Instanzenzug:
Gründe
Im April bzw. Juni 1994 ließ der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) als Inhaber von Carnets TIR entsprechende Versandverfahren an der deutsch-polnischen Grenze für zwei LKW-Sendungen Weißzucker nach Spanien bzw. Portugal eröffnen. Die Warensendungen wurden jedoch bei der jeweiligen Bestimmungszollstelle nicht gestellt. Daraufhin wurden gegen den Kläger die entsprechenden Einfuhrabgaben festgesetzt; die Steuerbescheide sind rechtsbeständig.
Seine Anträge auf Erlass der Einfuhrabgaben aus Billigkeitsgründen begründete der Kläger damit, dass er Opfer von Täuschungsmanövern geworden sei. In beiden Fällen hätten die Empfänger in den Bestimmungsländern die Transporte zu anderen Orten geleitet, wo diese durch Personen in Zolluniform abgefertigt worden seien. Es sei für die Fahrer nicht erkennbar gewesen, ob es sich um echte oder falsche Zollbeamte gehandelt habe.
Die Erlassanträge des Klägers wurden abgelehnt; seine Einsprüche und die Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die Entstehung der Einfuhrabgaben auf offensichtliche Fahrlässigkeit des im Speditionsgeschäft erfahrenen Klägers zurückzuführen sei. Der Kläger und die von ihm mit der Durchführung der Versandverfahren betrauten Personen hätten sich ausschließlich von den Warenempfängern sowie von ihnen nicht bekannten Personen die Art und Weise der Beendigung des Versandverfahrens und den abweichenden Bestimmungsort vorgeben lassen, was sich als eine besonders schwere Pflichtenverletzung im Carnet TIR-Verfahren darstelle. Indem der Kläger den ihm nicht näher bekannten Personen die Abwicklung des Versandverfahrens ohne Gegenkontrolle überlassen habe, sei das Tätigwerden falscher Amtspersonen erst ermöglicht worden. Es handele sich insoweit um einen gravierenden Mangel in der Organisation und Abwicklung des Carnet TIR-Verfahrens.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) stützt.
Die Beschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert.
1. Die Beschwerde formuliert schon keine konkrete, grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage, sondern setzt sich in der Art einer Revisionsbegründung mit der Entscheidung des FG auseinander und stellt den Rechtsansichten und Tatsachenwürdigungen des FG ihre eigenen Ansichten bzw. Würdigungen entgegen.
Bei der Beantwortung der Frage, ob offensichtliche Fahrlässigkeit i.S. des Art. 239 Abs. 1 Anstrich 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 302/1) vorliegt, müssen insbesondere die Komplexität der Vorschriften, deren Nichterfüllung die Zollschuld begründet, sowie die Erfahrung und die Sorgfalt des Wirtschaftsteilnehmers berücksichtigt werden (Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom Rs. C-48/98, EuGHE 1999, I-7877). Hiervon ist das FG bei seiner Entscheidung ausgegangen. Wenn demgegenüber die Beschwerde es als grundsätzlich klärungsbedürftig ansieht, ob der Inhaber eines Carnet TIR offensichtlich fahrlässig handelt, wenn er das Verfahren auf Weisung des Abnehmers nicht an der vorgesehenen Bestimmungszollstelle, sondern an einer anderen Stelle außerhalb des Amtsplatzes erledigen lässt und wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Erledigung des Verfahrens von dem Abnehmer vorgetäuscht worden ist, so bezeichnet sie keine abstrakte klärungsbedürftige Rechtsfrage, sondern wendet sich —gekleidet in eine allgemein gehaltene Frage— gegen die materielle Richtigkeit der FG-Entscheidung, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann, weil damit kein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird (vgl. , BFH/NV 2002, 1476, m.w.N.).
Dies gilt insbesondere auch, soweit die Beschwerde entgegen der Ansicht des FG die Meinung vertritt, dass es nach dem Zollübereinkommen über den internationalen Warentransport mit Carnets TIR (TIR-Übereinkommen) vom (BGBl II 1979, 445) keine Verpflichtung des Carnet TIR-Inhabers gebe, die Waren ausschließlich bei der angegebenen Bestimmungszollstelle zu gestellen. Die Beschwerde erläutert damit lediglich ihre von der Ansicht des FG abweichende Rechtsauffassung, geht jedoch in keiner Weise auf die Klärungsbedürftigkeit einer damit im Zusammenhang stehenden Rechtsfrage und auf ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung ein. Im Übrigen lässt sich diese Frage auch nur so beantworten, wie es das FG getan hat. Dass die im Carnet TIR-Verfahren beförderten Waren, wenn sie schon nicht bei der vorgesehenen Bestimmungszollstelle gestellt werden, jedenfalls nicht —wie im Streitfall geschehen— an einem beliebigen anderen Ort entladen werden dürfen, liegt nach den Vorschriften des TIR-Übereinkommens auf der Hand und bedarf keiner weiteren Erörterung.
Wenn das FG zu der Ansicht gelangt ist, dass gerade das Abladen der Waren an einem beliebigen anderen Ort das angebliche Tätigwerden falscher Amtspersonen ermöglicht habe und dass der Umstand, dass die Transporte von dem Kläger nicht bekannten Personen an einen vom Carnet TIR abweichenden Bestimmungsort hätten umgeleitet werden können, einen gravierenden Mangel in der Organisation und Abwicklung von Carnet TIR-Verfahren durch den Kläger zeige, so handelt es sich um die vom FG im Einzelfall vorzunehmende Tatsachenwürdigung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird von der Beschwerde insoweit nicht aufgezeigt. Die Beschwerde meint lediglich, dass das FG-Urteil die erforderliche Berücksichtigung der Komplexität der Vorschriften nicht zweifelsfrei erkennen lasse, dass das FG die Anforderungen hinsichtlich der Sorgfalt des Carnet TIR-Inhabers überspannt habe und dass es sich mit der Frage nach der Erfahrung des Klägers nicht ausreichend auseinander gesetzt habe. Auch insofern wendet sich die Beschwerde wiederum nur gegen die materielle Richtigkeit der FG-Entscheidung.
Soweit es die Beschwerde außerdem für fraglich hält, ob offensichtliche Fahrlässigkeit auch bejaht werden kann, wenn das beförderte Gut im Zeitpunkt des Transports noch nicht als betrugsanfällig galt, fehlt es ebenfalls an einem schlüssigen Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit dieser Frage sowie zu ihrer über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung. Die Beschwerde meint lediglich, dass der Kläger bei einer betrugsneutralen Ware wie Zucker nicht offensichtlich fahrlässig gehandelt habe, als er sich auf die Mitwirkung des Warenempfängers verließ. Dies stellt aber nur eine von der FG-Entscheidung abweichende Tatsachenwürdigung dar.
2. Da mit der Beschwerde keine klärungsbedürftige Rechtsfrage formuliert wird, ist auch der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) nicht ausreichend dargelegt (vgl. , BFH/NV 2002, 652; Senatsbeschluss vom VII B 263/02, BFH/NV 2003, 835).
3. Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist ebenfalls nicht schlüssig dargelegt. Die Beschwerde ist der Ansicht, dass dem Kläger im Lichte des (Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern 2002, 272) keine offensichtliche Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden könne, versäumt es jedoch, aus jenem Urteil einen Rechtssatz herauszuarbeiten, der einem dem angefochtenen FG-Urteil zu entnehmenden Rechtssatz widerspricht.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1171 Nr. 7
LAAAB-52569