Frage der Berücksichtigungsfähigkeit geänderter Verhältnisse nach Erlass der letzten Verwaltungsentscheidung nicht von grundsätzlicher Bedeutung
Gesetze: AO § 131
Instanzenzug:
Gründe
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) ordnete gegenüber dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung an. Zu diesem Zeitpunkt bestanden Steuerrückstände in Höhe von 137 579 DM. Einspruch und Klage gegen die Verfügung blieben erfolglos. Im Klageverfahren machte der Kläger die Begleichung sämtlicher Steuerrückstände geltend, wegen denen das FA die Vorlage des Vermögensverzeichnisses und die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung angeordnet hatte. Demgegenüber wies das FA auf nicht bezahlte Säumniszuschläge in Höhe von 1 474 Euro sowie auf neue Abgabenrückstände in Höhe von 31 772 Euro hin. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die Ermessensentscheidung des FA nicht zu beanstanden sei. Bei der gerichtlichen Überprüfung von Ermessensentscheidungen sei auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen. Im Streitfall seien die im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung bestehenden Steuerverbindlichkeiten noch nicht getilgt gewesen. Auch die besonderen Verfahrensvoraussetzungen des § 284 der Abgabenordnung (AO 1977) seien im Streitfall erfüllt. Zudem wies das FG darauf hin, dass die Erfüllung der im Zeitpunkt der Anordnung bestehenden Rückstände dann keinen Anspruch auf Aufhebung begründe, wenn in der Zwischenzeit neue Rückstände entstanden seien, denn eine Anordnung nach § 284 AO 1977 sei nicht akzessorisch.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision durch das FG. Er macht sinngemäß geltend, dass der Frage, ob einer Anfechtungsklage gegen eine Anordnung nach § 284 AO 1977 stattzugeben sei, wenn der Schuldner die Hauptforderung des FA nach Erlass der Einspruchsentscheidung vollständig beglichen habe, eine grundsätzliche Bedeutung zukomme. Diese Frage stelle sich auch für den Fall, dass nach Tilgung der Hauptschulden weitere Rückstände aufgelaufen seien. Im Streitfall sei es unverhältnismäßig, allein wegen der rückständigen Säumniszuschläge an der Anordnung nach § 284 AO 1977 festzuhalten. Die Einzelfallgerechtigkeit gebiete eine Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung. Das FG hätte eine Erledigung des Verfahrens anregen müssen. Soweit die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) der Rechtsauffassung des Klägers entgegen stehe, müsse sie im Interesse der Allgemeinheit einer Änderung zugeführt werden, denn es sei nicht sachgerecht und verfassungskonform, dass der BFH im Zeitpunkt der Entscheidung über die Klage eine inzwischen erfolgte Begleichung der Steuerschuld unberücksichtigt lasse.
Das FA tritt der Beschwerde entgegen. Es ist der Ansicht, dass der vom Kläger aufgeworfenen Frage keine grundsätzliche Bedeutung zukomme, da es bereits an der Klärungsbedürftigkeit fehle.
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) noch zur Fortbildung des Rechts oder zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zuzulassen.
1. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO erfordert substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit einer konkreten Rechtsfrage, der auch Bedeutung für die Allgemeinheit zukommt. Darzulegen ist, dass die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage von der Klärung einer zweifelhaften und umstrittenen Rechtslage abhängt. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer mit den Äußerungen im Schrifttum und ggf. mit veröffentlichten Verwaltungsmeinungen befassen. Hat der BFH über die angesprochene Rechtsfrage bereits entschieden, so ist über die Auseinandersetzung mit der bestehenden Rechtsprechung hinaus zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. dann geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinander gesetzt hat (vgl. , BFH/NV 2004, 166, m.w.N.).
Das FA hat zutreffend darauf hingewiesen, dass sich der BFH bereits mit der Frage befasst hat, inwieweit eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nach Erlass der letzten Ermessensentscheidung der Verwaltung im finanzgerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen ist (allerdings hat der Senat diese Frage in dem vom FA angeführten Urteil vom VII R 85/74, BFHE 117, 430, BStBl II 1976, 257 noch offen gelassen). In seinem Urteil vom VII R 66/90 (BFHE 164, 7, BStBl II 1991, 545) hat der erkennende Senat unter Bezugnahme des vorgenannten Urteils diese Frage dahin gehend entschieden, dass für die gerichtliche Überprüfung einer behördlichen Ermessensentscheidung die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letztinstanzlichen Verwaltungsentscheidung auch dann maßgebend sind, wenn —wie im Streitfall— die Anordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nicht vollzogen ist. Es sei dem Betroffenen bei veränderter Sachlage zuzumuten, ein neues Verwaltungsverfahren in Gang zu setzen und wegen evtl. veränderter Verhältnisse die Aufhebung des im Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßigen Verwaltungsaktes gemäß § 131 Abs. 1 AO 1977 zu beantragen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist damit die Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse nach Ergehen der letzten Verwaltungsentscheidung im finanzgerichtlichen Verfahren nicht berücksichtigungsfähig (vgl. Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 284 AO 1977 Rdnr. 67, S. 37 Fn. 1, m.w.N.). Da die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage bereits vom BFH entschieden ist, kommt ihr eine Klärungsbedürftigkeit nicht zu. Der Kläger hat auch keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen, unter denen eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Betracht zu ziehen wäre.
2. Da der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, ist entgegen der Auffassung des Klägers auch eine Entscheidung zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO nicht erforderlich. Denn erforderlich wird die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO nur dann, wenn eine bisher nicht höchstrichterlich entschiedene Rechtsfrage zweifelhaft ist (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 41).
3. Der Kläger hat auch keine schwerwiegenden Rechtsfehler des erstinstanzlichen Erkenntnisses aufgezeigt, die eine Zulassung der Revision aus diesem Gesichtspunkt geboten erscheinen ließen. Der BFH hat das Vorliegen solcher Fehler dann bejaht, wenn die Entscheidung des FG objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar sind (vgl. , BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837). Diese besonderen Umstände sind in der Beschwerdeschrift anzuführen. Die Formulierung von Rechtsfragen von angeblich grundsätzlicher Bedeutung und der bloße Hinweis auf erhebliche Rechtsfehler reichen nicht aus, um eine greifbare Gesetzeswidrigkeit oder gar eine Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung darzulegen (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 216/01, BFH/NV 2002, 923). Deshalb wird die nicht näher substantiierte Behauptung des Klägers, die vom BFH bestätigte Rechtsprechung des FG sei nicht sachgerecht und von der Verfassung nicht gedeckt, den aufgezeigten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Darlegung nicht gerecht.
Fundstelle(n):
QAAAB-36512