BFH Beschluss v. - XI B 42/04

Durchlaufspendenverfahren bei Erstausstattung einer Stiftung Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung bei ausgelaufenem Recht

Gesetze: EStG § 10b; EStDV § 48; FGO § 115

Instanzenzug:

Gründe

I. Streitig ist, ob die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) aus Billigkeitsgründen Einkommensteuer, die auf eine nicht anerkannte Spende von 700 000 DM entfällt, nicht zu entrichten haben.

Der Kläger errichtete 1994 unter seinem Namen eine Stiftung. Er verpflichtete sich gemäß der Stiftungsurkunde, die Stiftung mit einem (Anfangs-)Vermögen von 700 000 DM in Form von Barvermögen auszustatten. Zweck der Stiftung ist die Förderung der freien Wohlfahrtspflege, des Sports, der Kultur sowie der Förderung der Heimatpflege. Nach der Bestätigung des Finanzamts S handelt es sich um eine Einrichtung i.S. des § 44a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Am…1994 leistete der Kläger den gestifteten Barbetrag unmittelbar an die Stiftung. Die Kläger legten im Veranlagungsverfahren eine entsprechende Spendenbestätigung vor. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte die Zahlung der 700 000 DM nicht, da die Zuwendung nicht als Durchlaufspende abgewickelt worden sei. Der Einspruch blieb erfolglos; das Verfahren vor dem Finanzgericht (FG) ist ausgesetzt, da die Kläger einen Erlassantrag gestellt haben. Der Antrag wurde zurückgewiesen. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG war der Auffassung, dass das FA das Vorliegen von Billigkeitsgründen zutreffend abgelehnt habe. Der Sachverhalt des Streitfalls sei nicht so atypisch, dass eine Billigkeitsregelung geboten sei.

Mit der Beschwerde machen die Kläger geltend, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision vorlägen. Gegenstand des Verfahrens seien die Fragen, ob auf die Erstausstattung einer Stiftung das Durchlaufspendenverfahren anzuwenden sei, ob das Durchlaufspendenverfahren aus Gründen seiner Verfassungswidrigkeit entbehrlich gewesen sei und ob zu berücksichtigen sei, dass die Stiftung sich auch auf Bereiche erstreckt habe, für die das Durchlaufspendenverfahren nicht gegolten habe. Zu klären sei auch, ob die Erstausstattung einer Stiftung zumindest im Billigkeitswege als Sonderausgabe zu berücksichtigen sei.

a) Die Sache habe grundsätzliche Bedeutung; das gelte insbesondere für die Frage, ob das Durchlaufspendenverfahren bei der Stiftungserstausstattung zu beachten und verfassungsgemäß sei. Zur Fortbildung des Rechts sei eine Entscheidung darüber notwendig, ob zur Frage des Abzugs von Stiftungsausstattungen als Spenden Billigkeitsmaßnahmen möglich seien. Die Revision sei auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Mit der Auffassung, dass das Durchlaufspendenverfahren anwendbar sei, berücksichtige das FG nicht die verfassungsrechtlichen Zweifel des Bundesfinanzhofs (BFH), die dieser im Urteil vom X R 5/91 (BFHE 173, 519, BStBl II 1994, 683) geäußert habe.

b) Das anzufechtende Urteil beruhe auf Verfahrensmängeln, insbesondere auf Verstößen gegen § 96 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Auf Seite 4 des FG-Urteils heiße es (3. Satz von oben): „Zweck der Stiftung ist die Förderung der Bildung und Erziehung, die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtpflege, des Sports, der Kultur sowie die Förderung der Heimatpflege.” Das FG habe damit den in § 2 Abs. 3 Satz 1 der Verfassung der Stiftung vom…1994 niedergelegten Zweck der Stiftung nicht vollständig und teilweise sogar unzutreffend für seine Entscheidung zugrunde gelegt.

Das Urteil des FG beruhe auch auf diesem Verfahrensfehler nach § 96 Abs. 1 FGO. Hätte das FG den Stiftungszweck zutreffend und vollständig erkannt, hätte die Entscheidung anders ausfallen müssen. Dem genauen Stiftungszweck komme in dem vorliegenden Verfahren insbesondere deswegen entscheidende Bedeutung zu, weil für einen Teilbereich des Stiftungszweckes selbst nach Auffassung der Finanzverwaltung in 1994 gerade kein Durchlaufspendenverfahren erforderlich gewesen sei.

c) Auf den Seiten 5/6 im Tatbestand des FG-Urteils werde zutreffend zum Klägervortrag ausgeführt: „Außerdem habe die Hessische Finanzverwaltung bei Zuwendungen in Form von Grundstücken oder Gesellschaftsrechten schon immer Ausnahmen vom Durchlaufspendenverfahren zugelassen.” Auf Seite 13 der Entscheidungsgründe werde dann allerdings erklärt: „Andererseits waren von diesem Erfordernis keine Ausnahmen vorgesehen; das Durchlaufspendenverfahren galt typisierend und zwingend für bestimmte Förderungszwecke unabhängig davon, um welche Institution, für die die Spende bestimmt war, es sich handelte.”

