Anforderungen an die schlüssige Darlegung von Verfahrensrügen
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht. Die vom Kläger in der Beschwerdebegründungsschrift vorgetragenen Tatsachen reichen —ihr Vorliegen unterstellt— zu der gebotenen schlüssigen und substantiierten Darlegung der vom Kläger ausschließlich geltend gemachten Verfahrensmängel nicht aus.
1. Dies gilt zunächst hinsichtlich des vom Kläger erhobenen Vorwurfs, die drei Berufsrichter hätten das Sitzungsprotokoll gefälscht. Der Kläger hat diesen Vorwurf in seiner Beschwerdebegründungsschrift lediglich dahin gehend substantiiert, dass im Sitzungsprotokoll die „richterliche Rechnungslegung” (meint: in dem vom Berichterstatter des Verfahrens vor dem Finanzgericht —FG— vorbereiteten „Arbeitspapier”) nirgends erwähnt und deren Übergabe an ihn (Kläger) und die Verwendung durch die Richter ebenfalls nicht erfasst worden sei.
Abgesehen davon, dass die (zwecks Vorbereitung der mündlichen Verhandlung sinnvolle) Erstellung und Verwendung schriftlicher Voten und Arbeitspapiere der Berufsrichter, hier namentlich des Berichterstatters, ebenso wie deren (im Übrigen nicht vorgeschriebene und in der Gerichtspraxis nur in Ausnahmefällen erfolgende) Überlassung an die Prozessbeteiligten jedenfalls ohne den hier nicht gestellten (ausdrücklichen) Antrag eines Beteiligten (vgl. § 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 4 Satz 1 der Zivilprozessordnung —ZPO—) nicht in das Protokoll über die mündliche Verhandlung aufgenommen werden muss (zum notwendigen Inhalt der Sitzungsniederschrift vgl. § 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 1 und 2 ZPO), vermochte der Kläger nicht —wie es indes erforderlich gewesen wäre (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 49, m.w.N. aus der Rechtsprechung)— darzulegen, dass die Entscheidung des FG —auf der Grundlage dessen materiell-rechtlicher Auffassung— bei lückenloser und zutreffender Erstellung der Sitzungsniederschrift anders hätte ausfallen können.
2. Auch soweit der Kläger einen Verfahrensmangel des angefochtenen Urteils darin erblickt, dass das FG in der mündlichen Verhandlung vom hinsichtlich der dort getroffenen tatsächlichen Verständigung und erklärten Klagerücknahme sowohl auf den Kläger selbst als auch auf dessen Prozessbevollmächtigten, Steuerberater V, vor allem „unter Einsatz von Gewalt” und mittels „Drohung mit einem rechtsbeugenden Urteil” in unzulässiger Weise Druck ausgeübt habe, reichen die hierzu vorgetragenen Tatsachen zur schlüssigen Darlegung eines Verfahrensmangels nicht aus.
a) Die Klagerücknahme stellt eine Prozesshandlung (prozessuale Willenserklärung) dar, auf die nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) über die Anfechtung wegen Willensmangels nicht anzuwenden sind (vgl. z.B. , BFHE 96, 552, BStBl II 1969, 733; , BFHE 104, 291, BStBl II 1972, 352; , Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1998, 578; Gräber/Koch, a.a.O., § 72 Rz. 19, m.w.N.). Auch ein Widerruf der Rücknahmeerklärung kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn ein Wiederaufnahmegrund i.S. der §§ 579 und 580 ZPO vorliegt (vgl. z.B. Gräber/Koch, a.a.O., § 72 Rz. 20, m.w.N.). Ferner ist eine Klagerücknahme bei unzulässiger Einwirkung durch Drohung, Druck, Täuschung oder unbewusste Irreführung der Behörde oder des Gerichts unwirksam (vgl. z.B. Gräber/Koch, a.a.O., § 72 Rz. 21, m.w.N.). Für die Bejahung eines solchen Ausnahmefalles gelten jedoch strenge Maßstäbe (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 96, 552, BStBl II 1969, 733; BFH-Beschluss in BFHE 104, 291, BStBl II 1972, 352; Schleswig-Holsteinisches FG in EFG 1998, 578; Gräber/Koch, a.a.O., § 72 Rz. 21, m.w.N.; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 72 FGO Rz. 120, m.w.N.).
b) aa) In der Beschwerdebegründung wird als Beleg für die Wertung des Klägers, dass er persönlich bei der (im Übrigen nicht von ihm selbst, sondern von seinem Prozessbevollmächtigten V erklärten) Klagerücknahme von der Finanzbehörde und vom FG unzulässig unter Druck gesetzt worden sei, lediglich angeführt, der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung vor dem FG unter dem Eindruck der Strafverfolgung gestanden und er sei von dem Eindruck „überwältigt” gewesen, „dass er wieder mit falschen Beweisen verurteilt werde”. Der Berichterstatter im FG-Verfahren habe den Tenor der Strafurteile in der mündlichen Verhandlung im Detail beschrieben. Schließlich habe er kurz erwähnt, es gebe einen Beschluss des Strafsenats beim Oberlandesgericht (OLG) X, dessen (Anm.: für den Kläger günstiger Inhalt) er aber trotz Vorhalts nicht wiedergegeben habe.
