Verfristung wegen Einlegung der Beschwerdeschrift beim FG statt BFH
Gesetze: FGO § 56
Instanzenzug:
Gründe
I. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) ab, mit der dieser geltend gemacht hatte, seine Krankenkassenbeiträge dürften nicht als Arbeitseinkommen versteuert werden, soweit sie zum Risikostrukturausgleich an andere Krankenkassen weitergeleitet würden; zumindest müssten die nach § 10 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur beschränkt abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen entsprechend angehoben werden. In der Rechtsmittelbelehrung hat das FG darauf hingewiesen, dass eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) einzulegen ist.
Die an das FG gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde ging bei diesem am Freitag, dem um 9.10 Uhr als Telefax ein. Das Originalschreiben trägt gleichfalls den Eingangsstempel des sowie handschriftliche Paraphen „Mo 3/6” und eine weitere mit der Angabe „6/6”. Das FG leitete die Beschwerde per Telefax am an den BFH weiter.
Mit Schreiben vom , das am zugestellt wurde, setzte der BFH den Kläger unter Hinweis auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) darüber in Kenntnis, dass die gemäß § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO beim BFH einzulegende Beschwerde verspätet eingegangen sei. Der Kläger beantragte daraufhin mit Schreiben vom , eingegangen am selben Tage, Wiedereinsetzung in die Rechtsbehelfsfrist wegen eines Büroversehens.
II. Die Beschwerde ist unzulässig, sie ist verspätet beim BFH eingegangen.
1. Nach § 116 Abs. 1 FGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde) angefochten werden. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim BFH einzulegen (§ 116 Abs. 2 Satz 1 FGO).
Das Urteil vom wurde dem Kläger am zugestellt. Die Einlegungsfrist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO endete mit Ablauf des , einem Montag (§ 54 Abs. 2 FGO, § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung —ZPO— i.V.m. § 187 Abs. 1 und § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB—), die Beschwerde ging beim BFH aber erst am und damit verspätet ein.
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) war dem Kläger nicht zu gewähren. Er war nicht ohne Verschulden verhindert, die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde einzuhalten.
a) Dass der binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellende Antrag auf Wiedereinsetzung (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO) erst am und damit nach Ablauf der ab dem laufenden Wiedereinsetzungsfrist eingegangen ist, steht einer Wiedereinsetzung zwar nicht entgegen. Vorliegend bedurfte es gemäß § 56 Abs. 2 Satz 4 FGO keines formellen Wiedereinsetzungsantrags, weil die Rechtshandlung rechtzeitig am nachgeholt worden war. Abgesehen davon, dass der Kläger Umstände, aus denen sich ein Büroversehen ergeben könnte, nicht dargelegt hat, sind allerdings die verspätet vorgetragenen Wiedereinsetzungsgründe nur insoweit zu berücksichtigen, als sie gerichtsbekannt sind (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 56 Rz. 48, m.w.N.).
Die verspätete Einlegung der vorliegenden Beschwerde ist dem Kläger als Verschulden anzulasten. Die Verfristung ist darauf zurückzuführen, dass der Kläger die Beschwerdeschrift entgegen § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO n.F. und der zutreffenden Rechtsmittelbelehrung des FG nicht an den BFH, sondern —entsprechend der bis zum geltenden Rechtslage— an das FG gerichtet hat. Als Beschwerdeführer trägt er das Risiko des verspäteten Eingangs der Beschwerde beim , BFH/NV 2003, 67, m.w.N.).
b) Eine Mitverantwortung der Geschäftsstelle des FG für die Fristversäumnis mit der Folge, dass sich das Verschulden des Klägers nicht auswirkt, ist nicht gegeben. Zwar musste das FG, das mit der Sache bereits befasst gewesen war, den bei ihm eingereichten fristgebundenen Schriftsatz für das Beschwerdeverfahren an den BFH als das zuständige Rechtsmittelgericht weiterleiten. Einer Partei ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn ein solcher Schriftsatz so zeitig eingereicht worden ist, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts —BVerfG— vom 1 BvR 166/93, BVerfGE 93, 99, 114 f.; vom 1 BvR 476/01, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2003, 74; vgl. auch , RiA 1974, 36; , EBE/BAG 1997, 174; , juris Nr: KORE600042001; BFH-Entscheidungen vom VII R 7/99, BFHE 193, 515, BStBl II 2001, 158, unter II. 4.; vom IV B 108/97, BFH/NV 1999, 146). Dies ist im Streitfall zu verneinen.
Nachdem die Beschwerde erst am Freitag, dem morgens um 9.10 Uhr per Fax beim FG eingegangen war, konnte der Kläger nicht erwarten, dass der Schriftsatz noch am selben Tag von der Geschäftsstelle des FG an den BFH abgesendet würde. Selbst wenn die Geschäftsstelle des FG die Beschwerdeschrift bereits am Montag, dem an den BFH weitergeleitet hätte, wäre diese bei normalem Postlauf wegen des Fristablaufs noch am selben Tag nicht mehr rechtzeitig dorthin gelangt. Zu einer Übermittlung vorab durch Telefax war das FG im Rahmen des ordentlichen Geschäftsgangs nicht verpflichtet (BFH-Entscheidungen vom X B 3/91, BFH/NV 1992, 120; vom IV R 123-124/91, BFHE 169, 132, BStBl II 1993, 125).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 563
BFH/NV 2005 S. 563 Nr. 4
VAAAB-42529