BFH Urteil v. - II R 37/03 BStBl 2005 II S. 360

Kein Freibetrag für nicht zu einem Betriebsvermögen gehörende einbringungsgeborene Anteile

Leitsatz

1. Für einbringungsgeborene Anteile, die nicht zu einem Betriebsvermögen gehören, ist der Freibetrag nach § 13 Abs. 2a ErbStG in der für die Jahre 1994 und 1995 geltenden Fassung nicht zu gewähren.

2. Für Steuerentstehungszeitpunkte, die innerhalb des zeitlichen Rahmens der vom (BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671) angeordneten übergangsweisen Weitergeltung des früheren Erbschaftsteuerrechts liegen, sind Bewertungsunterschiede zwischen den einzelnen Vermögensarten verfassungsrechtlich hinzunehmen.

Gesetze: ErbStG in der für die Jahre 1994 und 1995 geltenden Fassung ErbStG in der für die Jahre 1994 und 1995 geltenden Fassung § 13 Abs. 2aGG Art. 3 Abs. 1

Instanzenzug: (EFG 2004, 277) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Alleinerbe nach der im Jahr 1994 verstorbenen Erblasserin (E). Zum Nachlass gehörten sämtliche Anteile an einer GmbH. E hatte diese Anteile aufgrund der Einbringung einer KG-Beteiligung nach § 20 des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen bei Änderung der Unternehmensform (UmwStG) im Jahr 1984 erhalten.

Bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) den festgestellten gemeinen Wert der Anteile, ohne einen Freibetrag nach § 13 Abs. 2a des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der für die Jahre 1994 und 1995 geltenden Fassung (ErbStG a.F.) abzuziehen. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 277 veröffentlicht.

Mit seiner Revision rügt der Kläger einen Verstoß gegen die Systematik des ErbStG sowie die Missachtung von Vorgaben, die er aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ableitet.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den angefochtenen Erbschaftsteuerbescheid in der Weise zu ändern, dass der Wert der erworbenen Anteile in Höhe von 500 000 DM außer Ansatz bleibt.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Die Entscheidung des FG verletzt weder einfaches Recht (dazu unten 1.) noch Verfassungsrecht (dazu unten 2.).

1. Der in § 13 Abs. 2a ErbStG a.F. verwendete Begriff „Betriebsvermögen” schließt einbringungsgeborene Anteile, die ertragsteuerrechtlich zum Privatvermögen gehören, nicht ein.

a) Der Umfang des erbschaftsteuerrechtlich begünstigten Betriebsvermögens wird durch § 12 Abs. 5 ErbStG bestimmt (§ 13 Abs. 2a ErbStG a.F.). Danach sind für den Bestand des Betriebsvermögens die Verhältnisse zur Zeit der Entstehung der Steuer maßgebend; die Vorschriften u.a. der §§ 95 bis 99 des Bewertungsgesetzes (BewG) sind entsprechend anzuwenden (§ 12 Abs. 5 Satz 1, 2 ErbStG). Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BewG umfasst das Betriebsvermögen alle Teile eines Gewerbebetriebs i.S. des § 15 Abs. 1, 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören. Die im Streitfall übergegangenen GmbH-Anteile waren im Zeitpunkt des Entstehens der Steuer —dies ist gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Todestag der E— jedoch nicht Teil eines Gewerbebetriebs im einkommensteuerrechtlichen Sinne. Aus der Steuerverstrickung nach § 21 UmwStG folgt keine Zuordnung zum Betriebsvermögen in diesem Sinne. Denn § 21 UmwStG regelt nicht die Zuordnung der einbringungsgeborenen Anteile zum Privat- oder Betriebsvermögen (Blümich/Klingberg, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 21 UmwStG Rn. 2, Stand März 2002). Nach dem erbschaftsteuerrechtlichen Stichtagsprinzip kommt es auch nicht darauf an, dass E zu früheren Zeitpunkten Inhaberin eines auch erbschaftsteuerrechtlich zum Betriebsvermögen gehörenden Mitunternehmeranteils war.

b) Aus der gesetzlichen Systematik folgt nichts anderes.

Das Erbschaftsteuerrecht enthält jeweils gesonderte Regelungen für Anteile an Kapitalgesellschaften einerseits und Betriebsvermögen andererseits (vgl. für die im Streitfall maßgebende Rechtslage § 12 Abs. 1a ErbStG a.F. einerseits, § 12 Abs. 5 Satz 1, 2 ErbStG andererseits; nach heutigem Erbschaftsteuerrecht zusätzlich § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG einerseits, § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG andererseits). Bezogen auf Anteile an Kapitalgesellschaften differenziert die Bewertungsvorschrift des § 12 ErbStG im Ergebnis jedoch nicht danach, ob diese zum Betriebs- oder Privatvermögen gehören (vgl. § 12 Abs. 1a ErbStG a.F. einerseits und § 12 Abs. 5 Satz 3 ErbStG a.F. mit dem dort enthaltenen Verweis auf Abs. 1a andererseits). Auch nimmt das Erbschaftsteuerrecht innerhalb der zum Privatvermögen gehörenden Anteile keine Unterscheidung danach vor, ob die Anteile einkommensteuerrechtlich —etwa nach § 17 EStG, § 23 EStG oder § 21 UmwStG— steuerverhaftet sind.

