 1567, unter II. Nr. 5 der Gründe, m.w.N.). Auch ohne einen dahin gehenden Hinweis des Gerichts musste sich dem Kläger bzw. dessen Prozessbevollmächtigtem aufdrängen, dass der bereits im Einspruchsverfahren bemängelte Nachweis zahlreicher Einzelfahrten auch im Klageverfahren von Bedeutung sein würde.
Fundstelle(n):
TAAAB-57312