Ausstellerhaftung und Veranlasserhaftung nach § 10b Abs. 4 Satz 2 EStG
Gesetze: EStG § 10b Abs. 4; KStG § 9 Abs. 3
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist der 1. Vorsitzende des ...sportvereins X (Verein), der seit 1983 besteht. In dem Freistellungsbescheid für die Jahre 1990 bis 1992 hatte das seinerzeit zuständige Finanzamt Z die Gemeinnützigkeit des Vereins für Spendenzwecke unter Vorbehalt des Widerrufs bis längstens anerkannt. Mit Bescheid vom wurde dem Verein die Steuerbegünstigung wegen Gemeinnützigkeit für 1993 bis 1995 wegen fehlender Förderung der Allgemeinheit aberkannt. Die Körperschaftsteuer wurde auf 0 DM festgesetzt. Der Einspruch gegen diesen Bescheid wurde zurückgenommen.
Unter dem erließ das Finanzamt Z u.a. gegen den Kläger einen Haftungsbescheid über 62 160 DM für Einkommensteuer/Körperschaftsteuer und über 15 540 DM für Gewerbesteuer. Im Jahr 1999 wurde die Geschäftsstelle des Vereins nach A verlegt; der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) wies den Einspruch zurück. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt; die Haftungstatbestände des § 10b Abs. 4 Satz 2 2. Alternative des Einkommensteuergesetzes (EStG), des § 9 Abs. 3 Satz 2. 2. Alternative des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und des § 9 Nr. 5 Satz 6 des Gewerbesteuergesetzes —GewStG— (ab Erhebungszeitraum 1996 § 9 Nr. 5 Satz 5 GewStG) erfassten nicht die Fälle, in denen Spenden für Zwecke verwendet würden, die wegen nachträglicher Aberkennung der Gemeinnützigkeit des Zuwendungsempfängers nicht steuerbegünstigt seien.
Mit der Revision macht das FA geltend:
1. Dem Verein hätten zwischen 1987 und 1995 bis zu 29 Mitglieder aus sieben Familien angehört. Eine tatsächliche Förderung der Allgemeinheit sei nicht feststellbar.
2. Die Zuwendungen seien nicht für steuerbegünstigte Zwecke verwendet worden. Das ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass der Verein in den Streitjahren nicht als steuerbegünstigt anerkannt worden sei. Spenden seien nicht allein deshalb zweckentsprechend verwendet worden, weil der Empfänger im Zeitpunkt der Verwendung über einen Freistellungsbescheid oder eine vorläufige Bescheinigung verfüge. Nach dem (BFH/NV 2001, 470) begründe die vorläufige Anerkennung der Gemeinnützigkeit keinen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand. Das Risiko für die Folgen der rückwirkenden Aberkennung der Steuerbegünstigung sei beim Kläger zu suchen und nicht beim Fiskus.
3. Unabhängig von der Fehlverwendung wegen rückwirkender Aberkennung der Gemeinnützigkeit habe der Verein die Spenden auch tatsächlich nicht für steuerbegünstigte Zwecke verwendet. Die Veranlasserhaftung setze nicht notwendigerweise die Aberkennung der Spendenbegünstigung voraus.
4. Das FA teile nicht die in dem Urteil vom XI R 58/01 (BFHE 203, 445, BStBl II 2004, 352) vertretene Auffassung des BFH.
Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
1. Es sei nicht erklärlich, warum Vereine und deren Vorstände einer außerordentlich scharfen Gefährdungshaftung ausgesetzt sein sollen, während die Aussteller einer Zuwendungsbescheinigung lediglich bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit hafteten.
2. Zum Zeitpunkt der Verwendung der Spenden sei der Verein —wenn auch nur vorläufig— als gemeinnützig anerkannt gewesen.
Die erhaltenen Spenden seien ausschließlich zu dem in der Bestätigung angegebenen Zweck verwendet worden. Die Nicht-Anerkennung der Gemeinnützigkeit begründe nicht die Haftung für Fehlverwendung.
3. Der Erlass eines Haftungsbescheides sei eine Ermessensentscheidung. Die vom FA behauptete Fehlverwendung von Spendengeldern sei ausschließlich auf eine geänderte Rechtsansicht der Finanzverwaltung zurückzuführen. Nach Aussage der zuständigen Beamten hätten dem Verein aus der Aberkennung der Gemeinnützigkeit keine nachteiligen Folgen entstehen sollen. Die Haftungsinanspruchnahme allein aufgrund später geänderter Rechtsansicht sei ermessensfehlerhaft.
4. Auch die vorläufige Bescheinigung sei ein Verwaltungsakt. Das Vorgehen des FA verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip und den Grundsatz des Vertrauensschutzes.
II. Die Revision ist gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als unbegründet zurückzuweisen. Zu Recht ist das FG im Ergebnis davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Haftung nicht vorliegen.
