Häusliches Arbeitszimmer eines Arztes bei Vorhandensein eines Schreibtischarbeitsplatzes in der Praxis
Gesetze: EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b, § 18
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Sie wurden in den Streitjahren (1996 bis 1998) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie bewohnen ihr eigenes Einfamilienhaus in X, A-straße. Ebenfalls in X führt der Kläger als Zahnarzt eine Einzelpraxis in gemieteten Räumen (B-Straße).
Bestimmte berufliche Arbeiten, insbesondere Buchführungsarbeiten erledigt der Kläger in seinem häuslichen Arbeitszimmer. Dort bewahrt er auch die dazu erforderlichen Geschäftsunterlagen auf.
In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre (1996 bis 1998) machte der Kläger die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer in seinem Einfamilienhaus in Höhe von 2 400 DM jährlich als Betriebsausgaben geltend. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) den Abzug dieser Aufwendungen und erließ entsprechende Steuerbescheide. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.
Mit der Klage machten die Kläger geltend, für die im häuslichen Arbeitszimmer ausgeübten Tätigkeiten stehe kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung. Die in der Praxis vorhandenen Arbeitsplätze würden ausschließlich für die eigentliche zahnärztliche Tätigkeit und die Aufbewahrung der zahnärztlichen Unterlagen genutzt.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Im Streitfall greife das Abzugsverbot i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die berufliche Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers mache weniger als 50 v.H. der gesamten beruflichen Tätigkeit des Klägers als Zahnarzt aus. Auch stehe ihm in seiner Praxis ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung. Die von ihm selbst vorgenommenen schriftlichen Arbeiten könne er dort —naturgemäß nur außerhalb der Praxisöffnungszeiten— wie er selbst vortrage „ungestört an einem Schreibtisch in der Praxis ausführen.” Es sei auch nicht unzumutbar, dass er Arbeitsunterlagen, die er aus Platzmangel in der Praxis oder aus Gründen der Geheimhaltung vor dem Praxispersonal zu Hause aufbewahre, von seiner Wohnung in die Praxis und anschließend zurückschaffe.
Selbst wenn dies wegen der räumlichen Gestaltung der Zahnarztpraxis nicht möglich oder nicht zumutbar wäre, hätte die Klage keinen Erfolg. Da ihm für seine „Kerntätigkeit” ein Arbeitsplatz zur Verfügung stehe, sei der Abzug der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer ausgeschlossen (vgl. , in Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2002, 1365).
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2, 2. Alternative EStG. Die geltend gemachten Aufwendungen seien i.H. von 2 400 DM als Betriebsausgaben abzugsfähig. Dem Kläger habe in den Praxisräumen für die im häuslichen Arbeitszimmer durchgeführten Arbeiten kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das zu versteuernde Einkommen jeweils um 2 400 DM zu verringern und die Einkommensteuer 1996 bis 1998 entsprechend festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es trägt vor, die tatbestandlichen Feststellungen des FG seien mit der Revision nicht angreifbar.
Die Kläger erwidern, die Betriebsprüferin habe mangels eines geeigneten Arbeitsplatzes die Prüfung in der Praxis abgelehnt. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sei das Verbringen der für die im häuslichen Arbeitszimmer erbrachten Arbeiten erforderlichen Unterlagen und Literatur in die Praxisräume und wieder zurück nicht zumutbar. Der Raum im Keller der Praxis sei für den dauernden Aufenthalt nicht geeignet. Im Fall des Urteils des FG Baden-Württemberg in EFG 2002, 1365 habe in den Praxisräumen noch ein abschließbarer Büroraum zur Verfügung gestanden.
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die strittigen Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer dem Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG unterfallen, weil die Voraussetzungen des Satzes 2, 2. Alternative dieser Vorschrift nicht erfüllt sind. Dem Kläger stand in seiner Praxis ein ausreichender Arbeitsplatz zur Verfügung.
1. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG dürfen Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer den Gewinn nicht mindern. Dies gilt nicht, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 v.H. der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit beträgt oder wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesen Fällen wird nach Satz 3 der Vorschrift in der für das Streitjahr 1996 geltenden Fassung die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 2 400 DM begrenzt. Die Begrenzung entfällt ganz, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.
