BFH Beschluss v. - IX B 59/05

Aufhebung der Vollziehung einer Steuerfestsetzung aufgrund strafbefreiender Erklärung

Gesetze: AO § 361; StraBEG §§ 1, 10

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) reichte im März 2004 beim Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) eine strafbefreiende Erklärung über in den Jahren 1999 und 2000 (Streitjahre) erzielte Einnahmen aus der Veräußerung von Aktien innerhalb der Spekulationsfrist ein. Die fällige Steuerschuld entrichtete der Antragsteller fristgerecht im April 2004. Gegen die als Steuerfestsetzung wirkende strafbefreiende Erklärung (§ 10 Abs. 2 des StrafbefreiungserklärungsgesetzesStraBEG—) legte der Antragsteller Einspruch ein, über den das FA noch nicht entschieden hat.

Nach erfolgloser Antragstellung auf Aufhebung der Vollziehung beim FA stellte er diesen Antrag beim Finanzgericht (FG) unter Hinweis darauf, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte für 1997 und 1998 für verfassungswidrig erklärt habe und von der Verfassungswidrigkeit auch für die Jahre 1999 und 2000 auszugehen sei. Das FG lehnte den Antrag (als unzulässig) ab; denn nach § 10 Abs. 4 StraBEG sei die Anwendung des § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausdrücklich ausgeschlossen, die begehrte Aufhebung der Vollziehung vertrage sich auch nicht mit den Zielen des Gesetzes. Im Übrigen könne der Antragsteller hinreichenden Rechtsschutz über den von ihm auch eingelegten Einspruch erlangen.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde. Er beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Vollziehung der durch die strafbefreiende Erklärung vom März 2004 bewirkten Steuerfestsetzung hinsichtlich der erklärten Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von ... € für 1999 und in Höhe von…€ für 2000, insgesamt also in Höhe von ... €, aufzuheben. Zur Begründung führt er ergänzend aus: Die Regelung des § 10 Abs. 4 StraBEG sei einschränkend dahin auszulegen, dass nur der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, nicht jedoch der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung ausgeschlossen sei.

Das FA beantragt unter Verweis auf die Ausführungen des FG, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Sätze 2 und 7 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts wegen ernstlicher Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit aussetzen bzw. —wie hier— bei schon vollzogenem Verwaltungsakt diesen aufheben. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (s. dazu z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom IX B 45/03, BFH/NV 2004, 37; vom IX B 120/04, BFHE 208, 213, BStBl II 2005, 287; vom IX B 149/04, BFH/NV 2005, 701; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 69 Rz. 120 f.; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Tz. 122).

2. Zwar hat das BVerfG mit seiner Entscheidung vom 2 BvL 17/02 (BGBl I 2004, 591, BStBl II 2005, 56) § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes wegen Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 für nichtig erklärt. Im Anschluss daran hat der BFH in mehreren Aussetzungsverfahren ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte mit Wertpapieren auch für die Jahre 1999 und 2000 geäußert (vgl. BFH in BFH/NV 2004, 37, BStBl II 2005, 287, und in BFH/NV 2005, 701).

Gleichwohl kommen im vorliegenden Fall schon aus verfahrensrechtlichen Gründen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung nicht zum Tragen. Denn gemäß § 10 Abs. 4 StraBEG sind die Vorschriften des einstweiligen Rechtsschutzes (wie § 361 der AbgabenordnungAO 1977— und § 69 FGO) ausdrücklich —und entgegen der Ansicht des Antragstellers auch in Bezug auf die Aufhebung der Vollziehung— ausgeschlossen. Dies entspricht auch dem Gesetzeszweck, „eine Brücke in die Steuerehrlichkeit” einzuführen, deren strafbefreiende Wirkung die Abgabe einer entsprechenden Erklärung und die Zahlung des Steuerpflichtigen voraussetzt (§ 1 Abs. 1 StraBEG); die Anwendung des § 69 FGO würde dem „zuwiderlaufen, da der fristgerechte Zahlungseingang Voraussetzung für den Eintritt der Wirkungen des Gesetzes ist” (s. dazu BTDrucks 15/1309, S. 1, 8, 11; 15/1521, S. 1, 10, 13; BRDrucks 542/03, S. 1, 10, 17; 939/03, S. 5). Im Übrigen hat das FG zu Recht darauf hingewiesen, dass dem Antragsteller hinreichender Rechtsschutz gegen die als Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung wirkende strafbefreiende Erklärung zur Verfügung steht, wovon der Antragsteller mit dem eingelegten Einspruch auch Gebrauch gemacht hat.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1498 Nr. 9
CAAAB-56953