Steuerliche Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses zwischen getrennt lebenden Ehegatten bei Verzicht auf die Arbeitsleistung aus privaten Gründen
Gesetze: EStG § 4 Abs. 4, § 12; AO § 12
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielt Einkünfte aus einem gewerblichen Einzelunternehmen. Seine zwischenzeitlich von ihm geschiedene Ehefrau, die Beigeladene (B), war seit 1969 als Angestellte in seinem Betrieb nichtselbständig tätig. Seit 1990 lebte B vom Kläger getrennt. Bei einer Außenprüfung stellte der Prüfer fest, dass B im Prüfungszeitraum 1994 bis 1996 tatsächlich nicht für den Kläger tätig war. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erkannte daraufhin in den geänderten Einkommen- und Gewerbesteuermessbescheiden 1994 bis 1996 vom das Arbeitsverhältnis des Klägers mit B nicht mehr an und versagte den Abzug der vereinbarungsgemäß geleisteten Gehaltszahlungen als Betriebsausgaben. Zudem machte das FA im geänderten Einkommensteuerbescheid 1992 einen Verlustrücktrag aus 1994 rückgängig und hob die Feststellungen der vortragsfähigen Gewerbeverluste zum und auf. Der Kläger legte gegen die Bescheide Einspruch ein.
Aufgrund des Ergebnisses der Außenprüfung hatte der Kläger zwischenzeitlich mit Schreiben vom B mitgeteilt, dass er das Arbeitsverhältnis als beendet ansehe und keine weiteren Zahlungen mehr leisten werde. Das daraufhin von B angerufene Arbeitsgericht kam zu dem Ergebnis, das Arbeitsverhältnis der B sei nicht aufgelöst worden. Das Landesarbeitsgericht vertrat im Berufungsverfahren ebenfalls die Auffassung, das Arbeitsverhältnis der B bestehe über den hinaus fort. Es stellte u.a. Folgendes fest: B war seit 1992 unter Fortzahlung ihres Gehalts von der Arbeit freigestellt. Der Kläger hatte eine am ausgesprochene Kündigung mit Schreiben vom für gegenstandslos erklärt.
Das Einspruchsverfahren des Klägers war erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es machte von § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gebrauch und führte im Wesentlichen aus: Es folge der vom FA geäußerten Auffassung, der Maßstab der Fremdüblichkeit könne nicht auf arbeitsrechtliche Wirksamkeit reduziert werden. Auch der Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung zeige, dass das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses auf familiären bzw. familienrechtlichen Erwägungen beruhe. So ergebe dieser Vortrag, dass familiäre Probleme seit den 90er Jahren beständen; die Forderungen der B für eine Trennung seien dem Kläger zu hoch; eine güterrechtliche Trennung sei schwierig. Dies seien Probleme, die in der privat-familiären Vermögenssphäre lägen.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er trägt u.a. vor: Aufgrund der besonderen Umstände halte das Arbeitsverhältnis einem Fremdvergleich stand. Getrennt lebende Ehegatten, die sich noch zivilrechtlich bekämpften, ständen untereinander fremden Dritten gleich. Die für ein „reines Ehegattenarbeitsverhältnis” geltenden Kriterien seien nicht anzuwenden. Im Übrigen bestehe die Besonderheit, dass das nach Auffassung des FA und des FG einem Fremdvergleich nicht standhaltende Arbeitsverhältnis arbeitsgerichtlich ausdrücklich bestätigt worden sei.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Gehaltszahlungen an B als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet. Die streitigen Gehaltszahlungen sind nicht gemäß § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Betriebsausgaben zum Abzug zuzulassen.
1. Verträge unter nahen Angehörigen sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) steuerrechtlich nur zu berücksichtigen, wenn sichergestellt ist, dass sie betrieblich veranlasste Rechtsbeziehungen und nicht private Unterhaltsleistungen regeln. Dies trifft insbesondere auch auf Ehegatten-Arbeitsverhältnisse zu. Da Vermögensverschiebungen zwischen Ehegatten ihre Ursache nicht selten in den familiären Beziehungen der ehelichen Lebensgemeinschaft haben, muss anhand äußerlich erkennbarer Merkmale beurteilt werden, ob eine Vermögensverschiebung der privaten oder der betrieblichen Sphäre angehört. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die Vertragsbeziehungen nicht im privaten Bereich (§ 12 Nrn. 1, 2 EStG) wurzeln (vgl. BFH-Entscheidungen vom VIII R 69/98, BFHE 197, 475, BStBl II 2002, 353; vom X R 14/99, BFH/NV 2003, 1547; vom IV R 15/98, BFH/NV 1999, 919).
Äußerlich erkennbare Beweisanzeichen für eine betriebliche Veranlassung sind ein bürgerlich-rechtlich wirksamer, ernstlicher, im Voraus geschlossener Vertrag und seine vertragsgemäße Durchführung. Entsprechen sowohl der Inhalt des Vertrags als auch seine Durchführung dem unter Fremden Üblichen, ist er steuerrechtlich anzuerkennen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 197, 475, BStBl II 2002, 353, m.w.N.). Die Prüfung anhand dieser Kriterien verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes —GG— (Bundesverfassungsgericht —BVerfG—, Beschlüsse vom 2 BvR 47/90, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 1992, 426; vom 2 BvR 802/90, BStBl II 1996, 34; vom 2 BvR 483/00, HFR 2003, 171).
