Ersatzzustellung durch Einwurf in das Postfach des Adressaten
Instanzenzug:
Gründe
I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) —einer GmbH— durch Urteil vom abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Das Urteil erging nach mündlicher Verhandlung am , zu der das FG den früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin, den Steuerberater S, am geladen hatte. Die Ladung enthält den Hinweis, dass gemäß § 91 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bei Ausbleiben eines Verfahrensbeteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden könne. Da S sich in der Zeit vom 5. bis in Urlaub befand und seine in seinem Wohnhaus betriebene Kanzlei in diesem Zeitraum geschlossen hatte, konnte der Postbedienstete die Ladung am weder S noch einer anderen zur Entgegennahme der Ladung befugten und bereiten Person übergeben. Er legte sie deshalb nach den Angaben in der Zustellungsurkunde am in den zur Wohnung des S gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung ein. S erlangte von der Ladung erst nach dem Kenntnis. Deshalb nahm für die Klägerin an der mündlichen Verhandlung niemand teil.
Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin, die Revision gegen das Urteil des FG wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Beschwerde war als unbegründet zurückzuweisen. Die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor.
1. Das FG hat nicht gegen § 91 Abs. 1 FGO verstoßen. S war ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung am geladen worden.
Die Ladung vom musste, um wirksam zu werden, dem Adressaten von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) zugestellt werden (§ 53 Abs. 1 und 2 FGO). Dies geschah am im Form einer Ersatzzustellung gemäß § 180 ZPO. Diese Ersatzzustellung war zulässig. Auch die Klägerin räumt ein, dass am keine Ersatzzustellung gemäß § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO möglich war.
Der beschließende Senat teilt nicht die Auffassung der Klägerin, die Ersatzzustellung gemäß § 180 ZPO sei unwirksam, da —so die Behauptung der Klägerin— der Postbedienstete das Schriftstück mit der Ladung in das Postfach des S und nicht in dessen Hausbriefkasten einlegt habe. § 180 Satz 1 ZPO lässt nicht nur die Ersatzzustellung durch Einwurf in einen zur Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten, sondern auch eine Ersatzzustellung durch Einlegen in eine ähnliche Vorrichtung zu, die der Adressat des zuzustellenden Schriftstücks für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Eine solche Einrichtung ist auch das Postfach des Adressaten. Dass der Postbedienstete das zuzustellende Schriftstück nur dann in das Postfach des Adressaten einlegen darf, wenn ein Hausbriefkasten nicht vorhanden ist oder wenn er —z.B. wegen Überfüllung— das Schriftstück nicht mehr aufnehmen kann, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Die Zustellungsurkunde enthält entgegen der Vermutung der Klägerin die im Fall der Ersatzzustellung nach § 180 ZPO erforderlichen Angaben gemäß § 182 Abs. 2 Nr. 4 ZPO.
2. Das FG versagte der Klägerin auch nicht rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO).
Es hat den früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin ordnungsgemäß und unter Einhaltung der Ladungsfrist des § 91 Abs. 1 FGO zur mündlichen Verhandlung geladen und ihm dadurch Gelegenheit gegeben, den Rechtsstandpunkt der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorzutragen. Dass S diese Gelegenheit nicht wahrnahm, beruhte ausschließlich auf seinem schuldhaften Verhalten, das der Klägerin zuzurechnen ist (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO). S hatte weder dafür gesorgt, dass er oder eine ihn vertretende Person während seines Urlaubs Kenntnis von Ladungen erlangte, noch hatte er das FG über seinen geplanten Urlaub unterrichtet und das Gericht gebeten, ihm während seines Urlaubs keine Ladungen zuzustellen.
Das FG-Urteil ist auch keine den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzende Überraschungsentscheidung. Streitig war sowohl im Rechtsbehelfs- als auch im Klageverfahren, ob Pachtzinszahlungen der Klägerin teilweise als verdeckte Gewinnausschüttungen i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes zu beurteilen sind. Empfänger der Zahlungen waren die beherrschenden Gesellschafter der Klägerin. Die fachkundig beratene Klägerin musste deshalb auch ohne einen ausdrücklichen Hinweis des FG damit rechnen, dass das FG bei seiner Entscheidung die für Vereinbarungen zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihren beherrschenden Gesellschaftern geltenden Grundsätze anwenden würde.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 229
BFH/NV 2005 S. 229 Nr. 2
OAAAB-36851