Voraussetzung einer erfolgreichen NZB wegen Schätzungsbescheid gegen Kleinunternehmer
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2; UStG § 19; AO § 162
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hatte für das Streitjahr 1995 keine Umsatzsteuererklärung abgegeben. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) setzte deshalb gegen ihn die Umsatzsteuer im Schätzungswege fest; die Festsetzung stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Mit Bescheid vom wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.
Den im März 2000 eingelegten Einspruch gegen die Steuerfestsetzung wies das FA als verspätet zurück.
Die anschließende Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, dass der Bescheid vom wirksam bekannt gegeben worden sei. Er habe dem Kläger persönlich bekannt gegeben werden dürfen, da eine Bekanntgabevollmacht lediglich für ein Verfahren wegen Umsatzsteuer 1993 bestanden habe. Der Bescheid sei auch nicht nichtig; der Schätzungsrahmen sei offensichtlich nicht verlassen worden; da der Kläger in seiner Umsatzsteuererklärung für 1994 Vorsteuerbeträge in Abzug gebracht habe, sei es für das FA naheliegend gewesen, dass er auf die Nichterhebung der Steuer nach § 19 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1993) habe verzichten wollen. Das FG ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Beschwerde, die er auf sämtliche Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stützt.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
Die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO kommt lediglich wegen einer Rechtsfrage in Betracht, die klärungsbedürftig und im Revisionsverfahren klärbar ist. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich die Antwort auf die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist.
„Grundsätzliche Bedeutung” i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt einer Rechtssache zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, d.h. wenn die Beantwortung der Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt (vgl. z.B. , BFHE 188, 372, BStBl II 2000, 254).
Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
2. Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob seine Umsätze geschätzt werden durften, ist keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, warum die Voraussetzungen des § 162 der Abgabenordnung (AO 1977) für eine Schätzung von Umsätzen nicht erfüllt sein sollen, nachdem selbst aus der Beschwerdebegründung nicht klar wird, ob der Kläger behauptet, im Streitjahr überhaupt keine Umsätze getätigt zu haben, oder ob er lediglich behauptet, die Umsatzgrenzen des § 19 UStG 1993 nicht überschritten zu haben.
3. Die Rechtssache ist auch nicht deshalb von grundsätzlicher Bedeutung, weil die Vorentscheidung nicht weiter darauf eingeht, ob der Kläger auf die Nichterhebung der Umsatzsteuer nach § 19 UStG 1993 verzichtet hat. Das FG hat dem keine entscheidende Bedeutung beigemessen, da es der Auffassung war, dass unter Berücksichtigung der Steuererklärung des Klägers für 1994 auch bei einer Verletzung des § 19 UStG 1993 der angefochtene Steuerbescheid jedenfalls im Streitfall nicht nichtig sei. Eine im Interesse der Allgemeinheit zu klärende Rechtsfrage liegt demnach nicht vor; jedenfalls ist sie in der Beschwerdebegründung nicht ordnungsgemäß dargelegt.
4. Grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache auch nicht dadurch zu, dass nach Ansicht des Klägers keine Notwendigkeit bestand, „im Oktober 1998 die Vorbehaltsaufhebung zu verfügen”. Eine Zulassung der Revision kommt lediglich wegen eines Fehlers der Vorentscheidung in Betracht. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, inwiefern die Vorentscheidung wegen der vom Kläger beanstandeten Vorbehaltsaufhebung durch das FA fehlerhaft sein könnte und insofern ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO in Betracht kommt.
5. Eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO kommt zwar auch bei einer Abweichung der Vorentscheidung von einer anderen Entscheidung eines FG in Betracht, wenn beide Entscheidungen auf abweichenden Rechtssätzen beruhen. Nach dem vom Kläger zitierten (Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2004, 86) führen Depotauszüge nicht zur Zurechnung des Kapitalvermögens auf eine bestimmte Person, wenn sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen lässt, wem das in den beim Grenzübertritt aus Luxemburg aufgefundenen Depotauszügen bezeichnete Kapitalvermögen zusteht. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, inwiefern diese Entscheidung und die Vorentscheidung auf abweichenden Rechtssätzen beruhen sollen.
6. Schließlich hat auch die Rüge, das FG habe insbesondere wegen der unterlassenen Beiziehung der FG-Akte wegen Umsatzsteuer 1994 seiner Sachaufklärungspflicht nicht genügt, keinen Erfolg.
Wird die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision darauf gestützt, dass das FG seine Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt habe, bedarf es einer Darstellung der Tatsachen, die den gerügten Verfahrensmangel schlüssig ergeben. Außerdem muss dargelegt werden, inwiefern das angefochtene Urteil auf dem Verfahrensmangel beruht, es also ohne den Verfahrensmangel möglicherweise anders ausgefallen wäre. Da die Beteiligten auf eine § 76 Abs. 1 FGO genügende Sachaufklärung verzichten können, muss der Beschwerdeführer zudem darlegen, dass er die seiner Ansicht nach unzulängliche Sachaufklärung vor dem FG gerügt hat oder dass ihm eine solche Rüge nicht möglich war (, BFH/NV 2003, 805).
Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, warum der —anwaltlich vertretene— Kläger nicht bereits in der mündlichen Verhandlung die von ihm vermisste Sachaufklärung gerügt hat oder warum ihm eine solche Rüge unmöglich war. Außerdem fehlt die Darlegung, inwiefern die Vorentscheidung ohne den behaupteten Verfahrensmangel möglicherweise anders ausgefallen wäre.
Fundstelle(n):
BAAAB-44202