BFH Beschluss v. - VIII B 213/04

wie VIII B 212/04 (n. v.)

Gesetze: EStG § 32 Abs. 6

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehren die Zulassung der Revision mit der Begründung, dass entgegen der Rechtsauffassung des Finanzgerichts (FG) der Kinderfreibetrag (§ 32 Abs. 6 des EinkommensteuergesetzesEStG—) für das Jahr 1999 nicht zur Abdeckung des Existenzminimums eines Kindes ausreiche und daher verfassungswidrig sei (Art. 6 Abs. 1 des GrundgesetzesGG—). Sie machen geltend, das FG habe bei seiner Berechnung der Höhe des Existenzminimums eines Kindes für das Streitjahr 1999 ihren Vortrag übergangen, dass sie allein 220 DM Versicherungskosten pro Monat und Kind zu zahlen gehabt hätten. Sie rügen außerdem eine Verletzung des rechtlichen Gehörs.

II. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.

1. Die Revision ist nicht zur Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) zuzulassen. Die von den Klägern für klärungsbedürftig gehaltene Frage, ob bei der Ermittlung des steuerlichen Existenzminimums eines Kindes Vorsorgeaufwendungen zu berücksichtigen sind, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits konkludent entschieden.

Nach der Rechtsprechung des BVerfG gebietet Art. 6 Abs. 1 GG, bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei zu belassen; dabei bildet das sozialhilferechtlich definierte Existenzminimum die Grenze für das einkommensteuerliche Existenzminimum, die über-, aber nicht unterschritten werden darf (Beschluss vom 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174).

Dieser Beschluss des BVerfG ist aufgrund eines Vorlagebeschlusses des III. Senats des (BFHE 171, 534, BStBl II 1993, 755) ergangen. Der III. Senat des BFH hatte jedoch vor der Entscheidung des BVerfG die in seinem Vorlagebeschluss aufgestellten Grundsätze in einem Urteil vom III R 194/90 (BFHE 173, 528, BStBl II 1994, 429, 432) dahin fortentwickelt und konkretisiert, dass nach seiner Auffassung bei der Ermittlung der Höhe des Existenzminimums eines Kindes im Jahre 1986 u.a. auch ein Mindestvorsorgebetrag von 200 DM zu berücksichtigen sei.

Das BVerfG ist in seinem Beschluss in BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174 auf die Problematik der Vorsorgeaufwendungen nicht ausdrücklich eingegangen. Es hat ausgeführt, dass die verfassungsrechtlich vorgegebene Maßgröße des sozialhilferechtlich anerkannten existenznotwendigen Mindestbedarfs sich auf der Grundlage des Bundesozialhilfegesetzes (BSHG) in folgenden Positionen errechne (vgl. unter C. I. 3. a der Gründe):

1. Regelsatz gemäß § 22 Abs. 3 BSHG

2. Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 3 Abs. 1 und 2 der Regelsatzverordnung

3. Einmalbeihilfen für zusätzlichen Grundbedarf, der nicht durch laufende Leistungen gedeckt ist

4. Mehrbedarf gemäß § 23 Abs. 4 Nr. 1 BSHG zur Berücksichtigung der durch die Erwerbstätigkeit bedingten erhöhten privaten Bedürfnisse.

Wenn das BVerfG in seiner Entscheidung nicht auf die Vorsorgeaufwendungen und die den Vorlagebeschluss ergänzenden Ausführungen des III. Senats eingegangen ist und stattdessen genau festgelegt hat, welche Positionen bei der Ermittlung des steuerfrei zu belassenden Existenzminimums zu berücksichtigen sind, dann hat es damit konkludent entschieden, dass nach seiner Auffassung die Kosten für die Vorsorgeaufwendungen für ein Kind nicht in das steuerfrei zu belassende Existenzminimum aufzunehmen sind. Deshalb liegt insoweit entgegen der Auffassung der Kläger ein weiterer Klärungsbedarf, der die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, nicht vor.

2. Die Revision ist auch nicht aufgrund der Rüge, das FG habe das rechtliche Gehör (§ 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO) der Kläger verletzt, zuzulassen. Die Rüge bezieht sich auf die Ausführungen des FG, es habe nicht geprüft werden können, ob die über 18 Jahre alte Tochter der Kläger die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Entlastung im Streitjahr noch erfülle und von den Klägern wirtschaftlich abhängig sei (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG), weil die Kläger keine Steuererklärung abgegeben hätten. Die Kläger meinen, das FG habe ihr Recht auf Gehör dadurch verletzt, dass es die Frage der Tätigkeit und Bedürftigkeit ihrer volljährigen Tochter in der mündlichen Verhandlung nicht angesprochen habe. Diese Auffassung trifft nicht zu. Denn den Klägern war bekannt, dass sie gegen ihre Verpflichtung zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung (§ 25 EStG) verstoßen und die darin geforderten Erklärungen zu den Verhältnissen ihrer Kinder nicht abgegeben hatten.

Darüber hinaus hätten die Angaben der Kläger zu den Verhältnissen ihrer Kinder, soweit diese volljährig waren, auch nichts an der klageabweisenden Entscheidung des FG geändert. Denn da das FG der Auffassung war, dass die Höhe des Kinderfreibetrages auch für volljährige Kinder verfassungsgemäß sei, weil das BVerfG nicht nach dem Alter der Kinder differenziert habe, handelt es sich insoweit um eine kumulative Begründung für die Klageabweisung. In einem solchen Fall könnte die Revision nur zugelassen werden, wenn für jede der beiden Urteilsbegründungen ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO geltend gemacht wird und vorliegt (vgl. BFH-Beschlüsse vom IV B 3/74, BFHE 112, 337, BStBl II 1974, 524; vom X B 9/00, BFH/NV 2000, 1334). Auch daran fehlt es hier.

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.

Fundstelle(n):
IAAAB-40854