Steuerrechtliche Behandlung ausländischer Kapitalgesellschaften
1 Zivilrechtliche Beurteilung
1.1 Gründungstheorie
Nach der Gründungstheorie bestimmt sich der Status einer Gesellschaft grundsätzlich nach dem Recht des Staates, in dem sie unter Beachtung der dort geltenden Formvorschriften rechtswirksam gegründet worden ist. Diese einmal erworbene Rechtsfähigkeit geht auch dann nicht verloren, wenn die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz (Ort der Geschäftsleitung) zunächst im Gründungsstaat hat, ihn aber anschließend in ein anderes Land verlegt.
Die Gründungstheorie ist vor allem weit verbreitet in den anglo-amerikanischen und sozialistischen Rechtskreisen.
1.2 Sitztheorie
Abweichend von der Gründungstheorie knüpft das deutsche Internationale Privatrecht bei der Beurteilung der Rechtsfähigkeit von ausländischen Gesellschaften, die den tatsächlichen Verwaltungssitz in das Inland verlegen, an die Rechtsordnung an, die am Verwaltungssitz gilt (Sitztheorie).
Verlegt also eine ausländische Kapitalgesellschaft, die nach dem Recht ihres Gründungsstaates Rechtsfähigkeit besitzt, ihren tatsächlichen Verwaltungssitz nach Deutschland, so besteht sie nur dann als rechtsfähige, juristische Person weiter, wenn das am bisherigen Sitz geltende Recht die Sitzverlegung zulässt und die Kapitalgesellschaft die Bedingungen erfüllt, an die das deutsche Recht die Rechtsfähigkeit knüpft. Eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland muss deshalb nach deutschem Recht gegründet sein, um hier als rechtsfähig anerkannt werden zu können.
2 Steuerrechtliche Beurteilung
2.1 Nach dem Recht eines Staates außerhalb der EU gegründete Gesellschaft
Die fehlende Rechtsfähigkeit im Inland schließt die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht nicht aus. Die Körperschaftsteuerpflicht kann sich in diesen Fällen aus § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG i. V. m. § 3 Abs. 1 KStG ergeben.
Zur Feststellung der Körperschaftsteuerpflicht einer Gesellschaft, die ihren statuarischen Sitz im (Nicht-EU-)Ausland und ihren Verwaltungssitz im Inland hat, ist wie folgt zu verfahren:
2.2 Typenvergleich
In einem ersten Schritt ist ein Typenvergleich vorzunehmen, bei dem festzustellen ist, ob die Unternehmensform einer der in § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 KStG aufgeführten Körperschaftsteuersubjekte entspricht.
Bei dem Typenvergleich ist eine Gesamtwürdigung der maßgebenden ausländischen Bestimmungen über die Organisation und die Struktur der Gesellschaft vorzunehmen. Nicht entscheidend ist dagegen die Gestaltung der inneren Verhältnisse der Gesellschaft im Einzelfall, etwa die Anzahl der Gesellschafter oder Anteilseigner und deren tatsächliches Verhalten, solange sie nur als Vertreter der Gesellschaft auftreten.
Der Typenvergleich ist nur ein formaler Vergleich der Gesellschaftsformen.
2.3 Einkünftezurechnung
In einem zweiten Schritt ist zu untersuchen, ob die Einkünfte auch tatsächlich der Gesellschaft zugerechnet werden können. Hierfür können folgende Gesichtspunkte sprechen:
Bei inländischem Grundstückseigentum ist die Gesellschaft und nicht deren Gesellschafter im Grundbuch eingetragen.
Die Gesellschaft tritt im Geschäftsverkehr nach außen immer im eigenen Namen auf.
Soweit Anteilseigner auftreten, handeln diese stets ausdrücklich und erkennbar im Namen der Gesellschaft.
Alle maßgebenden Verträge sind unter Beachtung der vorstehenden Gesichtspunkte abgeschlossen worden.
Ausländische Gesellschaften mit Geschäftsleitung im Inland, die mit deutschen Körperschaftsteuersubjekten vergleichbar sind und denen die Einkünfte unmittelbar zuzurechnen sind, unterliegen danach im Inland der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht.