Das FG habe somit den Klägervortrag, der gerade auf Ausnahmen bei der Spendenregelung und deren Bedeutung für das vorliegende Verfahren hingewiesen habe, bei der Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen und sich nicht damit beschäftigt. Die Berücksichtigung der selbst von der Finanzverwaltung zugelassenen Ausnahmen hätte allerdings zu einer anderen Beurteilung der Rechtslage —insbesondere im Billigkeitsverfahren— geführt, da es für die Rechtsanwendung entscheidend sei, ob eine Regelung ausnahmslos gelte oder ob —wie vorliegend— gerade Ausnahmen vorgesehen seien.

d) In der Klagebegründung vom werde an verschiedenen Stellen darauf hingewiesen, dass es im vorliegenden Fall nicht um den „Normalfall” einer allgemeinen laufenden Spende, sondern um die Besonderheit der dauerhaft zu erhaltenden Erstausstattung einer Stiftung gehe.

In der FG-Entscheidung werde der Klägervortrag, dass es sich um die Erstausstattung einer Stiftung und nicht um eine laufende Spende handele, nicht beachtet und auch nicht gewürdigt. Das FG mache in der Entscheidung regelmäßig Ausführungen zu allgemeinen, laufenden Spenden, z.B. auf Seite 13 der Entscheidungsgründe: „Es entspricht der Regelung des Durchlaufspendenverfahrens, dass Spenden nur bei Zuwendung an eine Körperschaft des öffentlichen Rechts begünstigt sind, unabhängig davon, ob die Spende tatsächlich zu gemeinnützigen Zwecken verwendet wird oder ...”

Hätte das FG den Klägervortrag und Akteninhalt gewürdigt, wäre erkannt worden, dass es sich im vorliegenden um einen atypischen Fall gehandelt habe, der gerade besonderer Beurteilung bedurft hätte. Die Entscheidung wäre in diesem Fall —insbesondere auch aus Billigkeitsgründen— anders ausgefallen.

e) Die Kläger hätten in der Klageschrift vom (Seite 2, unter II. 1.) auf folgendes hingewiesen: „Das Durchlaufspendenverfahren wurde durch Verordnung vom (Bundesgesetzblatt l., Seite 2413) abgeschafft, weil es 'in besonderem Maße verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet' (vgl. Bundesratsdrucksache 418/99 vom zur Verordnung der Bundesregierung zur Änderung der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung, Seite 12 - Anlage).”

Dieser Umstand sei vom FG nicht zur Kenntnis genommen und damit nicht bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden (Verstoß gegen § 96 Abs. 1 FGO). Stattdessen führe das FG in den Entscheidungsgründen auf Seite 14 aus: „Im Hinblick auf die Entwicklung des Spendenrechts und die durch andere, nicht verfassungsrechtliche Grundsätze bedingte Abschaffung des Durchlaufspendenverfahrens sind auch ...”

Hätte das FG den Akteninhalt zutreffend berücksichtigt, hätte es sich mit der Abschaffung des Durchlaufspendenverfahrens wegen dessen Verfassungswidrigkeit beschäftigen müssen und wäre zu einer anderen Entscheidung gekommen. Eine Regelung, die in 1999 wegen Verfassungswidrigkeit abgeschafft worden sei, sei auch in 1994 schon verfassungswidrig gewesen. Das FG hätte im vorliegenden Billigkeitsverfahren bei entsprechender Berücksichtigung der Klage stattgegeben.

Das FA ist der Auffassung, dass die Beschwerde unzulässig sei. Die hier zu beurteilende Billigkeitsmaßnahme betreffe einen Einzelfall. Es seien zudem keine Verfahrensverstöße i.S. des § 96 FGO gegeben.

II. Die Beschwerde ist teils unzulässig, teils unbegründet und damit insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

1. Nach ständiger Rechtsprechung hat eine Sache grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig sein (, BFH/NV 2002, 1455).

Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO müssen diese Voraussetzungen dargelegt werden (dazu vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 116 Rz. 25 f.). Es sind substantielle und konkrete Angaben darüber erforderlich, weshalb eine Entscheidung des Revisionsgerichts über eine bestimmte Rechtsfrage aus Gründen der Rechtsklarheit, der Rechtsfortbildung oder der Einheitlichkeit der Rechtsprechung im allgemeinen Interesse liegt, insbesondere auch, warum auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung die Rechtsfrage nicht beantwortet werden kann.

Die von den Klägern aufgeworfene Frage der Verfassungswidrigkeit des Durchlaufspendenverfahrens hat keine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Es besteht insoweit kein Klärungsbedarf (s. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnrn. 27, 28), weil der Gesetzgeber ab dem Veranlagungszeitraum 2000 das Durchlaufspendenverfahren abgeschafft hat (vgl. § 48 Abs. 2 der Einkommensteuer-DurchführungsverordnungEStDV— i.V.m. Anlage 1). Rechtsfragen, die ausgelaufenes Recht betreffen, haben im Allgemeinen keine grundsätzliche Bedeutung mehr (, BFH/NV 2004, 176).

