Keine Grunderwerbsteuer bei Auflassung
Gesetze: GrEStG § 1 Abs. 1 Nrn. 1, 2, § 14
Instanzenzug: (GE)
Gründe
I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) erwarb mit Vertrag vom ein Grundstück. Der Kaufvertrag stand unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Antragstellerin die für die Aufteilung des Grundstücks in Wohneigentum erforderlichen Genehmigungen erhält. Im Vertrag wurde zugleich die Auflassung erklärt und die Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch bewilligt. Den Umschreibungsantrag durfte ausschließlich die beurkundende Notarin stellen, und zwar erst, wenn ihr die Zahlung des gesamten Kaufpreises nachgewiesen oder dieser bei ihr hinterlegt worden war. Vor Zahlung des Kaufpreises durfte sie keine die Auflassung enthaltende beglaubigte Kopie oder Ausfertigung des Kaufvertrages aushändigen.
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) setzte mit der Begründung, die Auflassung unterliege der Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes —GrEStG—), durch Bescheid vom Grunderwerbsteuer in Höhe von 48 125 € fest. Anträge auf Aussetzung der Vollziehung beim FA wie beim Finanzgericht (FG) blieben erfolglos.
Mit der Beschwerde beantragt die Antragstellerin, den Grunderwerbsteuerbescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom von der Vollziehung auszusetzen. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II. Die Beschwerde ist begründet. Die Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheids vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom war auszusetzen, da ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen (§ 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 FGO kann auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen und schon vollzogenen Verwaltungsaktes aufgehoben werden, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder —was im Streitfall nicht in Betracht kommt— seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel, des unstreitigen Sachverhalts und der gerichtsbekannten Tatsachen erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen könnte (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom I B 241/93, BFH/NV 1995, 334; vom I B 40/01, BFH/NV 2001, 1536).
Bei der gebotenen summarischen Prüfung ist es ernstlich zweifelhaft, ob die im Kaufvertrag vom erklärte Auflassung der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG unterliegt. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG unterliegt die Auflassung der Grunderwerbsteuer, wenn kein Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, das den Anspruch auf Übereignung begründet. Die Auflassung unterliegt demnach dann nicht der Grunderwerbsteuer, wenn diese nur die Übertragung solcher Grundstücke auf Personen bewirkt, in deren grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnungsbereich sie gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bereits zuvor getreten waren. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn durch die Auflassung ein Anspruch auf Eigentumsverschaffung erfüllt wird (, BFH/NV 2000, 80). Bei summarischer Prüfung ist dies auch dann der Fall, wenn durch die zugleich mit einem Kaufvertrag erklärte Auflassung ein Anspruch auf Eigentumsverschaffung —rechtlich— nur deswegen noch nicht erfüllt wird, weil der Kaufvertrag mangels Bedingungseintritts noch schwebend unwirksam ist, durch weitere Vereinbarungen aber sichergestellt ist, dass von der Auflassung erst nach Bedingungseintritt und nur durch den beurkundenden Notar Gebrauch gemacht werden kann (Eintragungsantrag).
Auch ein solcher Kaufvertrag erfüllt den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und ist somit steuerbar. Dass ein Übereignungsanspruch zunächst aufschiebend bedingt und damit schwebend unwirksam ist, steht der Steuerbarkeit des Erwerbs eines solchen Anspruchs nicht entgegen. Dies ergibt sich auch aus § 14 GrEStG, wonach die Steuerpflicht erst entsteht, wenn der Erwerbsvorgang wirksam geworden ist (vgl. , BFHE 175, 288, und —in Abgrenzung zu einem Vorvertrag— vom II R 162/66, BStBl II 1972, 828, sowie für die mit § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG wortgleiche Regelung des Grunderwerbsteuergesetzes der ehemaligen DDR etwa , BFHE 188, 448, BStBl II 1999, 493, m.w.N.). Durch die wirksame Begründung eines aufschiebend bedingten Übereignungsanspruchs gelangt das Grundstück in den grunderwerbsteuerlichen Zuordnungsbereich des Erwerbers und schließt die Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG aus (ebenso Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2004, § 1 Rn. 38). Davon, dass in solchen Fällen der Steuertatbestand nicht durch die Auflassung, sondern durch das zu Grunde liegende, wenn auch noch nicht wirksame Rechtsgeschäft erfüllt wird, ist der Senat incidenter auch etwa in seinen Entscheidungen in BFHE 188, 448, BStBl II 1999, 493 und vom II R 93/94 (BFHE 179, 174, BStBl II 1996, 27) ausgegangen.
Eine Besteuerung schon der Auflassung in Fällen wie dem Streitfall entspricht bei der im summarischen Verfahren möglichen Beurteilung auch nicht den Bedürfnissen der Vertragspraxis. Nach § 925 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist die Auflassung bedingungsfeindlich. Mit Vertragsgestaltungen wie im Streitfall wird zivilrechtlich dem Sicherungsstreben der Vertragsparteien Rechnung getragen, wenn mit einem bedingten Kaufvertrag zugleich die Auflassung erklärt wird (vgl. , BGHZ 106, 108; vom V ZR 95/52, Neue Juristische Wochenschrift 1953, 1301). Im zivilrechtlichen Ergebnis stellt sich für die Vertragsparteien die Rechtslage daher nicht anders dar, als ob die Auflassung erst mit Bedingungseintritt erklärt worden wäre; dies übersieht das FG, wenn es bei der rechtlichen Beurteilung des Vertrages nur die —von Gesetzes wegen unbedingte— Auflassung in den Blick nimmt. Eine Besteuerung schon der Auflassung in solchen Fällen würde weder dem zivilrechtlichen Gehalt der Vertragsgestaltung noch der Vorschrift des § 14 GrEStG gerecht.
Bei der vom Senat im summarischen Verfahren für zutreffend erachteten Auslegung kommt es nicht, wie vom FG erwogen, zu einer Überschneidung der Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfasst die wirksamen und die i.S. von § 14 GrEStG noch nicht wirksamen Rechtsgeschäfte als Erwerbsvorgang. Insoweit gehen der Auflassung Rechtsgeschäfte i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG voraus, so dass eine Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG tatbestandlich ausscheidet.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1139 Nr. 7
DStR 2005 S. 1857 Nr. 44
DStRE 2005 S. 1368 Nr. 22
NWB-Eilnachricht Nr. 48/2006 S. 4066
QAAAB-52015