2.4 Nach dem Recht eines Migliedstaates der EU gegründete Gesellschaften
Der in Deutschland vertretenen Sitztheorie ist der EuGH mit seinen Urteilen vom „Centros” (GmbHR S. 474, DB S. 625), vom „Überseering” (GmbHR S. 1137, DB S. 2425) und vom „Inspire Art” (GmbHR S. 1260) entgegen getreten. Die Urteile führen zur Anwendung der Gründungstheorie. Danach erlangt eine Gesellschaft Rechtsfähigkeit, wenn sie nach dem Recht eines Mitgliedstaates der EU wirksam gegründet wurde. Die anderen Mitgliedstaaten haben diese Gründung anzuerkennen und die Gesellschaft auch in ihrem Land als rechtsfähig zu behandeln. Entsprechende Kapitalgesellschaften sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig.
3 Ausprägung der Limited englischen Rechts
(Von der OFD Karlsruhe übernommen)
3.1 Gründung
Die Gründer müssen die Gesellschaft beim registrar of companies im Companies House in London, Cardiff oder Edinburgh unter Angabe des Gesellschaftssitzes anmelden. Jede in England registrierte Ltd. ist verpflichtet, in England ein registered office zu unterhalten. Wird der tatsächliche Verwaltungssitz im Anschluss nach Deutschland verlegt, handelt es sich hierbei (nur) um eine Büroadresse ohne wesentliche eigene Funktion. Geschäftsunterlagen wie ein Verzeichnis der Gesellschafter, ein Verzeichnis der Geschäftsführer, ein Verzeichnis der Schriftführer, Protokolle der Gesellschafterversammlungen usw. müssen im registered office geführt werden. Beim registrar müssen die Gründungsurkunde, die Satzung, die Liste der Geschäftsführer und der Schriftführer eingereicht werden.
Die Anmeldebehörde prüft die Dokumente auf ihre formelle Ordnungsmäßigkeit und stellt im Anschluss die Gründungsurkunde aus.
Es bedarf keines Mindestkapitals. Die Rechtssubjektsfähigkeit mit der Konsequenz der Haftungsbeschränkung entsteht mit der Eintragung der Gesellschaft in das Register. Das Gründungsverfahren bis zur Eintragung dauert i. d. R. höchstens zwei Wochen.
Auch wenn die Limited in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist (s. u.), hat sie in Großbritannien gleichfalls steuerliche Pflichten zu erfüllen. Kommt sie diesen nicht nach, droht dort die schnelle Löschung im Handelsregister. Die Internetadresse des englischen Handelsregisters lautet www.companieshouse.gov.uk
3.2 Organisationsstruktur
Die Ltd. wird durch den director (Geschäftsführer) vertreten. Daneben hat jede Ltd. einen secretary (Schriftführer) zu bestellen. Die Funktion des secretary wird regelmäßig auf Dauer durch einen englischen Berater wahrgenommen, der director kann auch gleichzeitig Gesellschafter sein.
Einmal jährlich hat eine Gesellschafterversammlung stattzufinden. Die Beschlussfassungen der Versammlung (z. B. Bestellung des directors und des secretarys, Änderungen des Gesellschaftsvertrags) sind formfrei.
3.3 Haftung
Es besteht grundsätzlich keine persönliche Haftung der Gesellschafter (Ausnahme s. u. Tz. 3.4.2). Die Haftung der Gesellschaft ist auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Auch das englische Recht kennt allerdings die Durchgriffshaftung auf die Gesellschafter für den Fall der Einsetzung eines Strohmanns, des Betrugs sowie in Ausnahmefällen der materiellen Unterkapitalisierung. Wie weit daneben die deutschen Grundsätze über die Haftung im Fall des existenzvernichtenden Eingriffs gelten, ist umstritten (vgl. Wachter, GmbHR 2003 S. 1254; Ebert/Levedag, GmbHR 2003 S. 1337). Die Geschäftsführer der Ltd. haften für die Verletzung ihrer Pflichten. Dazu gehören Treue- und Loyalitätspflichten sowie die allgemeinen Sorgfaltspflichten.
3.4 Besteuerung der englischen Limited in Deutschland
3.4.1 Ertragsteuern, Gewinnermittlung
Hat die englische Limited zwar ihren Satzungssitz in Großbritannien, ihren Verwaltungssitz aber in Deutschland, so ist sie in Deutschland bei Anwendung der Gründungstheorie nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. (Auch nach der früher angewendeten Sitztheorie bestand bereits eine unbeschränkte Steuerpflicht für englische Limiteds mit Verwaltungssitz in Deutschland, allerdings nach der Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG; nach dem damals anzustellenden Typvergleich war die englische Limited der deutschen GmbH vergleichbar.)