Demgegenüber differenziert das Ertragsteuerrecht durchaus zwischen Anteilen in einem Betriebsvermögen einerseits und zum Privatvermögen gehörenden einbringungsgeborenen Anteilen andererseits. Laufende Einkünfte aus solchen Anteilen gehören im letztgenannten Fall nicht zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb, sondern zu denen aus Kapitalvermögen (, BFHE 153, 562, BStBl II 1988, 829), mit der Folge u.a. der Gewährung des Freibetrags nach § 20 Abs. 4 EStG. Vor allem aber unterliegen die Erträge im letztgenannten Fall —anders als bei der Zugehörigkeit zu einem Betriebsvermögen— nicht der Gewerbesteuer. Entgegen der Auffassung des Klägers können die Begriffe „Betriebsvermögen” und „Steuerverstrickung” daher nicht als weitgehend inhaltsgleich angesehen werden.

Auch aus § 13 Abs. 2a Satz 4 ErbStG a.F. folgt —entgegen der Auffassung der Revision— nicht, dass der Gesetzgeber einbringungsgeborene Anteile zum Betriebsvermögen zählt. Diese Regelung betrifft nur den Spezialfall der Veräußerung solcher einbringungsgeborenen Anteile, die zeitlich erst nach dem erbschaftsteuerbegünstigten Erwerbsvorgang „aus dem begünstigten Betriebsvermögen erworben” wurden. Der Gesetzgeber sieht —entsprechend der Regelung des § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG— lediglich davon ab, bereits den nachträglichen Einbringungsvorgang als solchen als schädlich für das Behaltendürfen der Privilegierung einzustufen.

c) Die Nichteinbeziehung einbringungsgeborener Anteile in die für Betriebsvermögen geltenden Begünstigungen entspricht auch der ganz überwiegenden Auffassung in der Literatur (vgl. Meincke, Erbschaftsteuergesetz, Kommentar, 14. Aufl. 2004, § 13a Rn. 20; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 13a Rn. 139, 234; Hübner in Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/Schuck, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2004, § 13a ErbStG Rn. 62; Moench/Weinmann, Erbschaft- und Schenkungsteuer, Kommentar, § 13a ErbStG Rn. 19, 41, Stand Juni 2004; Widmann/Mayer, Umwandlungssteuerrecht, § 21 UmwStG Rn. 605, Stand August 1997; a.A. Kapp/Ebeling, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 13 Rn. 187, Stand April 2002).

2. Die vom Kläger begehrte Privilegierung einbringungsgeborener Anteile war im Streitjahr auch verfassungsrechtlich nicht geboten.

Der Kläger kann sich für seine gegenteilige Auffassung nicht auf den sog. Erbschaftsteuer- (BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671) berufen, weil die Steuer vorliegend im Jahr 1994 entstanden ist und das BVerfG die Weitergeltung des bisherigen Erbschaftsteuerrechts jedenfalls bis zum angeordnet hat (BVerfG, a.a.O., unter C.II.3.). Damit hat das BVerfG die nach damaliger Rechtslage bestehenden Bewertungsunterschiede zwischen den einzelnen Vermögensarten —um die es auch im Streitfall geht— für die Vergangenheit hingenommen (ablehnend zur Anwendung der im Erbschaftsteuer-Beschluss enthaltenen Erkenntnisse auf die Vergangenheit auch , BVerfGE 97, 1 unter B.I.2.b).

Gleiches gilt für die vom Kläger begehrte Begrenzung der von ihm zu tragenden Gesamtsteuerlast in Anwendung eines Halbteilungsgrundsatzes. Denn auch die bis zum Ende des Jahres 1996 erstreckte Weitergeltungsanordnung in der Vermögensteuer-Entscheidung (, BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655 unter C.III.3.) ist nicht nur ungeachtet des festgestellten Verstoßes gegen den Gleichheitssatz infolge der unterschiedlichen Bewertungsmaßstäbe ergangen, sondern auch ungeachtet dessen, dass diese Regelungen den aufgestellten Belastungsobergrenzen (noch) keine Rechnung tragen (vgl. , BFH/NV 2004, 237, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Schließlich verstößt die fehlende Einbeziehung einbringungsgeborener Anteile in die für den Übergang von Betriebsvermögen geltenden Begünstigungen weder gegen einen in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) enthaltenen Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung noch gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Grundsatz der Systemkonsequenz.

Weder der Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, der vom BVerfG bislang nur für die föderale Kompetenzordnung zur Anwendung gebracht worden ist (vgl. das vom Kläger herangezogene , BVerfGE 98, 106 unter C.I.2.c) noch der der Systemkonsequenz können zu einer Pflicht des Gesetzgebers führen, die Rechtsfolgen einer als Ausnahmevorschrift anzusehenden Norm auch auf einen anderen Sachbereich zu erstrecken und damit zugleich die diesem Sachbereich innewohnenden systematischen Grundsätze zu durchbrechen und neue Normwidersprüche zu erzeugen.

Fundstelle(n):
BStBl 2005 II Seite 360
BB 2005 S. 1263 Nr. 23
BB 2005 S. 818 Nr. 15
BFH/NV 2005 S. 785 Nr. 5
BStBl II 2005 S. 360 Nr. 9
DB 2005 S. 983 Nr. 18
DStRE 2005 S. 510 Nr. 9
FR 2005 S. 659 Nr. 12
INF 2005 S. 408 Nr. 11
KÖSDI 2005 S. 14630 Nr. 5
StB 2005 S. 169 Nr. 5
BAAAB-50841