Der Kläger und B waren in den Streitjahren getrennt lebende Ehegatten. Es kann dahinstehen, ob die Grundsätze über Verträge zwischen nahen Angehörigen auch bei getrennt lebenden Eheleuten, die steuerrechtlich Angehörige i.S. des § 15 der Abgabenordnung (AO 1977) sind, uneingeschränkt anzuwenden sind. Sie kommen jedenfalls dann zur Anwendung, wenn Anhaltspunkte für das Fehlen gegenläufiger Interessen zwischen den (getrennt lebenden) Eheleuten vorliegen (vgl. dazu Senatsentscheidung vom X R 163/94, BFH/NV 1999, 24; auch , BFH/NV 2003, 617). Es ist denkbar, dass getrennt Lebende bzw. Geschiedene aufgrund einer bestimmten Interessenlage, in der sie übereinstimmend eine zutreffende Zuordnung zum wirklichen Rechtsgrund nicht für erforderlich halten, ihre Vertragsverhältnisse zu Lasten des Steuergläubigers gestalten. Das ist etwa der Fall, wenn durch sog. Arbeitslohn verdeckter Unterhalt an den Ehepartner geleistet wird (, Entscheidungen der Finanzgerichte 2002, 246; vgl. auch Senatsentscheidung vom X S 7/94, BFH/NV 1995, 782 betr. Anmietung eines Grundstücks nach Scheidung).
2. Das Urteil des FG entspricht diesen Grundsätzen. Seine Tatsachenwürdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (§ 118 Abs. 2 FGO). Es hat zu Recht die Zahlungen des Klägers an B in den Streitjahren als privat veranlasst gewürdigt. Angesichts der Tatsache, dass B ihrer Arbeitsleistungspflicht nicht nachkam bzw. nachkommen konnte, bestand Anlass, die betriebliche Veranlassung der Zahlungen zu prüfen.
a) Die private Veranlassung der Zahlungen ergibt sich nach Auffassung des FG aus der Tatsache, dass B aus außerbetrieblichen („familiären”) Gründen die vertragliche Arbeitsleistung nicht erbracht hat. Diese Beurteilung ist zutreffend.
Lohnzahlungen an einen im Betrieb des Steuerpflichtigen mitarbeitenden Angehörigen sind grundsätzlich nur dann als Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG abziehbar, wenn dieser aufgrund eines Arbeitsvertrags beschäftigt wird, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringt und der Steuerpflichtige seinerseits alle Arbeitgeberpflichten, insbesondere die der Lohnzahlung, erfüllt (vgl. , BFH/NV 2000, 699). Die Arbeitsleistungspflicht des Arbeitnehmers und die Entgeltspflicht des Arbeitgebers sind die beiden Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Verzichtet der Arbeitgeber-Ehegatte aus privaten Gründen auf die Arbeitsleistung der Ehefrau bzw. stellt er diese von der Arbeitspflicht frei, wird der Vertrag nicht entsprechend seinem Inhalt tatsächlich durchgeführt. Eine solche Abweichung vom Vertragsinhalt in der tatsächlichen Durchführung weicht vom Üblichen ab. Zwar kann auch ein fremder Arbeitnehmer von der vertraglichen Verpflichtung zur Arbeitsleistung einvernehmlich oder durch einseitige Erklärung des Arbeitgebers befreit werden, ohne dass sein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts entfällt (vgl. zu den Voraussetzungen und Wirkungen der „Befreiung von der Arbeitspflicht” Blomeyer in Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 49). Das FG hat jedoch aus dem Vortrag des Klägers, „dass familiäre Probleme seit den 90er Jahren bestehen und dass die Forderung der Beigeladenen für eine Trennung für den Kläger zu hoch sind sowie dass eine güterrechtliche Trennung schwierig ist”, auf das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses aus familiären bzw. familienrechtlichen Erwägungen geschlossen. Diese Schlussfolgerung tatsächlicher Art ist zumindest möglich. Deshalb ist der Senat daran gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Für sie spricht auch, dass der Kläger sich erst nach der Betriebsprüfung ernsthaft um eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses bemüht hat. Es ist schwer vorstellbar und nicht üblich, dass unter Fremden ein Arbeitgeber jahrelang unter Fortzahlung des Gehalts auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers verzichtet, ohne zu versuchen, das Arbeitsverhältnis zu beenden.
b) Das FG hat dem Umstand, dass der Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und B auch noch in den Streitjahren zivilrechtlich wirksam war, zu Recht keine Bedeutung beigemessen. Denn die zivilrechtliche Wirksamkeit eines Arbeitsvertrags ist ohnehin unabdingbare Voraussetzung eines auch steuerrechtlich anzuerkennenden Arbeitsverhältnisses. Sie allein reicht jedoch dafür nicht aus. Voraussetzung ist u.a. weiter, dass der zivilrechtlich wirksame Vertrag auch tatsächlich wie unter Fremden durchgeführt wird. Daran mangelt es hier.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 549
BFH/NV 2005 S. 550 Nr. 4
HFR 2005 S. 403
TAAAB-42748