Die Kläger haben auch nicht dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO), dass die als klärungsbedürftig aufgeworfene Rechtsfrage sich noch künftig bei einem nicht überschaubaren Personenkreis stellen wird (vgl. z.B. , BFH/NV 2000, 748). Ein fortbestehender Klärungsbedarf ist nicht offenkundig.

Im anhängigen Verfahren ist allein die Frage der zutreffenden Ablehnung einer Billigkeitsentscheidung im Streit. Eine grundsätzliche Bedeutung kann nur zur Klärung von Fragen in Betracht kommen, die mit den allgemeinen oder konkreten Voraussetzungen einer Billigkeitsentscheidung zusammenhängen.

2. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert. Dieses Tatbestandsmerkmal erfasst die sog. Divergenzrevision, aber auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung der , BFH/NV 2002, 51). Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung „erfordert” dann eine Entscheidung des BFH, wenn ein FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Rechtsauffassung vertritt als der BFH, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, ein anderes oberstes Bundesgericht oder ein anderes FG.

Im Streitfall ist nicht erkennbar, dass in einem vergleichbaren Billigkeitsverfahren der BFH oder ein anderes FG eine abweichende Beurteilung vorgenommen hat. Die Kläger haben insofern auch lediglich vorgetragen, dass das FG nicht auf die verfassungsrechtlichen Zweifel des BFH, die dieser im Urteil in BFHE 173, 519, BStBl II 1994, 683 geäußert habe, eingegangen sei.

3. Gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO müssen diese Voraussetzungen dargelegt werden.

a) Die Geltendmachung eines Verfahrensmangels verlangt eine genaue Angabe der Tatsachen, die den gerügten Mangel ergeben, unter gleichzeitigem schlüssigen Vortrag, inwiefern das angegriffene Urteil ohne diesen Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 48, 49). Aus dem Vortrag muss erkennbar sein, welche Verfahrensvorschrift das FG nach Ansicht der Beschwerdeführer verletzt hat.

b) Hinsichtlich der nicht vollständigen Wiedergabe des Zwecks der Stiftung kann der Senat offen lassen, ob darin ein Verstoß des FG gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) gesehen werden könnte oder ob das FG seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 FGO) zugrunde gelegt hat. In jedem Fall beruhte die Entscheidung über die Billigkeitsentscheidung nicht auf diesem Umstand. Ebenso ist kein Verfahrensfehler darin zu sehen, dass das FG Ausnahmen vom Durchlaufspendenverfahren bei Zuwendungen in Form von Grundstücken oder Gesellschaftsrechten übersehen hat. Die Frage von Ausnahmen im Durchlaufspendenverfahren und deren Berücksichtigung im Billigkeitsverfahren ist eine Frage der Anwendung des materiellen, nicht aber des Verfahrensrechts. Auch die fehlende Auseinandersetzung mit der Frage der Erstausstattung und deren Besonderheiten durch das FG vermag nicht zu einem Verfahrensfehler zu führen; das finanzgerichtliche Verfahren über die Billigkeitsmaßnahme ist insoweit nicht betroffen.

Auf die verfassungsrechtlichen Bedenken, die hinsichtlich des Durchlaufspendenverfahrens bestanden, ist das FG eingegangen. Dass das FG zu einem anderen Ergebnis gekommen ist als die Kläger, führt ebenfalls nicht zu einem Mangel im finanzgerichtlichen Verfahren.

4. Der Senat weist ausdrücklich darauf hin, dass seine Entscheidung nur das Billigkeitsverfahren betrifft, dass aber durchaus offen ist, wie unter den besonderen Umständen des Streitfalls die Rechtssache zu entscheiden wäre. Nach Auffassung des Senats weisen die Kläger mit einer gewissen Berechtigung auf die Besonderheiten der Erstausstattung einer Stiftung hin. Wenn selbst bei Grundstücksgeschäften auf die Anwendung des Durchlaufspendenverfahrens verzichtet wird (vgl. z.B. S 2729 - 66 - StH 233), könnte dies auch bei der Zuwendung des Geldes zur Erstausstattung der Stiftung geboten sein; in diesen Fällen hätte möglicherweise im Hinblick auf die öffentlich-rechtliche Abwicklung des Stiftungsgeschäfts —nicht nur aus rein praktischen Erwägungen— auf die Anwendung des Durchlaufspendenverfahrens verzichtet werden können. Dies könnte im Streitfall um so mehr gelten, als die Rechtsgrundlagen für das Durchlaufspendenverfahren zweifelhaft waren und die Stiftung offenbar auch gemeinnützige Zwecke verfolgte, für die das Durchlaufspendenverfahren nicht galt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 193
BFH/NV 2005 S. 193 Nr. 2
DStRE 2005 S. 74 Nr. 2
CAAAB-36492