BFH Beschluss v. - X B 56/04

Berechtigtes Interesse als Voraussetzung für die Zulässigkeit bei der Fortsetzungsfeststellungsklage und bei der allgemeinen Feststellungsklage

Gesetze: FGO § 100 Abs. 1 Satz 4

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) hatte mit seinem an das Finanzgericht (FG) gerichteten und dort vor der mündlichen Verhandlung am selben Tag eingegangenen Telefax vom angekündigt, den angefochtenen Gewerbesteuermessbescheid 1990 (ersatzlos) aufzuheben, was einige Tage später auch geschah, und gleichzeitig den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) beantragte in der mündlichen Verhandlung vor dem FG festzustellen, dass der angefochtene Gewerbesteuermessbescheid 1990 nichtig sei. Nur hilfsweise —für den Fall, dass diesem Feststellungsantrag nicht entsprochen werde— erklärte er die Hauptsache ebenfalls für erledigt.

Das FG wertete den Hauptantrag des Klägers als Fortsetzungsfeststellungsklage i.S. von § 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und wies diesen Antrag mangels Vorliegens eines berechtigten Interesses des Klägers an der begehrten Feststellung der Nichtigkeit des angegriffenen Bescheids als unzulässig ab. Es führte im Wesentlichen aus:

Da der Rechtsstreit infolge der vom FA erklärten verbindlichen Zusage, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, in der Hauptsache erledigt sei, habe der Kläger zwar gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO zur Fortsetzungsfeststellungsklage übergehen können. Diese Klage sei aber unzulässig, weil der Kläger kein berechtigtes Interesse an der von ihm begehrten Feststellung habe.

Für ein solches berechtigtes Interesse genüge zwar jedes konkrete und vernünftigerweise anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, sofern die begehrte Feststellung geeignet sei, in einem der genannten Bereiche zu einer Verbesserung der Position des Klägers zu führen (vgl. , BFH/NV 1999, 423). Ein berechtigtes Interesse in diesem Sinne habe der Kläger jedoch nicht substantiiert dargelegt.

Mit der dagegen erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger geltend, dass das FG den Feststellungsantrag zu Unrecht mangels Bestehens eines Feststellungsinteresses als unzulässig abgewiesen habe. Das FG habe den von ihm (Kläger) gestellten Feststellungsantrag fehlerhaft als Fortsetzungsfeststellungsklage i.S. von § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO gewertet. Vielmehr habe es sich um eine auf Feststellung der Nichtigkeit des angegriffenen Messbescheids gerichtete Feststellungsklage i.S. von § 41 Abs. 1 FGO gehandelt. Tatsächlich sei nämlich der Rechtsstreit im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen FG-Urteils noch nicht erledigt gewesen. Denn das FA habe in seinem Schreiben vom lediglich erklärt, dass es den angegriffenen Messbescheid aufheben „wird”. Diese Erklärung habe entgegen der Auffassung des FG keinen verbindlichen Charakter gehabt. Das FG hätte folglich die Voraussetzungen einer allgemeinen Feststellungsklage ohne erledigendes Ereignis prüfen müssen, was nicht geschehen sei. Für eine solche allgemeine Feststellungsklage habe entgegen der vom FG vertretenen Ansicht ein Feststellungsinteresse bestanden. Der Kläger habe das FA im vorprozessualen Rechtsverkehr sowie im Prozess wiederholt und vehement darauf hingewiesen, dass der angefochtene Bescheid keine Rechtsgrundlage habe. Dennoch habe das FA „an seiner falschen Rechtsauffassung festgehalten und den Kläger dadurch über einen nahezu zehnjährigen Verfahrenszeitraum zeitlich gebunden und materiell belastet. Er (habe) ein schutzwürdiges Rehabilitierungsinteresse, dem durch die angekündigte Rücknahme des Verwaltungsakts nicht Genüge getan (sei). Der Kläger (werde) um die Früchte seines Prozesses gebracht”.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Mit seiner Rüge, das FG habe seinen auf Feststellung der Nichtigkeit des angefochtenen Gewerbesteuermessbescheids gerichteten Hauptantrag zu Unrecht wegen fehlenden Feststellungsinteresses als unzulässig abgewiesen, hat der Kläger (konkludent) einen Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend gemacht (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rdnr. 80, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).

2. Der gerügte Verfahrenmangel liegt indessen nicht vor, weil das FG zutreffend entschieden hat, dass der Kläger, nachdem sich das FA mit Schriftsatz an das zur (ersatzlosen) Aufhebung des angegriffenen Gewerbesteuermessbescheids bereit erklärt hatte, ein Feststellungsinteresse an der Aufrechterhaltung seiner Nichtigkeitsfeststellungsklage nicht mehr besaß.

a) Dabei kann der angerufene Senat offen lassen, ob es sich bei dem vom Kläger gestellten Hauptantrag —wie das FG angenommen hat— um eine Fortsetzungsfeststellungsklage i.S. von § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO oder —wie der Kläger meint— um eine (allgemeine) Feststellungsklage i.S. von § 41 Abs. 1 FGO handelte. Denn in beiden Fällen setzte die Zulässigkeit des (Feststellungs-)Klageantrages gleichermaßen voraus, dass der Kläger „ein berechtigtes Interesse” an der Feststellung besaß (zu § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO vgl. z.B. Gräber/von Groll, a.a.O., § 100 Rdnr. 60 ff.; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 100 FGO Rdnr. 54 ff.; Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 100 FGO Rdnr. 172 ff.; zu § 41 Abs. 1 FGO vgl. Gräber/ von Groll, a.a.O., § 41 Rdnr. 29 f.; Tipke/Kruse, a.a.O., § 41 FGO Rdnr. 8 ff.; Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 41 FGO Rdnr. 230 ff.).

b) Ein solches Feststellungsinteresse des Klägers hat das FG im Rahmen der von ihm für einschlägig gehaltenen Fortfestsetzungsfeststellungsklage i.S. von § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO mit ausführlichen und zutreffenden Gründen verneint. Es wäre mit denselben Erwägungen auch dann zu verneinen, wenn es sich bei dem Hauptantrag des Klägers um eine allgemeine Feststellungsklage i.S. von § 41 Abs. 1 FGO handelte, welche sogar —insoweit noch enger als § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO— ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung verlangt (vgl. auch Gräber/von Groll, a.a.O., § 100 Rdnr. 60).

Der Senat vermag nicht zu erkennen, woraus sich das vom Kläger in seiner Beschwerdebegründung ohne nähere Substantiierung behauptete schutzwürdige Rehabilitierungsinteresse ergeben soll. Das FG hat hierzu zutreffend ausgeführt, dass unter dem Aspekt des schutzwürdigen Rehabilitationsinteresses ein berechtigtes Feststellungsinteresse vorliegen könne, „wenn der Inhalt des (angegriffenen und nunmehr erledigten) Verwaltungsaktes diskriminierende Wirkung (gehabt habe)”. Dies habe die Rechtsprechung z.B. in Fällen angenommen, in denen der Verwaltungsakt den Vorwurf der Steuerhinterziehung enthalten habe. Ein derartiges oder ein vergleichbares Interesse habe der Kläger nicht geltend machen können. Er habe insbesondere nicht vorgetragen, dass der angefochtene Gewerbesteuermessbescheid einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Klägers dargestellt habe.

Ergänzend weist der beschließende Senat darauf hin, dass allein die Dauer des außergerichtlichen und gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens entgegen der Ansicht des Klägers ein solches Rehabilitationsinteresse grundsätzlich und auch im Streitfall nicht zu begründen vermag.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 714
IAAAB-43485