Allein wegen der Rechtsform als Limited kann noch keine Scheinfirma angenommen werden. Sollte im Einzelfall aber eine Scheinfirma vorliegen (ggf. Nachfrage bei der IZA, Auskunftsersuchen nach Großbritannien), so ist diese dennoch unbeschränkt steuerpflichtig. Neben der unbeschränkten Steuerpflicht ist für die Anwendung von § 42 AO grds. kein Raum, da es an einer Steuerminderung fehlt.
Die Limited ist in beiden Staaten ansässig. Gem. Art. 2 Abs. 1 Lit. h. Unterabs. iii DBA Großbritannien gilt die Gesellschaft im Fall der Doppelansässigkeit als in dem Gebiet ansässig, in dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet, also i. d. R. in Deutschland. Übt sie ihre aktive Tätigkeit somit ausschließlich in Deutschland aus, so ist der Gewinn auch vollständig in Deutschland zu versteuern. Sie unterliegt wie eine inländische GmbH mit ihrem Welteinkommen in Deutschland der Besteuerung.
Grundsätzlich müsste die englische Limited als inländische Zweigniederlassung, bei der es sich im Grunde um die Hauptniederlassung handelt, in das inländische Handelsregister eingetragen werden. Fehlt diese Eintragung, so ist dies steuerrechtlich unerheblich; die Eintragung ist für die unbeschränkte KSt-Pflicht nicht erforderlich.
Die Neuaufnahme der Limited hat zu erfolgen, sobald dem Finanzamt die Existenz der Limited und deren inländische Betätigung bekannt werden. Entsprechend der Verfahrensweise bei inländischen Kapitalgesellschaften ist die Vorlage des Gesellschaftsvertrags und des englischen Handelsregisterauszugs zu verlangen.
Da die Amtssprache deutsch ist, sind die Urkunden in deutscher Übersetzung vorzulegen. Hierbei sind im Regelfall auch nicht amtliche Übersetzungen zu akzeptieren, wobei zum Vergleich der englische Originaltext mit anzufordern ist. Lediglich in begründeten Fällen soll gem. § 87 Abs. 2 AO auf der Vorlage einer beglaubigten oder von einem öffentlich bestellten oder beeidigten Dolmetscher oder Übersetzer angefertigten Übersetzung bestanden werden.
Die Gewinnermittlung hat nach den Vorschriften des HGB zu erfolgen, die Limited hat eine Steuerbilanz nach deutschem Recht zu erstellen. Nach englischem Recht vorgenommene Gewinnermittlungen sind unbeachtlich und können allenfalls zur Verprobung der eingereichten deutschen Besteuerungsgrundlagen herangezogen werden; dies gilt auch für Gewinnermittlungen nach IAS/IFRS. Ist die Limited nicht im deutschen Handelsregister eingetragen, so ist sie kein Kaufmann nach deutschem HGB (§ 5 HGB, kein Formkaufmann). Hier ist auch eine Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) zulässig.
Neben den Ertragsteuern sind umsatzsteuerliche Verpflichtungen, Arbeitgeberpflichten usw. in Deutschland zu erfüllen. Es bestehen also keine Unterschiede zur Besteuerung einer GmbH.
3.4.2 Ultra-vires-Lehre
Das englische Recht folgt der ultra-vires-Lehre, wonach eine Gesellschaft nur für die Verfolgung derjenigen Zwecke mit Rechtsfähigkeit ausgestattet ist, die im Gesellschaftsstatut/in der Satzung als Gesellschaftszwecke benannt sind. Verfolgt sie andere Zwecke als die genannten, überschreitet sie ihre Kompetenzen mit der Folge, dass die Gesellschafter aus diesen Geschäften persönlich verpflichtet werden. Es liegt dann ein Personenunternehmen und keine Körperschaft mehr vor.
Konsequenz dieser Rechtsauffassung ist, dass die Gesellschaftszwecke in der Satzung sehr umfassend (mitunter über mehrere Seiten) formuliert werden.
Ob bei Überschreiten des Gesellschaftszwecks auch bei der deutschen Besteuerung ein Personenunternehmen angenommen werden muss, ist äußerst fraglich. Allein der Umstand, dass die Gesellschafter für diese außersatzungsmäßigen Betätigungen persönlich haften, begründet für steuerliche Zwecke nicht die Annahme eines neben der Limited bestehenden Personenunternehmens. Solange die Limited nach außen im eigenen Namen auftritt, sollte das Finanzamt davon ausgehen, dass Geschäfte der Limited vorliegen. Es kann nicht Aufgabe der Finanzämter sein, für jedes Einzelgeschäft zu prüfen, ob sich die Betätigung noch im Rahmen des Gesellschaftszwecks bewegt oder nicht. In die Prüfung ist erst einzusteigen, wenn von anderer Seite entsprechende Argumente vorgetragen werden. Ggf. wäre dann eine Entscheidung auf Bundesebene über die weitere Verfahrensweise abzuwarten.
