OFD Frankfurt am Main - S 7104 A - 47 - St I 1.10

Beginn und Ende der Unternehmereigenschaft einer Kapitalgesellschaft

I. Beginn der Unternehmereigenschaft

Hinsichtlich der Begründung der Unternehmereigenschaft bei Kapitalgesellschaften ist nicht auf den zivilrechtlichen Entstehungszeitpunkt der Gesellschaft, sondern allein auf die Erfüllung der Voraussetzungen des § 2 UStG abzustellen. Hierbei ist i. d. R. zwischen der sogenannten Vorgründungsgesellschaft, Vorgesellschaft und der eingetragenen Kapitalgesellschaft zu unterscheiden, deren unterschiedliche umsatzsteuerliche Behandlung sich wie folgt darstellt:

1 Vorgründungsgesellschaft

Die Vorgründungsgesellschaft besteht bis zum Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrages. Als Personengesellschaft der Gründer (in Form einer GbR oder OHG) ist sie ein eigenständiges Rechtssubjekt und somit nicht mit der Vorgesellschaft bzw. der eingetragenen Kapitalgesellschaft identisch. Rechte und Verbindlichkeiten müssen daher einzeln auf die Kapitalgesellschaft übertragen werden.

Bei der Beurteilung der Unternehmereigenschaft einer Vorgründungsgesellschaft sind folgende Fälle zu unterscheiden:

1.1 Die Vorgründungsgesellschaft erbringt selbst nachhaltige Leistungen

Führt die Vorgründungsgesellschaft selbst nachhaltige Leistungen gegen Entgelt aus (z. B. weil die unternehmerische Tätigkeit bereits in diesem Gründungsstadium aufgenommen wird oder weil ein bestehendes Unternehmen eines Gründers von der Vorgründungsgesellschaft übernommen und fortgeführt wird), ist die Unternehmereigenschaft der Vorgründungsgesellschaft zu bejahen. Dies hat zur Folge, dass sie unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG hinsichtlich der von ihr bezogenen Leistungen vorsteuerabzugsberechtigt ist.

1.2 Die Vorgründungsgesellschaft führt selbst keine Leistungen aus

Führt eine Personengesellschaft nur Vorbereitungshandlungen für die noch zu gründende Kapitalgesellschaft aus und überträgt sie nach deren Gründung die bezogenen Leistungen in einem Akt entgeltlich auf die Kapitalgesellschaft, so wird die Personengesellschaft nach dem (Az. V R 84/99, DStR 2004 S. 1870, HFR 2005 S. 49, UR 2004 S. 650) und dem , HFR 2004 S. 708, UR 2004 S. 362, IStR 2004 S. 646) unternehmerisch tätig. Obwohl die Personengesellschaft nur ein einziges Geschäft ohne Wiederholungsabsicht ausführt, ist eine Nachhaltigkeit gegeben, da in diesem Fall für die Beurteilung der Nachhaltigkeit die von der Kapitalgesellschaft beabsichtigten Umsätze maßgebend sind. Der Personengesellschaft steht daher der Vorsteuerabzug für die bezogenen Leistungen zu.

2 Vorgesellschaft (= Gründungsgesellschaft):

Als Vorgesellschaft bezeichnet man die gegründete aber noch nicht eingetragene Kapitalgesellschaft. Die Vorgesellschaft besteht also in dem Zeitraum zwischen Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrages und der Eintragung in das Handelsregister.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist diese Vorgesellschaft nach den gleichen steuerlichen Grundsätzen zu behandeln, wie die nachfolgend eingetragene Kapitalgesellschaft (Übernahme der im Zivilrecht entwickelten Identitätstheorie in das Steuerrecht). Somit kann auch die Unternehmereigenschaft der Vorgesellschaft mit Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrages i. d. R. unterstellt werden.

Die an diese Gesellschaft erbrachten Leistungen werden so behandelt, als seien sie an die eingetragene Kapitalgesellschaft bewirkt worden, mit der Folge, dass ihr auch der Vorsteuerabzug aus diesen Leistungen – soweit auch die übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG erfüllt sind – zusteht.

2.1 Besonderheiten/Ausnahmen

2.1.1 Sollte es ausnahmsweise nicht zur Eintragung und somit nicht zur Entstehung der endgültigen Kapitalgesellschaft kommen, so sind die Vorgründungsgesellschaft und die Gründungsgesellschaft als einheitliches Rechtssubjekt anzusehen. Die Unternehmereigenschaft dieser Personengesellschaft richtet sich nach den Grundsätzen des (BStBl 1996 I S. 1461).

2.1.2 Vorsteuerabzug für Leistungen, die im Zusammenhang mit der Gründung der Kapitalgesellschaft anfallen (z. B. Notarleistungen bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages):

Kostenschuldner dieser Notariatsgebühren sind zwar nach §§ 2, 141 KostO die die Eintragung beantragenden Gesellschafter, gegenüber denen auch die Leistung erbracht wird, so dass Rechtsbeziehungen – abgesehen von der vertraglichen Übernahme der Kosten durch die Kapitalgesellschaft – nur zwischen den Gesellschaftern und dem leistenden Notar bestehen.