2. a) Im Streitfall ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass die geltend gemachten Aufwendungen ein häusliches Büro i.S. der höchstrichterlichen Rechtsprechung (s. zuletzt Senatsurteil vom IV R 30/03, BFHE 204, 176, BStBl II 2004, 775, mit zahlreichen Nachweisen) betreffen. Ob dieses eine Betriebsstätte i.S. des § 12 der Abgabenordnung (AO 1977) darstellt, ist unerheblich (, BFHE 201, 27, BStBl II 2003, 185).
b) Der Kläger ist der Ansicht, i.H. von 2 400 DM seien Betriebsausgaben für sein häusliches Arbeitszimmer zu berücksichtigen. Er sieht den zweiten Ausnahmetatbestand i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG, die 2. Alternative als erfüllt an, weil ihm für die im häuslichen Arbeitszimmer ausgeübte berufliche Arbeit, insbesondere die Buchführungsarbeiten, kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe, zumal er die notwendigen Arbeitsunterlagen aus Platzmangel und Gründen der Geheimhaltung in seinem häuslichen Arbeitszimmer aufbewahre. Nach den vom Kläger nicht angegriffenen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) kann er diese schriftlichen Arbeiten aber außerhalb der Praxisöffnungszeiten „ungestört an seinem Schreibtisch in der Praxis durchführen”, also zu einer Zeit, an der er sie auch im häuslichen Arbeitszimmer verrichtet hat. Letzteres räumt der Kläger selbst ein, doch hält er die Räume in der Praxis nicht für den „Arbeitsplatz”, weil die entsprechenden Arbeitsunterlagen und -geräte sowie Literatur etc. sich dort nicht befänden und eigens für diese Arbeiten dorthin geschafft und wieder in das häusliche Arbeitszimmer zurückgebracht werden müssten.
c) Der erkennende Senat teilt diese Bedenken des Klägers gegen die vom FG vorgenommene Auslegung zu Satz 2, 2. Alternative des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG nicht. In seinem Urteil in BFHE 204, 176, BStBl II 2004, 775 (dazu kritisch Strahl, Beratersicht zur Steuerrechtsprechung —BeSt— 2004, 26 f.) hat er, der Rechtsprechung des VI. Senats grundsätzlich folgend, bereits erkannt, dass anders als bei Arbeitnehmern der Schreibtischarbeitsplatz eines Selbständigen bereits indiziert, dass ihm dieser Arbeitsplatz für alle Aufgabenbereiche seiner Erwerbstätigkeit zur Verfügung steht. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass der Selbständige andernfalls durch entsprechende Gestaltung des außerhäuslichen Arbeitsplatzes das grundsätzliche Abzugsverbot für das häusliche Arbeitszimmer unterlaufen kann (Senatsurteil in BFHE 204, 176, BStBl II 2004, 775, unter II. 2. b). Es liegt auf der Hand, dass Selbständige einen Teil der mit der Praxis oder Kanzlei verbundenen schriftlichen Arbeiten, z. B. die Buchführung, insbesondere aber auch die berufliche Fortbildung (Paus, Die Information über Steuer und Wirtschaft —Inf— 1997, 677 ff., 679), besser in einem häuslichen Arbeitszimmer erledigen können.
Für bestimmte Berufsgruppen nichtselbständig Tätiger (z.B. Richter, Beamte und Angestellte), denen ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, ist der Gesetzgeber (BTDrucks 13/1686, 16) davon ausgegangen, dass der Abzug für Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer ganz entfällt. Für Selbständige gilt nichts anderes (vgl. , BFH/NV 2003, 151). Das hat der erkennende Senat für das häusliche Arbeitszimmer eines selbständig tätigen Arztes, in dem dieser nur verwaltungstechnische Arbeiten ausführte und Akten aufbewahrte, bereits für zweifelsfrei erachtet (Senatsurteil vom IV R 3/02, BFHE 205, 46, BStBl II 2005, 203).
