Keine Begünstigung eines aus der Veräußerung einer nicht im Betriebsvermögen gehaltenen mitunternehmerischen Beteiligung entstandenen Bankguthabens
Leitsatz
Ein Bankguthaben, das aus der Veräußerung einer nicht ihrerseits in einem Betriebsvermögen gehaltenen mitunternehmerischen Beteiligung entstanden ist, kann auch in Kombination mit einer Rücklage nach § 6b EStG nicht als "ganzer Gewerbebetrieb" i.S. des § 13a Abs. 4 ErbStG angesehen werden. Denn der Mitunternehmer selbst hat niemals einen Gewerbebetrieb unterhalten. Ebenso wenig eröffnet er einen Betrieb dadurch, dass er seine Beteiligung veräußert, den Veräußerungserlös als Bankguthaben anlegt und den Veräußerungsgewinn buchtechnisch in eine Rücklage nach § 6b EStG einstellt.
Gesetze: ErbStG § 13a Abs. 4; EStG § 6b, § 15 Abs. 3
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist alleiniger Erbe seines am verstorbenen Vaters. Der Erblasser (E) und der Kläger waren mit Kapitalanteilen von 66 % bzw. 34 % als Kommanditisten an einer GmbH & Co. KG (KG) beteiligt. Die Tätigkeit der —nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gewerblich geprägten— KG bestand in der Vermietung von Grundbesitz. Am veräußerten E und der Kläger ihre Kommanditanteile; der dabei auf E entfallende Veräußerungsgewinn in Höhe von 6 019 424 DM stammte aus der Veräußerung von Grund und Boden sowie Gebäuden und wurde in voller Höhe in eine Rücklage nach § 6b EStG eingestellt. In den Jahren 1999 und 2000 löste der Kläger die Rücklage durch Übertragung auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten von Grundstücken und Gebäuden einer neu gegründeten gewerblich geprägten Vermietungs-KG, deren alleiniger Kommanditist er ist, auf.
Bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer lehnte es der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) ab, das auf den Kläger übergegangene Kapitalvermögen in Höhe eines der Rücklage entsprechenden Betrags als Betriebsvermögen zu behandeln und dafür den Bewertungsabschlag nach § 13a Abs. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) —der Freibetrag nach § 13a Abs. 1 ErbStG war bereits durch den Erwerb anderweitigen Betriebsvermögens ausgeschöpft— zu gewähren.
Im Einspruchs- und Klageverfahren vertrat der Kläger die Auffassung, „die Rücklage” stelle begünstigtes Rest-Betriebsvermögen oder einen ruhenden Gewerbebetrieb dar. Er behauptete zudem, nach dem Verkauf der KG-Anteile sei zwischen ihm und E eine GbR gegründet worden, deren Ziel in der Reinvestition der Rücklagen in ein gemeinsames neues Objekt bestanden habe. Als Beweis bot er die Vernehmung des damaligen steuerlichen Beraters des E als Zeugen an.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2004, 129).
Mit seiner Revision macht der Kläger eine Verletzung des § 13a ErbStG geltend. Für den in dieser Vorschrift verwendeten Begriff des Betriebsvermögens sei die ertragsteuerrechtliche Betrachtungsweise maßgebend. Danach blieben der anteilige Erlös aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils und die hierfür gebildete Rücklage aber zwingend Betriebsvermögen. Eine Anwendung des § 13a ErbStG sei auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.
Außerdem rügt er mangelnde Sachaufklärung: Entgegen der Auffassung des FG sei das Bestehen einer GbR entscheidungserheblich. Denn das gewerbliche Sonderbetriebsvermögen hätte nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG dazu geführt, dass sämtliche Einkünfte aus der GbR als gewerblich anzusehen wären. Deshalb hätte der benannte Zeuge vernommen werden müssen.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Erbschaftsteuer auf 1 150 323 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
Im Ergebnis zu Recht hat das FG es abgelehnt, die Vorschrift des § 13a ErbStG im Zusammenhang mit dem Übergang der Rücklage nach § 6b EStG, die nach der Veräußerung des Mitunternehmeranteils durch E gebildet worden ist und über den Erbfall hinaus fortgeführt wurde, anzuwenden.