Wirtschaftlich gesehen handelt es sich hierbei jedoch um eine Leistung für die in Entstehung begriffene Kapitalgesellschaft, die als erster notwendiger Akt für die Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit anfällt. Die Vorsteuern können daher auch nicht ausschließlich den nach § 4 Nr. 8 UStG steuerfreien Umsätzen aus der Ausgabe der Gesellschaftsanteile zugerechnet werden, sondern müssen ebenfalls im Zusammenhang mit den künftigen Umsätzen der Kapitalgesellschaft gesehen werden, deren Ausführung erst hierdurch möglich wird. Die Vorsteuerbeträge, die mit der Einrichtung der Kapitalgesellschaft in Zusammenhang stehen, können unter den Voraussetzungen des § 15 UStG (insbesondere im Hinblick auf die künftig verwirklichten Umsätze) abgezogen werden.

2.1.3 Hinsichtlich der Vorsteuerbeträge, die im Zusammenhang mit Kapitalerhöhungen einer GmbH anfallen, ist folgende Auffassung zu vertreten:

Anders als bei der Gründung einer GmbH wird es der GmbH durch die Kapitalerhöhung nicht erst ermöglicht, am unternehmerischen Leben teilzunehmen, wenn auch die unternehmerische Tätigkeit hierdurch möglicherweise gefördert wird.

Diese Förderung tritt jedoch im Gegensatz zum Gründungsvorgang hinter der bei der Kapitalerhöhung im Vordergrund stehenden Ausgabe von Gesellschaftsanteilen zurück. Die Leistungen im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung sind daher ausschließlich und unmittelbar den nach § 4 Nr. 8 UStG steuerfreien Umsätzen aus der Ausgabe von Gesellschaftsanteilen zuzurechnen, so dass insoweit der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 UStG in vollem Umfang ausgeschlossen ist.

2.1.4 Zur Beurteilung der Unternehmereigenschaft bei der Umwandlung eines Einzelunternehmens bzw. einer Personengesellschaft in eine GmbH wird auf die – 52 – St IV 10 (USt-Kartei OFD Ffm., § 2 – S 7104 – Karte 8) verwiesen.

II. Ende der Unternehmereigenschaft

1 Grundsätzlich endet die unternehmerische Tätigkeit, wenn der Unternehmer nachhaltig keine Umsätze mehr ausführt. Eine GmbH kann daher, auch wenn sie zivilrechtlich noch fortbesteht, die Unternehmereigenschaft verlieren, wenn sie auf Dauer gesehen keine Umsätze mehr ausführt.

Die Beendigung der unternehmerischen Tätigkeit kann aber nicht bereits dann angenommen werden, wenn ein Unternehmer nur vorübergehend keine Leistungen mehr erbringt. Eine nur vorübergehende Einstellung der Unternehmertätigkeit ist anzunehmen, wenn eine aus den Begleitumständen belegbare Absicht des Unternehmers feststellbar ist, die unternehmerische Tätigkeit, d. h. das Bewirken von Umsätzen, wieder aufnehmen zu wollen. Hierfür muss ein auf die Ausführung von Umsätzen angelegtes Handeln erkennbar sein (Urteil des ).

2 Andererseits kann die Unternehmereigenschaft einer GmbH auch über den Zeitpunkt ihrer Löschung im Handelsregister hinaus fortbestehen.

So hat der BFH mit Urteil vom , BStBl 1994 II S. 483 entschieden, dass eine Kapitalgesellschaft so lange fortbesteht, bis alle Rechtsbeziehungen der Gesellschaft beseitigt sind. Hierzu gehört auch das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Finanzamt. Die in Auflösung befindliche Gesellschaft kann deshalb das Unternehmen der Gesellschaft fortführen und auch nach ihrer Löschung im Handelsregister Umsätze im Rahmen ihres Unternehmens ausführen.

Die umsatzsteuerrechtliche Unternehmereigenschaft einer GmbH ist weder von ihrem Vermögensstand noch von ihrer Eintragung im Handelsregister abhängig. Sie ist daher auch nach ihrer Löschung im Handelsregister noch als Unternehmer anzusehen, dem nach diesem Zeitpunkt ausgeführte Umsätze, z. B. aus der Lieferung von Sicherungsgut an den Sicherungsnehmer im Zuge der Verwertung, zuzurechnen sind (vgl. auch Abschn. 19 Abs. 6 – insbesondere Satz 8 – UStR.

3 Für den Fall, dass sicherungsübereignete Gegenstände durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer außerhalb des Insolvenzverfahrens geliefert werden, ist darauf zu achten, dass der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer für die Lieferung des Sicherungsgutes nach § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG im Abzugsverfahren einzubehalten und an das für ihn zuständige Finanzamt abzuführen hat.

Diese verfügung ersetzt die – 47 – St IV 10.

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Fundstelle(n):
GAAAB-53385