d) Zu der Frage, ob der außerhäusliche Arbeitsplatz auch zumutbar ist, hat der erkennende Senat in seinem Urteil in BFHE 204, 176, BStBl II 2004, 775, unter II. 2. a), in Übereinstimmung mit dem VI. Senat des BFH (vgl. Urteil vom VI R 17/01, BFHE 203, 130, BStBl II 2004, 78) darauf abgestellt, ob „ihn der Steuerpflichtige in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen kann.” Ob das der Fall ist, ist eine Frage der Tatsachenfeststellung, die von den Finanzgerichten anhand der objektiven Umstände des konkreten Einzelfalles beantwortet werden muss. Anhaltspunkte sind sowohl die Beschaffenheit des Arbeitsplatzes selbst (Größe, Lage, Ausstattung) als auch die Rahmenbedingungen seiner Nutzung (Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses, Verfügbarkeit des Arbeitsplatzes bzw. Zugang zu dem betreffenden Gebäude etc.). Ein häusliches Arbeitszimmer ist danach dann nicht erforderlich, wenn der Selbständige seiner beruflichen oder betrieblichen Tätigkeit in angemieteten oder in seinem Eigentum stehenden Räumen nachgeht und „es ihm dort zumutbar und auf Grund der räumlichen Situation grundsätzlich auch möglich ist, einen zur Erledigung aller betrieblichen und beruflichen Schreibtischtätigkeiten geeigneten, büromäßigen Arbeitsplatz einzurichten” (Senatsurteil in BFHE 204, 176, BStBl II 2004, 775, unter II. 2. b).
3. Das FG hat festgestellt, dass dem Kläger tatsächlich ein anderer außerhäuslicher Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden hat. Die dabei von ihm zugrunde gelegten rechtlichen Überlegungen stehen auch im Einklang mit den oben, unter 2. d) dargelegten Grundsätzen. Denn danach indiziert ein Schreibtischarbeitsplatz in der Praxis, dass er dem Selbständigen für alle Aufgabenbereiche seiner Erwerbstätigkeit zur Verfügung steht. Dass ein solcher Arbeitsplatz, z.B. wegen Platzmangels, zu klein gewesen wäre, hat das FG nicht festgestellt. Das gilt auch für die Unterbringung der Buchführungsunterlagen sowie der Fachliteratur. Da der Kläger zudem selbst eingeräumt hat, dass er die Buchführungsarbeiten außerhalb der Öffnungszeiten in der Praxis hätte erledigen können, und sie tatsächlich in diesem Zeitraum, wenn auch im häuslichen Arbeitszimmer erledigt hat, spielt es auch keine Rolle, ob er dies am Feierabend oder am Wochenende getan hat.
Ob der Kläger seinen Arbeitsplatz in der Praxis so organisiert hat, dass er die Unterlagen, Geschäftspapiere und Literatur jeweils aus dem häuslichen Arbeitszimmer in die Praxis schaffen muss, ist unerheblich. Auch wenn er —anders als der Steuerpflichtige im Fall des Urteils des FG Baden-Württemberg in EFG 2002, 1365— in den eigentlichen Praxisräumen keinen abschließbaren Büroraum haben sollte, konnte er dort die notwendigen Büro- und Buchführungsarbeiten erledigen. Denn die für die fachliche Weiterbildung notwendige Literatur bzw. die zur Abrechnung erforderlichen Unterlagen müssen sich nicht in unmittelbarer Nähe zu dem Schreibtischarbeitsplatz befinden; es reicht, dass sie in einem der zur Praxis gehörenden Räume untergebracht werden könnten (Senatsurteil in BFHE 204, 176, BStBl II 2004, 775, unter II. 3.). Dafür stand dem Kläger aber nach dem eigenen Vorbringen ein Raum im Keller zur Verfügung, in dem er schon jetzt die älteren Patienten-Karteikarten und andere Unterlagen aufbewahrt. Ob dieser Raum für den dauernden Aufenthalt von Personen geeignet ist, spielt wegen des in den Praxisräumen vorhandenen Schreibtisch-Arbeitsplatzes keine Rolle. Insoweit stellt der erkennende Senat entscheidend darauf ab, dass ein Selbständiger durch eine entsprechende Gestaltung des außerhäuslichen Arbeitsplatzes das grundsätzliche Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG für die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht unterlaufen können soll.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1541 Nr. 9
JAAAB-56540