1. Gemäß § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG gelten der Freibetrag und der verminderte Wertansatz für inländisches Betriebsvermögen (§ 12 Abs. 5 ErbStG) beim Erwerb eines ganzen Gewerbebetriebs, eines Teilbetriebs, eines Anteils an einer Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 EStG, eines Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien oder eines Anteils daran.
Eine Rücklage nach § 6b EStG kann als solche nicht Gegenstand eines begünstigten Erwerbs von Betriebsvermögen sein, da es sich insoweit nur um einen Passivposten handelt. Bei diesem erbschaftsteuerlich mit 0 DM anzusetzenden Posten (§ 12 Abs. 5 ErbStG i.V.m. § 103 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes) kann sich weder ein Freibetrag noch ein Bewertungsabschlag zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken.
Der Erwerb des Klägers von Todes wegen kann sich lediglich auf den Erlös aus der Veräußerung des Kommanditanteils des E beziehen, und auch das nur insoweit, als dieser am Todestag tatsächlich noch vorhanden war. Hinsichtlich Letzterem bestehen Zweifel, ob die vom Kläger mit Schreiben vom eingereichte „Sonderbilanz” auf den die tatsächliche Vermögenslage am Todestag zutreffend darstellt. Denn der dort —ohne nähere Erläuterung— als „Bankguthaben” des E ausgewiesene Betrag von 6 019 424,16 DM übersteigt den Gesamtbetrag der nach der Erbschaftsteuererklärung am vorhandenen Bankguthaben des E deutlich.
2. Letztlich können diese Zweifel aber auf sich beruhen, da das Bankguthaben nur im Rahmen einer der in § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG genannten Einheiten (ganzer Gewerbebetrieb, Teilbetrieb, Anteil an einer Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 EStG) Betriebsvermögen darstellen könnte. Daran fehlt es im Streitfall.
a) Ein Bankguthaben, das aus der Veräußerung einer nicht ihrerseits in einem Betriebsvermögen gehaltenen mitunternehmerischen Beteiligung entstanden ist, kann auch in Kombination mit einer Rücklage nach § 6b EStG nicht als „ganzer Gewerbebetrieb” angesehen werden. Denn der Mitunternehmer selbst hat niemals einen Gewerbebetrieb unterhalten. Ebenso wenig eröffnet er einen Betrieb dadurch, dass er seine Beteiligung veräußert, den Veräußerungserlös als Bankguthaben anlegt und den Veräußerungsgewinn buchtechnisch in eine Rücklage nach § 6b EStG einstellt. Demgemäß behandelt die Rechtsprechung den Gewinn aus der späteren Auflösung einer aus dem Veräußerungsgewinn gebildeten Rücklage nicht als laufenden Gewinn eines tätigen Gewerbebetriebs, sondern erfasst ihn lediglich über die Sondervorschrift des § 24 Nr. 2 EStG als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb (, BFHE 135, 202, BStBl II 1982, 348, unter 2., und vom IV R 81/87, BFHE 156, 208, BStBl II 1989, 558, unter 4.).
b) Aus den vom Kläger herangezogenen Grundsätzen über den ruhenden Gewerbebetrieb folgt nichts anderes. Der Betrieb der KG ruht nicht, sondern wird auch nach der Veräußerung der Kommanditanteile —durch andere Mitunternehmer— fortgeführt. Der veräußernde Mitunternehmer selbst hat zu keinem Zeitpunkt einen eigenen Betrieb unterhalten, der nach der Veräußerung „ruhen” könnte.
c) Auch wenn man —entsprechend dem nicht näher substantiierten Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem FG— weiter unterstellt, dass E noch zu Lebzeiten mit dem Kläger eine GbR gegründet und das Bankguthaben nebst Rücklage dieser GbR zugeordnet hätte, würde dies der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Denn die Tätigkeit einer solchen GbR würde ertragsteuerrechtlich nicht als Gewerbebetrieb gelten, weil die Voraussetzungen der —insoweit allein in Betracht kommenden— Vorschrift des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht vorliegen. Weder ist der Wortlaut dieser Vorschrift erfüllt noch können sich bei einer im Sonderbetriebsvermögen befindlichen Rücklage, die erst im Falle ihrer Auflösung zu nachträglichen gewerblichen Einkünften nach § 24 Nr. 2 EStG führt, Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen unterschiedlichen Einkunftsarten ergeben oder gewerbliche Einkünfte der Gewerbesteuer entzogen werden (vgl. dazu umfassend das , BFHE 207, 466, BStBl II 2005, 383, unter II.2.b, m.w.N.).
3. Auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht ist eine Anwendung der für den Übergang ganzer Gewerbebetriebe oder Mitunternehmeranteile geltenden Begünstigungsvorschriften auf das im Streitfall übergegangene Bankguthaben nicht geboten.
Der Kläger missversteht den (BVerfGE 93, 165, unter C.I.2.b bb), wenn er ihm die Aussage entnimmt, auch der Übergang einzelner Wirtschaftsgüter sei von Verfassungs wegen schutzwürdig. Wenn das BVerfG dort formuliert: „Die Verfügbarkeit über den Betrieb und einzelne dem Betrieb zugehörige Wirtschaftsgüter ist beschränkter als bei betrieblich ungebundenem Vermögen”, meint es —wie aus dem Zusammenhang deutlich wird— nicht, dass der Übergang einzelner Wirtschaftsgüter begünstigt werden soll, sondern dass der Betriebsinhaber durch die „langfristigen Investitionen” und die Zusammenfassung der betrieblichen Wirtschaftsgüter in einer „wirtschaftlich zusammengehörigen Funktionseinheit” häufig daran gehindert sein wird, einzelne Wirtschaftsgüter ebenso frei zu veräußern, wie dies etwa dem Inhaber von betrieblich nicht gebundenem Kapitalvermögen möglich ist. Ein Bankguthaben nebst buchmäßiger Rücklage ist weder gemeinwohlgebunden noch gemeinwohlverpflichtet; es unterliegt auch keinen Verpflichtungen gegenüber Arbeitnehmern oder aus dem Betriebsverfassungs- oder Wirtschaftsverwaltungsrecht (dazu ebenfalls BVerfGE 93, 165, unter C.I.2.b bb).
Entgegen der Auffassung des Klägers gebietet allein eine latente Ertragsteuerbelastung noch keine erbschaftsteuerliche Begünstigung des Übergangs eines der Rücklage entsprechenden Geldbetrags. Denn auch bei anderen Wirtschaftsgütern, die nicht unter § 13a ErbStG fallen, bleibt eine latente Ertragsteuerbelastung erbschaftsteuerlich unberücksichtigt (z.B. zum Privatvermögen gehörende einbringungsgeborene Anteile unterhalb der Beteiligungsschwelle des § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG; Wirtschaftsgüter des Privatvermögens, bei denen die in § 23 Abs. 1 EStG genannten Fristen noch nicht abgelaufen sind; aufgezinste Kapitalforderungen, bei denen der einkommensteuerliche Zufluss erst mit der Rückzahlung bzw. vorzeitigen Veräußerung stattfindet).
4. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung ist unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO genügt. Die formgerechte Erhebung einer solchen Rüge setzt Darlegungen dazu voraus, warum das FG auch auf der Grundlage seiner materiell-rechtlichen Auffassung die beantragte Beweiserhebung hätte durchführen müssen (BFH-Beschlüsse vom II B 201/91, BFHE 166, 574, BStBl II 1992, 562, und vom IV B 6/99, BFH/NV 2000, 1445). Daran fehlt es, obwohl auch das FG im Ergebnis die Auffassung vertreten hat, eine von E mit dem Kläger gegründete GbR hätte keine gewerblichen Einkünfte erzielt, und deshalb die beantragte Beweiserhebung über das Bestehen einer solchen GbR für entbehrlich gehalten hat.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BBV-Kurznachricht Nr. 10/2005 S. 8
BFH/NV 2005 S. 1566 Nr. 9
DStRE 2005 S. 963 Nr. 16
EStB 2005 S. 327 Nr. 9
HFR 2005 S. 1093 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 39/2005 S. 3277
OAAAB-56534