Auslegung einer Niederschlagungs-Mitteilung; Bindungswirkung einer finanzbehördlichen Auskunft
Instanzenzug:
Gründe
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurde vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) mit Haftungsbescheid für rückständige Steuerschulden einer inzwischen wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöschten GmbH gemäß §§ 69, 71 und 34 der Abgabenordnung (AO 1977) als Haftungsschuldner in Anspruch genommen. Auf den Einspruch des Klägers beschränkte das FA die Haftung auf den Haftungstatbestand des § 71 AO 1977 und sah von der Inanspruchnahme für verwirkte Säumniszuschläge ab. Mit der daraufhin erhobenen Klage vor dem Finanzgericht (FG) machte der Kläger im Wesentlichen geltend, seine haftungsrechtliche Inanspruchnahme verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, da die Veranlagungssachbearbeiterin Frau G (G) im Auftrag der Sachgebietsleiterin Frau D (D) in einem mit zwei Mitarbeitern der mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragten Steuerberaterkanzlei geführten Telefonat versichert habe, dass mit einer weiteren Inanspruchnahme des Klägers angesichts der zwischenzeitlich behördeninternen Niederschlagung der Unternehmenssteuern im Hinblick auf die Vermögenslosigkeit des Klägers nicht gerechnet werden müsse. Auch vertrat der Kläger die Rechtsansicht, dass mit der Niederschlagung der Steuerschulden zugleich ein konkludenter Erlass verbunden gewesen sei. In der mündlichen Verhandlung hat das FG durch Vernehmung des Steuerberaters F sowie der Finanzbeamtinnen G und D Beweis zu der Frage erhoben, ob zwischen dem FA und der GmbH oder dem Kläger besondere Vereinbarungen zu Stande gekommen sind.
Die Abweisung der Klage hat das FG insbesondere damit begründet, dass der Kläger den Haftungstatbestand des § 71 AO 1977 erfüllt habe und dass die streitgegenständlichen Primärschulden der GmbH auch nicht erlassen worden seien. Weder die GmbH noch der Kläger hätten bei objektiver Betrachtungsweise der amtsinternen Niederschlagung aus dem Jahr 1995 die Wirkung eines konkludenten Schuldenerlasses beimessen können. Denn im Zeitpunkt der amtsinternen Niederschlagung, die dem Kläger spätestens im Jahr 2001 mündlich mitgeteilt worden sei, hätte das FA längst einen Haftungsbescheid über den vollen Steuerbetrag bekannt gegeben, gegen den sich der Kläger mit umfangreichen Schriftsätzen zur Wehr gesetzt habe. Demgegenüber sei der klägerische Vortrag nicht als erwiesen anzusehen, da die Zeuginnen G und D in den entscheidenden Punkten gegenteilige Tatsachenvorträge zum Geschehensablauf bekundet hätten. Schließlich sei eine telefonische Auskunft des FA nur dann verbindlich, wenn sie ein Sachgebietsleiter oder der Vorsteher des FA abgegeben habe. Dies sei im Streitfall jedoch nicht der Fall gewesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im erstinstanzlichen Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, die er auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) sowie auf Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) stützt. Zur Begründung verweist der Kläger auf den (BFH/NV 1999, 285), in dem der BFH ausgeführt hat, dass es eine auf den Einzelfall bezogene Frage der Auslegung sei, ob die einem Steuerpflichtigen mitgeteilte „Niederschlagung” Rechtswirkungen entfalte oder lediglich als intern gebliebene Verfügung zu verstehen sei. In diesem Zusammenhang hält der Kläger eine die Auslegungsmaßstäbe konkretisierende Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts und im Interesse einer größeren Rechtssicherheit für geboten.
Darüber hinaus rügt der Kläger die Verletzung der dem FG obliegenden Amtsermittlungspflicht (§ 76 FGO). Da das FG seine Entscheidung darauf gestützt habe, dass das FA im Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Niederschlagung gegenüber dem Kläger längst einen Haftungsbescheid bekannt gegeben habe, hätte das FG durch Zeugenvernehmung Beweis über den genauen Zeitpunkt erheben müssen, zu dem die Kenntniserlangung von der Niederschlagung erfolgt sei. Auch habe das FG unter Verstoß gegen § 96 Abs. 1 FGO die Aussage der Zeugin G nicht vollständig gewürdigt. Diese habe ausweislich des Verhandlungsprotokolls bekundet, sich nicht mehr erinnern zu können, ob man über die Niederschlagung gesprochen habe. Diese Aussage könne nur dahin interpretiert werden, dass die vom Kläger behauptete Absprache auch tatsächlich getroffen worden sei.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zum einen kommt der vom Kläger aufgeworfenen Frage keine grundsätzliche Bedeutung zu, zum anderen können auch die gerügten Verfahrensmängel nicht zur Zulassung der Revision führen.
