Tatbestandsberichtigung bei Fehlern des Tatbestands; Maßgeblichkeit des materiell-rechtlichen Standpunkts bei Beurteilung eines Verfahrensfehlers
Gesetze: FGO § 108, § 115 Abs. 2 Nr. 3
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) einen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) überhaupt in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt haben sollten, liegt er jedenfalls nicht vor.
1. Die Rüge, das Finanzgericht (FG) habe seiner Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 FGO) nicht genügt, da es trotz eines entsprechenden Beweisantritts ihren, der Kläger, Steuerberater nicht zu der Frage des Zugangs der Einkommensteuerbescheide für 1993 bis 1995 vernommen habe, ist nicht begründet. Denn bei der Beurteilung, ob das FG einen Verfahrensfehler begangen hat, kommt es auf dessen materiell-rechtlichen Standpunkt an (vgl. z.B. , BFHE 189, 148, BStBl II 1999, 731, m.w.N.). Nach dem materiell-rechtlichen Standunkt des FG kam es aber für die Frage, ob ein berechtigtes Interesse der Kläger i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO an der begehrten Feststellung bestanden hat, nicht darauf an, ob dem Steuerberater der Kläger die Steuerbescheide vom tatsächlich zugegangen waren. Entscheidend war vielmehr allein, ob dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) eine schuldhafte Pflichtwidrigkeit unterlaufen ist, als er die begehrte Änderung des Einkommensteuerbescheides für 1995 zunächst durch den Bescheid vom abgelehnt hat.
2. Soweit die Kläger Unklarheiten oder Unrichtigkeiten des Tatbestandes des finanzgerichtlichen Urteils behaupten, rügen sie keinen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Vielmehr ist —wie im Streitfall auch geschehen— in einem solchen Fall gemäß § 108 Abs. 1 FGO ein Antrag auf Berichtigung des Urteils zu stellen.
3. Die Kläger haben auch eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gehör (§ 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO) nicht schlüssig dargelegt.
a) Mit ihrem Vorbringen, das Gericht habe ausweislich des Urteilstatbestandes die Berichtigung des Klageantrages nicht zur Kenntnis genommen, haben die Kläger in Wirklichkeit keinen Verstoß gegen ihren Anspruch auf Gehör, sondern eine Unrichtigkeit des Tatbestandes geltend gemacht. Zur Beseitigung eines derartigen Fehlers ist —wie bereits dargelegt— der Antrag auf Berichtigung des Tatbestands gemäß § 108 FGO und ggf. auf Berichtigung des Protokolls (§ 94 FGO i.V.m. § 164 der Zivilprozessordnung —ZPO—) vorgesehen.
b) Auch mit ihrem Vortrag, bei der ihrer Meinung nach gebotenen Anhörung ihres Steuerberaters als Zeugen wäre von diesem bestätigt worden, dass das FA den Ablehnungsbescheid nicht hätte erlassen dürfen, weil der Verlust gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gemäß § 175 der Abgabenordnung (AO 1977) im Jahr 1995 hätte berücksichtigt werden müssen, haben die Kläger eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gehör oder einen Verstoß des FG gegen seine Ermittlungspflicht nicht schlüssig dargelegt. Es handelt sich um eine Rechtsauffassung, die der Steuerberater hätte bekunden sollen. Dafür kam aber eine Zeugenvernehmung nicht in Betracht, denn der Zeugenbeweis dient der Aufklärung von Tatsachen (vgl. § 82 FGO i.V.m. § 373 ZPO) und nicht der Ermittlung von Rechtsauffassungen.
c) Das angefochtene Urteil ist auch keine Überraschungsentscheidung. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH liegt eine Überraschungsentscheidung vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der alle oder einzelne Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen mussten (vgl. z.B. , BFHE 186, 29, BStBl II 1998, 505, m.w.N., unter II.A. der Gründe). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Dass eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung erfordert, musste dem Prozessbevollmächtigen der Kläger bekannt sein. Er war auf die Erforderlichkeit des „Fortsetzungsfeststellungsinteresses” auch in dem Schreiben des Berichterstatters vom hingewiesen worden. Zu einem Hinweis, wie das FG diese Rechtsfrage entscheiden würde, war es nicht verpflichtet (vgl. BFH-Urteil in BFHE 186, 29, BStBl II 1998, 505; , BVerfGE 86, 133, 145).
Fundstelle(n):
CAAAB-53343