Verfahrensfehler bei Entscheidung des FG nur über den mit der Klage angefochtenen Steuerbescheid und nicht über den während des Klageverfahrens ergangenen Änderungsbescheid
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 68; AO § 351
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) erlies während des Klageverfahrens am nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre, in denen es den Pauschbetrag sowie Fahrtkosten für Behinderte nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigte. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit Urteil vom ab. Die verspätet eingelegten Einsprüche des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) seien zu Recht mit der Einspruchsentscheidung vom als unzulässig zurückgewiesen worden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist nur noch bei Verhinderung durch höhere Gewalt beantragt werden, was nicht gegeben sei.
Der Kläger begehrt die Zulassung der Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Außerdem sei das FG-Urteil verfahrensfehlerhaft ergangen. Das FG habe ausschließlich über die Rechtmäßigkeit der Einspruchsentscheidung vom , nicht aber über die anschließend ergangenen Änderungsbescheide vom entschieden. Dies sei aber umso notwendiger gewesen, als das FA nur eine verfahrensrechtliche Entscheidung in der Einspruchsentscheidung getroffen habe.
II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG gemäß § 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Zu Recht rügt der Kläger als Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, das FG habe nicht über die geänderten Einkommensteuerbescheide entschieden.
Das FG hat die Klageabweisung ausschließlich darauf gestützt, die Einsprüche des Klägers seien verspätet eingelegt worden und die Einspruchsentscheidung vom somit rechtmäßig. Das FG hat damit erkennbar über die zunächst mit der Klage angefochtenen Steuerbescheide entschieden und nicht über die erst während des Klageverfahrens ergangenen Änderungsbescheide vom , obwohl diese —wie das FG selbst festgestellt hat— gemäß § 68 FGO Gegenstand des zulässigen Klageverfahrens geworden waren. Streitgegenstand der Klage waren danach nur mehr die Änderungsbescheide, die die zuletzt noch streitige Steuerfestsetzung enthielten.
Das FG hätte demnach prüfen müssen, ob der Kläger durch die Änderungsbescheide in seinen Rechten verletzt wird. Das gilt auch dann, wenn die Änderung lediglich die Umsetzung eines Grundlagenbescheides darstellt und gegenüber dem zunächst angefochtenen Steuerbescheid eine teilweise Abhilfe enthält (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, Juli 2004, § 68 FGO Rz. 9).
Das FG hat über Steuerbescheide entschieden, die keine Wirksamkeit mehr entfalten. Die nach seiner Auffassung eingetretene Bestandskraft dieser ursprünglich mit der Klage angegriffenen Steuerbescheide mag zwar zur Folge haben, dass die Änderungsbescheide nach § 351 AO 1977 nur mehr insoweit angegriffen werden können, als die Änderung reicht. Dies hat das FG aber bisher nicht geprüft.
Im Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision kann der Bundesfinanzhof bei einem Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens —sofern er wie im Streitfall gerügt worden ist (vgl. Beschluss vom X B 77/01, BFH/NV 2002, 1121, m.w.N.)— gemäß § 116 Abs. 6 FGO das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1311 Nr. 8
XAAAB-53310