1. Nach § 10b Abs. 4 Satz 2 EStG haftet für die entgangene Einkommensteuer, wer vorsätzlich oder grob fahrlässig eine unrichtige Bestätigung ausstellt (sog. Ausstellerhaftung) oder wer veranlasst, dass Zuwendungen nicht zu dem in der Bestätigung angegebenen steuerbegünstigten Zweck verwendet werden (sog. Veranlasserhaftung). Die Voraussetzungen für die Haftung liegen im Streitfall nicht vor.
Entsprechendes gilt hinsichtlich der Haftung für Körperschaftsteuer gemäß § 9 Abs. 3 Satz 2 KStG (vor 1994 § 9 Nr. 3 Satz 8 KStG) und Gewerbesteuer gemäß § 9 Nr. 5 Satz 6 GewStG (ab Erhebungszeitraum 1996 § 9 Nr. 5 Satz 5 GewStG).
2. Der Kläger haftet nicht nach der ersten Alternative der unter 1. genannten Vorschriften, weil er keine Spendenbestätigungen ausgestellt hat. Empfänger der Spenden und Aussteller der Spendenbestätigungen war und konnte nach § 48 Abs. 3 Nr. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung in der für die Streitjahre geltenden Fassung (EStDV a.F.) nur eine juristische Person des öffentlichen Rechts sein (vgl. Deutsches Steuerrecht 2004, 772, unter 1.2).
3. Eine Haftung des Klägers als Verwender der Spenden scheidet aus, weil er die Zuwendungen zu den in den Spendenbestätigungen angegebenen steuerbegünstigten Zwecken verwendet hat.
a) Die verschuldensunabhängige Veranlasserhaftung erfasst Fehlverhalten des Empfängers in Zusammenhang mit der Spendenverwendung (, BFHE 199, 162, BStBl II 2003, 128, und in BFHE 203, 445, BStBl II 2004, 352). Eine Fehlverwendung i.S. des § 10b Abs. 4 Satz 2 EStG ist nicht gegeben, wenn der Spendenempfänger die Zuwendung zu dem in der Bestätigung angegebenen steuerbegünstigten Zweck verwendet hat, auch wenn er im Körperschaftsteuerveranlagungsverfahren nicht als gemeinnützig anerkannt wird (vgl. im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 203, 445, BStBl II 2004, 352, m.w.N.; Geserich, Das Spendenrecht, in Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft Bd. 26, 2003, 245, 273). Allein maßgeblich ist, dass sich die tatsächliche Verwendung der Zuwendungen mit dem in der Bestätigung angegebenen steuerbegünstigten Zweck deckt.
b) Entgegen der Auffassung des FA ist das Risiko für die Folgen der rückwirkenden Aberkennung der Steuerbegünstigung nicht dem Verwender der Zuwendungen aufzuerlegen. Das Gesetz nimmt insoweit eine klare Risikoverteilung vor. Der Aussteller haftet für die Richtigkeit der Bestätigung, der Verwender für die Verwendung zu den —so das Gesetz ausdrücklich— in der Bestätigung angegebenen steuerbegünstigten Zwecken. Die Beurteilung der Fehlverwendung bezieht sich nicht auf die tatsächliche Rechtslage, sondern auf den in der Bestätigung angegebenen steuerbegünstigten Zweck. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrucks 11/4176, 15, 17) ausdrücklich hervorgehoben, dass es sachgerecht sei, für einen Steuerausfall durch falsche Spendenbestätigungen oder durch Fehlverwendung von Spenden denjenigen haften zu lassen, in dessen Sphäre das Fehlverhalten passiert ist. Dementsprechend liegt auf der Hand, dass der Verwender nicht für die Richtigkeit der Bestätigung haftet.
c) Der Kläger hat die ihm von der Körperschaft des öffentlichen Rechts zugeleiteten Spenden zu den in den Spendenbestätigungen angegebenen steuerbegünstigten Zwecken verwendet. Es ist unstreitig, dass er diese zur Förderung des Sports i.S. des § 52 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 verwendet hat.
Feststellungen des FG zum Inhalt der jeweils erteilten Spendenbestätigungen liegen zwar nicht vor. Es ist jedoch zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Bestätigungen die Voraussetzungen für einen Spendenabzug beim Spender erfüllt haben. Wurde eine Körperschaft vorläufig wegen Förderung des Sports als gemeinnützig anerkannt, so wurde —von der Körperschaft des öffentlichen Rechts als Empfänger der Zuwendung— typischerweise bestätigt, dass die Spende nur zu „als besonders förderungswürdig” anerkannten gemeinnützigen Zwecken i.S. der Nr. 3 der Anlage 7 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) verwendet wird (vgl. z.B. Anlage 4 zu R 111 Abs. 4 EStR 1993 „Muster 1”). Als besonders förderungswürdig anerkannt ist danach „die Förderung des Sports, wenn der Empfänger eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine öffentliche Dienststelle ist”.
4. Ob das FA sein Auswahlermessen zutreffend wahrgenommen hat, braucht der Senat nicht zu entscheiden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 516
BFH/NV 2005 S. 516 Nr. 4
NAAAB-41953