1. Für die nach § 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO zu fordernde Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist darüber hinaus ein konkreter und substantiierter Vortrag aus dem ersichtlich wird, warum im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232, und vom VII B 203/02, BFH/NV 2003, 527, m.w.N.).
Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht. In seinem Beschluss in BFH/NV 1999, 285 hat der BFH bereits darauf hingewiesen, dass die an den Steuerpflichtigen gerichtete Mitteilung einer „Niederschlagung” eine Erklärung darstellt, die hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen der Auslegung bedarf. Eine solche Auslegung ist jedoch unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls —insbesondere anhand des Wortlauts der abgegebenen Erklärungen— vorzunehmen, so dass die vom Kläger aufgeworfene Frage einer abstrakten und allgemeingültigen Klärung nicht fähig ist. Unter diesem Gesichtspunkt kann nicht angenommen werden, dass die angestrebte Revisionsentscheidung zu der vom Kläger angeregten Konkretisierung von Auslegungsmaßstäben führen wird.
2. Soweit der Kläger hinsichtlich des Zeitpunktes der Kenntniserlangung von der Niederschlagung der Steuerschulden der GmbH eine unvollständige Ermittlung des Sachverhalts rügt, ist diese Verfahrensrüge nicht schlüssig erhoben. Denn aus der Sicht des FG kam es auf diese Feststellung nicht an. Ausweislich der Urteilsbegründung hat das FG die amtsinterne Niederschlagung —unabhängig von ihrer Bekanntgabe gegenüber dem Kläger— nicht als Erlass gewertet. Dies ergibt sich aus der Formulierung „Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Tatsache der Niederschlagung der GmbH, vertreten durch den Kläger als deren Liquidator, spätestens im Jahr 2001 mündlich mitgeteilt worden ist”. Hinsichtlich eines etwa zu gewährenden Vertrauensschutzes hat das FG insbesondere auf die im März 2001 mit Vertretern des FA geführten Gespräche abgestellt und darauf verwiesen, dass das FA in dem Zeitpunkt, in dem die Niederschlagung bekannt wurde —also spätestens im Jahr 2001—, längst einen Haftungsbescheid über den vollen Steuerbetrag bekannt gegeben habe. Ohne seinen Vortrag näher zu konkretisieren, stellt der Kläger lediglich die Behauptung auf, dass sich dem FG das Erfordernis einer Beweiserhebung über den genauen Zeitpunkt der Kenntniserlangung auch ohne besonderen Antrag hätte aufdrängen müssen. Dies wird jedoch den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht gerecht.
3. Mit dem Vortrag, das FG habe bei der Beweiswürdigung für die Entscheidung wesentliche Bestandteile der Aussage der Zeugin G nicht berücksichtigt, wird ein Verfahrensmangel nicht schlüssig dargelegt. Vielmehr rügt der Kläger Fehler in der Beweiswürdigung. Die Grundsätze der Tatsachen- und Beweiswürdigung sind jedoch dem materiellen Recht und nicht dem Verfahrensrecht zuzuordnen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rdnr. 82). Im Übrigen würde das Urteil auch nicht auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen, denn das FG hat eine zusätzliche Begründung herangezogen und darauf hingewiesen, dass der Auskunft der Veranlagungssachbearbeiterin keine Bindungswirkung zukommen könne. Nach der Rechtsprechung des BFH kann eine Bindungswirkung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nur dann angenommen werden, wenn die Zusicherung der für die spätere Entscheidung im Verwaltungsverfahren zuständige Beamte oder der Vorsteher der Finanzbehörde abgegeben hat; wobei als der zuständige Beamte nicht der Sachbearbeiter, sondern der abschließend Zeichnungsberechtigte, also in der Regel der Sachgebietsleiter anzusehen ist (vgl. , BFH/NV 1998, 808). Auf diese, das erstinstanzliche Urteil tragende Erwägung, ist der Kläger in seiner Beschwerde nicht eingegangen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 663
BFH/NV 2005 S. 663 Nr. 5
VAAAB-43955