Hieraus lässt sich indessen nicht einmal im Ansatz entnehmen, dass das FG und/oder der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) dem Kläger Nachteile hinsichtlich des Ausgangs des im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem FG noch andauernden, im zweiten Rechtsgang befindlichen Strafprozesses vor dem Landgericht (LG) X in Aussicht gestellt hätten. Nur in einem solchen Fall wäre jedoch zu erwägen, ob der Kläger bei der Erteilung seines Einverständnisses mit der Klagerücknahme und der dieser vorausgegangenen tatsächlichen Verständigung unter einem unzulässigen Druck im unter a) beschriebenen Sinne gestanden haben könnte (vgl. hierzu z.B. Senatsurteil vom X R 93/95, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 1999, 388; , BFH/NV 1995, 994).
bb) Ebenso wenig enthält die Beschwerdebegründung hinlängliche tatsächliche Angaben, welche den Schluss darauf zulassen würden, dass der seinerzeitige Prozessbevollmächtigte V bei der Erklärung der Klagerücknahme und seiner Zustimmung zu der dieser vorgelagerten tatsächlichen Verständigung einem vom FG und/oder vom FA ausgeübten rechtswidrigen Druck ausgesetzt gewesen sei.
Hierzu hat der Kläger in der Beschwerdebegründungsschrift im Wesentlichen nur mehr vorgebracht, dass der Berichterstatter des FG-Verfahrens dem Steuerberater V vor und nach der Verfahrensunterbrechung vorgehalten habe, dieser „habe 70 000 DM in bar als Darlehen erhalten und nicht erfolgswirksam als Gewinn des Klägers in dessen Finanzbuchhaltung und den Steuererklärungen erfasst”. Ferner habe die beisitzende Berufsrichterin in ihrer dienstlichen Stellungnahme (zu einem vom Kläger gestellten „Befangenheitsantrag”) ausgeführt, „Herrn V, er musste hierzu auch in dem Strafverfahren als Zeuge aussagen, (sei) die Tatsache, dass er sich von seinem Mandanten Geld geliehen (gehabt habe), meiner Einschätzung nach unangenehm (gewesen)”.
Die vorstehend wiedergegebenen Tatsachen liefern —ihr Vorliegen unterstellt— keinen schlüssigen Beleg dafür, dass der seinerzeitige Prozessbevollmächtigte V vom FG und/oder der Finanzbehörde in rechtswidriger Weise zur Klagerücknahme und zum Abschluss der tatsächlichen Verständigung bewegt worden wäre.
Einen Kernpunkt des Rechtsstreits bildete die Beurteilung der Frage, ob die vom FA vorgenommene Geldverkehrsrechnung zutraf und die darauf beruhenden Zuschätzungen berechtigt waren. Bei der Überprüfung der vom Kläger massiv beanstandeten Geldverkehrsrechnung spielte aber gerade der Umstand eine zentrale Rolle, in welchem Umfang der Kläger die ihm zur Verfügung stehenden Geldmittel für betriebliche oder private Zwecke, namentlich also auch durch Vergabe von Darlehen, verausgabt hatte. Das FG kam deshalb —ebenso wie (zuvor) das FA— gar nicht umhin, etwaige Darlehensgewährungen durch den Kläger zu untersuchen und —im Rahmen der schon zur Gewährung des rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 FGO) gebotenen Erörterung der umstrittenen Geldverkehrsrechnung in der mündlichen Verhandlung— anzusprechen. Das galt selbstverständlich auch für etwaige Darlehen, die der Kläger dem seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten V gewährt hatte oder nach den Ermittlungen des FA und/oder der Strafverfolgungsbehörden gewährt haben sollte, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob Steuerberater V eine solche öffentliche Erörterung möglicherweise (subjektiv) als „peinlich” oder „unangenehm” empfand oder empfinden konnte.
In der Beschwerdebegründung hat der Kläger im Übrigen keine (konkreten und substantiierten) Tatsachen benannt, welche darauf hindeuten könnten, dass dem seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten V für den Fall, dass er sich der vom FG angeregten tatsächlichen Verständigung verschließe und die Klage aufrecht erhalte, strafrechtliche Konsequenzen oder anderweitige Nachteile in Aussicht gestellt worden seien oder dass er in sonstiger unerlaubter Weise unter Druck gesetzt worden sei.
Fundstelle(n):
ZAAAB-56069