BFH Urteil v. - III R 40/03 BStBl 2005 II S. 326

Haushaltszugehörigkeit eines Kindes

Leitsatz

Die Haushaltszugehörigkeit eines Kindes als Voraussetzung für die Kinderzulage liegt nur vor, wenn der Aufenthalt des Kindes im Haushalt des Anspruchsberechtigten die Dauer üblicher Besuche in den Ferien oder im Urlaub überschreitet. Eine den Besuchscharakter überschreitende Dauer ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Aufenthalt im Haushalt des Anspruchsberechtigten sechs Wochen übersteigt. Dies kann auch bei entsprechend häufigen tageweisen Aufenthalten des Kindes der Fall sein.

Gesetze: EigZulG § 9 Abs. 5 Satz 2

Instanzenzug: EZ (EFG 2003, 1461) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) beantragten für eine 1999 erworbene und eigengenutzte Eigentumswohnung ab 1999 neben dem Fördergrundbetrag eine Kinderzulage für ihre drei beim Kindergeld berücksichtigten Kinder (eine Tochter und zwei Söhne). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) gewährte neben dem Fördergrundbetrag lediglich eine Kinderzulage für die Tochter. Für die Söhne (geboren 1972 und 1974), die —jeder für sich— in studentischen Wohngemeinschaften in derselben Straße wie die Kläger bzw. zwei Minuten Fußweg von der elterlichen Wohnung entfernt wohnten, gewährte das FA keine Kinderzulage, da diese nicht zum Haushalt der Kläger gehörten. Der Einspruch und die Klage blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG), an das die Sache auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger zurückverwiesen worden war (, BFH/NV 2002, 1606), wies die Klage auch im zweiten Rechtsgang ab. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1461 veröffentlicht.

Mit der Revision weisen die Kläger darauf hin, das FG bejahe die Haushaltszugehörigkeit eines auswärts studierenden Kindes, das die elterliche Wohnung nur gelegentlich, etwa in den Semesterferien, nutze. Ihr Fall sei damit vergleichbar. Denn ihre Söhne nutzten die ihnen in der gemeinsamen Wohnung nach wie vor vorgehaltenen Zimmer „spontan” zu den verschiedensten Gelegenheiten, z.B. zu Gesprächen innerhalb der Familie und auch zu ungestörter Ruhe. Sie hielten sich mit ihrer, der Kläger, Einwilligung nur vorübergehend außerhalb der Familienwohnung auf. Die Ausstattung und Organisation des Haushalts sei auf die Mitbenutzung durch ihre Söhne ausgerichtet. Sie übernachteten immer wieder in der Familienwohnung, sei es wegen Gesprächen in der Familie bis in die späten Abendstunden, sei es weil die Söhne gelegentlich wegen der Verhältnisse in der studentischen Wohngemeinschaft besonderer Ruhe bedürften. Auch würden sie in der elterlichen Wohnung häufig und regelmäßig beköstigt. Ferner werde dort ihre Wäsche gewaschen.

Das FG habe ihnen nicht ausrechend rechtliches Gehör gewährt. Entgegen den Ausführungen des FG hätten sie, die Kläger, mehrfach vorgetragen, dass ihre Söhne die elterliche Wohnung zum Übernachten nutzten.

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung des Eigenheimzulagenbescheids in der Fassung der Einspruchsentscheidung die Eigenheimzulage unter Berücksichtigung einer Kinderzulage von 4 500 DM (2 300,81 €) festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet.

1. Nach § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) wird die Zulage für das Jahr, in dem erstmals die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Zulage vorliegen, und die folgenden Jahre des Förderzeitraums (Jahr der Fertigstellung bzw. Anschaffung und die sieben folgenden Jahre, § 3 EigZulG) festgesetzt. Für die Höhe des Fördergrundbetrags und die Zahl der Kinder sind die Verhältnisse bei Beginn der Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken maßgeblich. Nach § 9 Abs. 5 Satz 2 EigZulG ist Voraussetzung für die Kinderzulage, dass das Kind im Förderzeitraum zum inländischen Haushalt des Anspruchsberechtigten gehört oder gehört hat. Das FG hat zutreffend entschieden, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt des Beginns der Nutzung der von den Klägern angeschafften Wohnung zu eigenen Wohnzwecken im Jahre 1999 bei ihren Söhnen die Voraussetzungen für die Haushaltszugehörigkeit i.S. von § 9 Abs. 5 Satz 2 EigZulG nicht gegeben waren.

a) Wie der (BFHE 198, 573, BStBl II 2003, 234) ausgeführt hat, wird der Begriff der Haushaltszugehörigkeit i.S. von § 9 Abs. 5 Satz 2 EigZulG von Merkmalen verschiedener Art geprägt. Haushaltszugehörigkeit entsteht aus dem Zusammenwirken örtlicher Gegebenheiten sowie materieller und immaterieller Faktoren. Sie verlangt sowohl eine Familienwohnung, die vom Steuerpflichtigen (Anspruchsberechtigten) und der Person, die zu seinem Haushalt gehört, genutzt wird, als auch, dass der Anspruchsberechtigte Verantwortung für das materielle Wohl des Haushaltsangehörigen trägt und dass zwischen den Personen familiäre Bindungen bestehen und unterhalten werden, was sich auch in der Fürsorge für den Haushaltsangehörigen niederschlägt.