3.4.3 Zuständigkeit
Gem. § 21 Abs. 1 Satz 2 AO i. V. mit der UStZustV ist für Unternehmer, die Wohnsitz, Sitz oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes haben, die örtliche Zuständigkeit in Umsatzsteuersachen einem Finanzamt für den Geltungsbereich des Gesetzes übertragen worden; für im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland ansässige Unternehmer ist die das FA Hannover-Nord.
In der Gesetzesbegründung zu § 21 Abs. 1 Satz 2 AO wird ausgeführt, dass die zentrale Zuständigkeit bereits dann eindeutig greifen soll, wenn auch nur ein Anknüpfungspunkt der Kriterien Wohnsitz, Sitz oder Geschäftsleitung außerhalb Deutschlands gegeben ist. Dies bedeutet eine Erweiterung der zentralen Zuständigkeit auf alle Fälle mit Auslandsbezug. Zweifelhaft ist, ob man bei der Gesetzesformulierung die Fälle berücksichtigt hat, in denen ein Unternehmen in Deutschland ansässig ist, hier als unbeschränkt steuerpflichtig veranlagt wird und sämtliche Geschäfte in Deutschland tätigt. Trotz dieser Zweifel ist in Umsatzsteuerangelegenheiten die UStZustV anzuwenden.
Die Zuständigkeiten für die Ertragsbesteuerung und die USt fallen somit auseinander. Eine zentrale Zuständigkeit für die USt hat sich dennoch als zweckmäßig erwiesen, um die Informationen über diese Gesellschaften zu bündeln. Das FA Hannover-Nord kennt zwischenzeitlich alle Massendomiziladressen und deren Verwalter; für einzelne Finanzämter sind diese Informationen nicht oder nur sehr zeitaufwendig zu beschaffen. Es hat sich gezeigt, dass viele Gesellschaften nach kurzer Zeit wieder gelöscht werden und es sich anschließend um Scheingesellschaften handelt. Diese Feststellungen lassen sich aber nur mit den erweiterten Ermittlungsmöglichkeiten und dem Know-how des FA Hannover-Nord treffen. Eingehende USt-Voranmeldungen sind deshalb ggf. zusammen mit der Gewerbeanmeldung an das FA Hannover-Nord weiterzuleiten.
Ungeachtet dessen kann es im Einzelfall sinnvoll sein, gem. § 27 AO mit dem FA Hannover-Nord eine Zuständigkeitsvereinbarung hinsichtlich der USt zu treffen.
Zu den Einzelheiten siehe – 12 – StH 462; S 0123 – 3 – StO 321, AO-Kartei § 21 AO Karte 2.
3.4.4 Gesellschafter – nachträgliche Anschaffungskosten bei eigenkapitalersetzenden Darlehen
Für die Berücksichtigung eines Darlehens im Rahmen von § 17 EStG ist erforderlich, dass dieses den gleichen Bindungen unterliegt, wie sie der BFH für das einer deutschen Kapitalgesellschaft überlassene Darlehen fordert, das als eigenkapitalersetzend anerkannt werden soll. Im englischen Recht sind die Gesellschaften allgemein und darunter auch die Limited betreffenden Regelungen in Companies Act (CA) von 1985 zusammengefasst; darin findet sich jedoch keine Vorschrift, die der des § 32a GmbHG vergleichbar wäre.
Die Limited britischen Rechts ist auch nicht automatisch in allen Belangen einer deutschen GmbH gleichzustellen. Die Frage, ob ein Darlehen mit Eigenkapitalersatzcharakter vorliegt, kann nur nach dem für die Gesellschaft gültigen Recht, d. h. nach britischem Gesellschaftsrecht beantwortet werden.
Da das englische Recht keine Kapitalersatzregeln vergleichbar dem § 32a GmbHG kennt, sind verlorene Gesellschafterdarlehen damit nicht nach § 17 EStG berücksichtigungsfähig (FG Rheinland-Pfalz, urt. vom – 2 K 2455/02, EFG 2005 S. 38).
OFD Hannover v. - S 2700 - 2 - StO 241
Fundstelle(n):
FR 2006 S. 193 Nr. 4
VAAAB-54809