BFH Beschluss v. - VIII B 80/04

Verletzung rechtlichen Gehörs: Terminaufhebung bzw. Terminverlegung nur bei erheblichen Gründen i. S. von § 227 ZPO

Gesetze: FGO § 96 Abs. 2; ZPO § 227

Instanzenzug:

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Es fehlt an der schlüssigen Darlegung eines Zulassungsgrundes (§ 116 Abs. 3 Satz 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) beruft sich darauf, dass ihm rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des GrundgesetzesGG— i.V.m. § 96 Abs. 1 und 2 FGO) verwehrt worden sei, weil das Gericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom entschieden habe, obwohl der Prozessbevollmächtigte des Klägers rechtzeitig Antrag auf Terminverlegung gestellt und diesen ausreichend begründet habe. Damit rügt er die Versagung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf das Verfahren insgesamt (Großer Senat des Bundesfinanzhofs —BFH— vom GrS 3/98, BFHE 196, 39, BStBl II 2001, 802, 805, m.w.N.). Liegt eine derartige Verletzung rechtlichen Gehörs vor, ist nach § 119 Nr. 3 FGO ein Urteil stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen. Von einer derartigen Verletzung rechtlichen Gehörs ist auszugehen, wenn erhebliche Gründe für eine Terminverlegung i.S. von § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) vorlagen und der Termin gleichwohl nicht zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs verlegt wurde (BFH-Beschlüsse vom VIII B 94/96, BFH/NV 1998, 66; vom X B 58/99, BFH/NV 2000, 441; vom IV B 25/00, BFH/NV 2001, 1579; vom XI B 45, 46/01, BFH/NV 2002, 371). Bei Bestehen erheblicher Gründe i.S. von § 227 Abs. 1 ZPO ist das Gericht grundsätzlich zu einer Terminaufhebung bzw. -verlegung verpflichtet (, BFH/NV 1999, 626). Auch dann kann jedoch die Ablehnung einer Terminsänderung ermessensgerecht sein, wenn offenkundig Prozessverschleppungsabsicht vorliegt oder der Kläger seine prozessualen Mitwirkungspflichten in anderer Weise erheblich verletzt hat (, BFH/NV 1993, 180; , BFH/NV 1995, 46; , BFH/NV 2002, 520; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 119 FGO Rdnr. 203). Auch wenn der Kläger gemäß § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 2 ZPO erhebliche Gründe erst auf Verlangen glaubhaft zu machen hat, muss er gleichwohl die Gründe so genau angeben, dass sich das Gericht aufgrund seiner Schilderung ein Urteil über deren Erheblichkeit bilden kann. Formelhafte, nicht im Einzelnen nachprüfbare Begründungen rechtfertigen eine Terminverlegung nicht (, BFH/NV 1996, 228).

Der Kläger begründet die Verletzung rechtlichen Gehörs lediglich damit, dass der Prozessbevollmächtigte erst kurz vor dem Termin mit der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Klägers beauftragt worden sei und aufgrund der umfangreichen notwendigen Einarbeitung und Vorbereitung ein sinnvoller Vortrag in dem Termin nicht möglich gewesen wäre. Wie dem Gericht bekannt gewesen sei, habe aufgrund des Gesundheitszustands des Klägers eine Vorbereitung auf den Termin durch den jeweiligen Bevollmächtigten nicht ordnungsgemäß erfolgen können. Durch die kurzfristige Beauftragung des Prozessbevollmächtigten seien die ihm vorliegenden Prozessunterlagen unvollständig gewesen, sodass seine Einarbeitung in dem anhängigen Rechtsstreit bis zum Verhandlungstermin äußerst schwierig gewesen sei. Hinzu sei gekommen, dass der alleinige Sachbearbeiter gegenwärtig durch eine Fülle anstehender, längerfristiger Termine arbeitsüberlastet sei. Zudem sei die Anwesenheit des Klägers für einen vollständigen Vortrag in dem Termin unbedingt erforderlich gewesen, der Kläger sei aber nachweislich gehindert gewesen, an dem Termin persönlich teilzunehmen. Der Kläger habe aufgrund von nicht verschiebbaren Terminen an dem Termin zur mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen können. Diese Termine hätten u.a. im Zusammenhang mit steuerlichen Verfahren gegen den Kläger gestanden.