Bei Kindern, die sich in Berufsausbildung befinden und auswärtig untergebracht sind, fehlt die Haushaltszugehörigkeit, wenn sie räumlich und hauswirtschaftlich aus dem Haushalt der Eltern ausgegliedert sind, d.h. wenn sie außerhalb des elterlichen Haushalts wohnen und verpflegt werden. Gleichwohl kann ein Kind, auch wenn es zu Studienzwecken auswärtig untergebracht ist, insbesondere dann noch zum Haushalt der Eltern gehören, wenn es am Studienort keinen eigenen (unabhängigen) Haushalt führt und regelmäßig an Wochenenden und in den Semesterferien in die elterliche Wohnung zurückkehrt. Die Frage, ob ausgehend von diesen Grundsätzen nach den Umständen des Einzelfalls von einer Haushaltszugehörigkeit des Kindes auszugehen ist, ist Aufgabe tatrichterlicher Würdigung (BFH-Urteil in BFHE 198, 573, BStBl II 2003, 234, m.w.N.).

b) Dass die Kläger Verantwortung für das materielle Wohl ihrer Söhne trugen, zeigt sich, wie vom FG festgestellt, an den ihnen gewährten finanziellen Zuwendungen. Die Unterhaltung familiärer Bindungen und Fürsorge verdeutlichen die Beköstigungen und das Waschen der Wäsche, eine typische hauswirtschaftliche Dienstleistung, die einem nicht in den Haushalt eingegliederten Gast gegenüber üblicherweise nicht erbracht wird. Die Kinder haben die Wohnung aber nicht mehr als Familienwohnung genutzt, sondern sich nur anlässlich von Besuchen dort aufgehalten.

Nach dem zur Aufnahme in den Haushalt eines Kindergeldberechtigten gemäß § 64 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ergangenen (BFH/NV 2004, 324) liegt eine den Besuchscharakter überschreitende Dauer eines Aufenthalts in der elterlichen Wohnung und damit weiterhin die Zugehörigkeit eines Kindes zum elterlichen Haushalt jedenfalls bei einem Aufenthalt von insgesamt mehr als drei Monaten im Jahr vor. Ausgehend von einem in Deutschland üblichen Jahresurlaub von Arbeitnehmern von sechs Wochen ist nach dieser Entscheidung dem Aufenthalt eines Kindes in der Wohnung eines Kindergeldberechtigten der Besuchscharakter in der Regel erst dann abzusprechen, wenn dieser Zeitraum überschritten wird, wobei dies auch bei entsprechend häufigen tageweisen Aufenthalten des Kindes der Fall sein kann. Nach Auffassung des Senats gelten diese Kriterien auch für das Merkmal der Haushaltszugehörigkeit i.S. von § 9 Abs. 5 Satz 2 EigZulG. Denn auch hier geht der Gesetzgeber typisierend davon aus, dass bei der Haushaltszugehörigkeit eines Kindes in diesem Umfang ein durch die Unterhaltsgewährung bedingter erhöhter Bedarf des Anspruchsberechtigten besteht.

Das Urteil des FG entspricht diesen Grundsätzen. Die Würdigung, die lediglich „spontanen” Aufenthalte und Übernachtungen der Söhne in der elterlichen Wohnung begründeten keine Zugehörigkeit zum elterlichen Haushalt, ist nicht zu beanstanden. Zum einen entsprechen Besuche bei den Eltern z.B. zu Gesprächen, zum Essen, Wäschewaschen usw. nicht tageweisen Aufenthalten im Sinne des Urteils des BFH in BFH/NV 2004, 324, die bei entsprechender Anzahl für eine Haushaltszugehörigkeit sprechen können. Darunter fallen nur Aufenthalte, die tatsächlich einen ganzen Tag oder zumindest nahezu einen ganzen Tag dauern, nicht aber nur stundenweise Besuche. Zum anderen stellt sich der Sachverhalt, wenn man davon ausgeht, dass sich die Söhne der Kläger auch tageweise im dargelegten Sinne in der elterlichen Wohnung aufgehalten haben, nach den Feststellungen des FG —und auch nach dem Sachvortrag der Kläger— nicht so dar, dass diese Aufenthalte zusammengerechnet die Dauer von sechs Wochen überschritten haben. Im Übrigen sind gelegentliche oder auch häufigere Übernachtungen in der elterlichen Wohnung nicht vergleichbar mit den Aufenthalten eines auswärts studierenden Kindes an Wochenenden oder in den Semesterferien, die der BFH in dem Urteil in BFHE 198, 573, BStBl II 2003, 234 als Fall einer bestehenden Haushaltszugehörigkeit eines Kindes anerkannt hat. Es fehlt somit an der für die Zugehörigkeit eines z.B. zur Berufsausbildung oder aus beruflichen Gründen auswärts untergebrachten Kindes zum elterlichen Haushalt erforderlichen Intensität der fortbestehenden Mitbenutzung der elterlichen Wohnung.

2. Die Verfahrensrüge greift nicht durch. Das FG hat berücksichtigt, dass die Söhne „spontan” bei den Klägern übernachtet haben. Die Kläger haben keine näheren Angaben zu der Häufigkeit der Übernachtungen und zur Dauer der Aufenthalte ihrer Söhne in ihrer Wohnung gemacht. Es ist nicht erkennbar und auch nicht dargelegt, inwiefern das FG den Sachvortrag der Kläger übergangen hat und dass dieser zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:


Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:





Fundstelle(n):
BStBl 2005 II Seite 326
BB 2005 S. 370 Nr. 7
BFH/NV 2005 S. 415
BFH/NV 2005 S. 415 Nr. 3
BStBl II 2005 S. 326 Nr. 9
DB 2005 S. 373 Nr. 7
DStRE 2005 S. 340 Nr. 6
HFR 2005 S. 520
INF 2005 S. 204 Nr. 6
KÖSDI 2005 S. 14550 Nr. 3
NWB-Eilnachricht Nr. 32/2006 S. 2675
StB 2005 S. 83 Nr. 3
FAAAB-42569