BFH Beschluss v. - X B 156/04

Anforderungen an die schlüssige Darlegung von Verfahrensmängeln

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht.

1. Die Rüge des Klägers, das Finanzgericht (FG) habe es sowohl im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat verfahrensfehlerhaft unterlassen, einen Dolmetscher hinzuzuziehen, so dass er —der Kläger— als der deutschen Sprache „kaum mächtiger” Ausländer seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des GrundgesetzesGG—, § 96 Abs. 2 und § 119 Nr. 3 FGO) sowie auf ein rechtsstaatliches, faires Gerichtsverfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) nicht in der gebotenen Weise habe wahrnehmen können, ist nicht schlüssig.

a) Gemäß § 185 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) i.V.m. § 52 Abs. 1 FGO hat das Gericht einen Dolmetscher hinzuzuziehen, wenn unter Beteiligung von Personen verhandelt wird, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. § 185 Abs. 1 GVG trägt dem aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Verfassungsgrundsatz des „fairen Verfahrens” Rechnung (vgl. , BVerfGE 64, 135, unter C. vor I.2.; vgl. ferner auch Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts —BVerwG— vom 9 B 1610/81, juris WBRE116058303, Leitsätze veröffentlicht in: Die öffentliche Verwaltung —DÖV— 1983, 949, und vom 9 CB 20/87, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1988, 722, 723, sowie Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts —BAG— vom 2 AZR 153/90, nicht amtlich veröffentlicht, juris KARE372530737, wonach es sich bei der in Rede stehenden Norm allerdings um eine spezielle Form der Gewährung des durch Art. 103 Abs. 1 GG garantierten rechtlichen Gehörs handele; Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 52 FGO Rz. 75 und 77, m.w.N.).

b) Der Senat kann offen lassen, ob es im Streitfall geboten war, einen Dolmetscher zu den mündlichen FG-Verhandlungen hinzuzuziehen.

Zweifel an einer solchen Notwendigkeit bestehen im Streitfall deswegen, weil es im Protokoll zum Erörterungstermin vom zwar einerseits heißt, im Anschluss an den Vortrag des wesentlichen Inhalts der Akten durch den Berichterstatter des FG-Verfahrens sei festgestellt worden, „dass der Kläger den Sachvortrag nicht verstanden (habe), weil er insofern der deutschen Sprache nicht mächtig (sei)”, andererseits aber anschließend vermerkt wurde, dass während der Darlegungen des Betriebsprüfers zu den von diesem vorgenommenen Einzelkalkulationen „der Kläger der Verhandlung folgen und auch dazu Stellung nehmen (konnte)”. Ferner heißt es dort, dass der Kläger gebeten worden sei, sofort anzuzeigen, falls er etwas nicht verstanden habe. Der Kläger habe jedoch „auf Nachfrage (erklärt), dass er der Verhandlung durchaus folgen könne”.

Für die Richtigkeit dieser Bekundung des Klägers spricht im Übrigen, dass er ausweislich des Protokolls über den Erörterungstermin im Anschluss an diese Erklärung mehrfach zu den Erläuterungen des Betriebsprüfers Stellung nahm und Einwendungen gegen die vom Prüfer veranschlagten „Parier"- und Schankverluste sowie Rohgewinnaufschlagsätze erhob.

Dieser Befund spricht gegen die Pflicht des FG, einen Dolmetscher beizuziehen, zumal es nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung der Mitwirkung eines Dolmetschers in der mündlichen Verhandlung dann nicht bedarf, wenn ein Beteiligter die deutsche Sprache zwar nicht beherrscht, sie aber in einer die Verständigung mit ihm ermöglichenden Weise spricht und versteht (vgl. , NJW 1990, 3102; vgl. ferner auch , BFH/NV 2000, 983). Es kommt hinzu, dass der Kläger sowohl im Erörterungstermin vom als auch in der mündlichen Verhandlung vom durch seinen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt R, vertreten wurde und sich im Erörterungstermin zusätzlich des Beistandes einer weiteren Person (Herrn S) bediente.

c) Der Senat kann des Weiteren dahinstehen lassen, ob § 185 GVG die Hinzuziehung eines Dolmetschers auch dann gebietet, wenn ein sprachunkundiger Beteiligter durch einen sprachgewandten (Prozess-)Bevollmächtigten vertreten worden ist (dies verneinend z.B. Waldner, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, 1989, Rz. 138).

d) Jedenfalls ist diese Rüge schon deswegen unschlüssig, weil der Kläger nicht —was geboten gewesen wäre— vorgetragen hat, dass er den Mangel der unterlassenen Zuziehung eines Dolmetschers im Termin zur Erörterung der Streitsache vom und in der mündlichen Verhandlung vom , obwohl er in beiden Verhandlungen fachkundig vertreten war, gerügt habe oder aus welchen Gründen er an einer solchen Rüge gehindert gewesen sei (zur zutreffenden Qualifikation der zu Unrecht unterlassenen Hinzuziehung eines Dolmetschers als „verzichtbarer Mangel” i.S. von § 155 FGO i.V.m. § 295 der ZivilprozessordnungZPO— vgl. z.B. BVerwG-Beschlüsse in DÖV 1983, 949, juris WBRE116058303, und in NJW 1988, 722, 723; BAG in juris KARE372530737, unter B.II.1.a, m.w.N.; BFH-Beschluss in BFH/NV 2000, 983; Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 52 FGO Rz. 79, m.w.N.; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 52 FGO Rz. 28, m.w.N.).

Auch aus den beiden Sitzungsniederschriften ergibt sich eine entsprechende Rüge des fachkundig vertretenen Klägers nicht.

2. Ebenso wenig substantiiert erhoben hat der Kläger seine Rügen, das FG habe seine im Schriftsatz vom gestellten Beweisanträge, gerichtet auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens, übergangen und damit seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt.

Da es sich auch bei diesem (vermeintlichen) Verfahrensfehler um einen „verzichtbaren Mangel” i.S. des § 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO handelt, hätte der Kläger vortragen müssen, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der (nächsten) mündlichen Verhandlung gerügt worden sei (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 120 Rz. 69, letzter Spiegelstrich, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).

Weder dem Vortrag des Klägers noch dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vom lässt sich entnehmen, dass dies geschehen ist.

3. Schließlich kann auch die Rüge des Klägers keinen Erfolg haben, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht auch deshalb verletzt, weil es unter Berücksichtigung des klägerischen Schriftsatzes vom den Sachverhalt von Amts wegen habe weiter erforschen müssen. Zu den Fragen der „Parier"- und Schankverluste hätten —so der Kläger— ohne weiteres auch seine Mitarbeiter oder seine Lieferanten als Zeugen vernommen werden können.

In diesem Zusammenhang muss sich der im Verfahren vor dem FG fachkundig vertretene Kläger zunächst fragen lassen, warum er nicht von sich aus entsprechende Beweisanträge gestellt hat (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom VIII B 66/98, BFH/NV 1999, 798; vom VIII B 56/98, BFH/NV 1999, 804; vom VIII B 47/99, BFH/NV 2000, 329; Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozess, 1986, Rz. 228, m.w.N.). Darüber hinaus fehlt es aber auch an hinreichend substantiierten Darlegungen darüber, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung bzw. Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern eine weitere Sachaufklärung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. zu diesem Erfordernis z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 70, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 907 Nr. 6
NAAAB-50824