Damit sind keine für eine Terminverlegung erheblichen Gründe in schlüssiger Weise dargetan. Hinsichtlich der den persönlich betreffenden Gründe reichen die Angaben weder zu seiner terminlichen Verhinderung noch zu einer etwaigen Krankheit im Vorfeld aus, um eine unabweisbare Verhinderung zu begründen (vgl. Bundesverwaltungsgericht —BVerwG—, Urteil vom , Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1992, 2042). Die Hinweise auf ungenügende Terminvorbereitung bzw. Arbeitsüberlastung des Prozessvertreters rechtfertigen nicht die Annahme erheblicher Gründe für eine Terminverlegung. Daraus, dass am die damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers unter Hinweis auf eine bis zum andauernde Reiseunfähigkeit des Klägers unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung erneut eine Terminverlegung beantragt hatten, die wiederum mit Beschluss vom zurückgewiesen wurde, ergibt sich nicht schlüssig, dass der Kläger auch am zum Termin nicht hätte erscheinen können.

Selbst wenn von einer Krankheit des Klägers im Vorbereitungsstadium des Termins auszugehen wäre, ergäbe sich daraus nicht, dass dem Kläger eine sachgerechte Vorbereitung auf die Verhandlung nicht möglich war. Bei anwaltlicher Vertretung rechtfertigt zudem die persönliche Erkrankung des Klägers nicht zwangsläufig die Annahme eines erheblichen Grundes für eine Terminverlegung (vgl. Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, Zivilprozessordnung, 63. Aufl., § 227 Rdnr. 16, m.w.N.). Insoweit fehlt es an jeglichem schlüssigen Vortrag.

Der Kläger macht nicht in schlüssiger Weise geltend, dass er ohne eigene prozessuale Nachlässigkeit an einer hinreichenden tatsächlichen oder rechtlichen Vorbereitung des Termins gehindert war. Es ist insbesondere nicht schlüssig dargetan, dass eine vollständig neue Einarbeitung in den Streitstand seitens des jetzigen Prozessbevollmächtigten erforderlich gewesen sei, obwohl dieser den Kläger im selben Verfahren bereits vertreten hatte. Zwar kann ein erheblicher Grund vorliegen, soweit sich die Partei etwa wegen eines notwendigen Anwaltswechsels auf einen Verhandlungstermin nicht genügend vorbereiten konnte und das rechtliche Gehör noch nicht während der Tätigkeit des bisherigen Anwalts gewährt worden war ( NJW 1993, 80). Hiervon kann vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden. Jedenfalls bedeutet es eine erhebliche Verletzung der prozessualen Mitwirkungspflicht seitens des Klägers, dass er trotz mehrfacher antragsgemäßer Terminverlegungen und Ladung zum Termin am schon Mitte Dezember 2003 nicht rechtzeitig dafür Vorsorge getroffen hat, die Terminwahrnehmung sicherzustellen. Mit dem Verweis auf die von den Prozessbevollmächtigten des Klägers kurz vor der mündlichen Verhandlung angezeigte Mandatsniederlegung ist kein erheblicher Grund i.S. von § 227 Abs. 1 ZPO in schlüssiger Weise dargelegt. Dies setzt voraus, dass es sich um eine in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht schwierige Sache handelte und den Kläger an der Niederlegung des Mandats kein Verschulden träfe (, BFH/NV 2004, 66, m.w.N.). Hiervon ist vorliegend nicht auszugehen, da es in der Sache primär um die Unzulässigkeit der Klage ging, nachdem die mit gerichtlichem Schreiben vom gesetzte Ausschlussfrist nicht eingehalten worden war. Dazu, dass ihn an der —wiederholten— Mandatsniederlegung kein Verschulden traf, hat der Kläger nichts vorgetragen.

Schließlich sind auch die Voraussetzungen einer Überraschungsentscheidung nicht in schlüssiger Weise dargetan. Eine solche läge vor, wenn das Urteil auf rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte gestützt worden wäre, die weder im Besteuerungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren zur Sprache gekommen waren und deren Heranziehung auch nicht aus sonstigen Gründen nahe lag (vgl. , BFH/NV 2003, 173, m.w.N.).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
CAAAB-53706