Erklärung eines Rechtsbehelfs zur Niederschrift; Begründung einer Wiedereinsetzung
Instanzenzug:
Gründe
I. In der Sache ist streitig, ob gemäß § 110 der Abgabenordnung (AO 1977) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) schätzte die Besteuerungsgrundlagen (Bescheide vom wegen Umsatzsteuer und vom wegen Gewerbesteuermessbetrag). Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) bat in einem Telefongespräch vom mit dem Sachbearbeiter des FA um Fristverlängerung, die nach einem Vermerk des Sachbearbeiters nicht gewährt wurde. Die Klägerin reichte unter dem die Steuererklärungen ein. Das FA wertete die Erklärungen als Einsprüche, die es aber —da verspätet— als unzulässig verwarf. Wiedereinsetzung komme nicht in Betracht, da die Fristversäumnis verschuldet sei. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Mit der Beschwerde macht die Klägerin geltend, dass die Sache grundsätzliche Bedeutung habe und der Fortbildung des Rechts diene. Es müsse geklärt werden, ob ein Einspruch schriftlich eingelegt werden müsse, wenn der Steuerpflichtige innerhalb der Rechtsbehelfsfrist mit dem Sachbearbeiter telefoniere und diesen um Fristverlängerung für die Einreichung der Unterlagen bitte, ob der Sachbearbeiter des FA auf die Notwendigkeit eines schriftlichen Einspruchs habe hinweisen müssen und ob von einem Verschulden gesprochen werden könne, wenn nach der Rechtsbehelfsbelehrung des FA der Einspruch schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären sei.
Das FA ist der Auffassung, dass die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit der bezeichneten Rechtsfragen nicht herausgearbeitet habe.
II. Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision nur zuzulassen, wenn einer der in Nrn. 1 bis 3 genannten Gründe gegeben ist. Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO müssen diese Voraussetzungen dargelegt werden (dazu vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 116 Rz. 25 f.). Bei den Zulassungsgründen des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO sind substantielle und konkrete Angaben darüber erforderlich, weshalb eine Entscheidung des Revisionsgerichts über eine bestimmte Rechtsfrage aus Gründen der Rechtsklarheit, der Rechtsfortbildung oder der Einheitlichkeit der Rechtsprechung im allgemeinen Interesse liegt, insbesondere auch, warum auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung die Rechtsfrage nicht beantwortet werden kann.
2. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Klägerin hat sich mit der bisherigen Rechtsprechung nicht auseinander gesetzt und nicht dargelegt, warum auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung die bezeichneten Rechtsfragen nicht beantwortet werden können.
a) Die in § 357 Abs. 1 AO 1977 zugelassene Möglichkeit, Rechtsbehelfe zur Niederschrift zu erklären, stellt eine Unterform der schriftlichen Einlegung dar. Das Protokoll soll in diesen Fällen bezeugen, dass die Erklärung einem Beamten gegenüber mündlich abgegeben wurde. Die Erklärung wird erst rechtswirksam, wenn der Beamte eine entsprechende Niederschrift aufnimmt (, nicht veröffentlicht, zitiert nach juris STRE845008360; Pahlke in Pahlke/Koenig, Kommentar zur Abgabenordnung, 2004, § 357 Rz. 15). Ein Einspruch ist daher in allen Fällen schriftlich einzulegen.
Die Klägerin ist nicht auf das (BFHE 80, 325, BStBl III 1964, 590) eingegangen, nach dem eine Erklärung zur Niederschrift durch Fernsprecher nicht zulässig ist. Nach dem (zitiert nach juris STRE835066060) liegt eine wirksame telefonische Rechtsbehelfseinlegung jedenfalls dann nicht vor, wenn eine Niederschrift seitens des FA nicht angefertigt worden ist (kritisch im Hinblick auf die Zulassung anderer moderner Kommunikationsmittel von Wedel in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, Stand Juli 1998, § 357 AO 1977 Tz. 8, 9; Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, Stand März 2003, § 357 AO 1977 Rz. 7a).
b) Ebenso hat die Klägerin nicht dargelegt, dass die Beantwortung der Frage, ob der Sachbearbeiter des FA auf die Notwendigkeit eines schriftlichen Einspruchs habe hinweisen müssen und ob von einem Verschulden gesprochen werden könne, wenn nach der Rechtsbehelfsbelehrung des FA der Einspruch schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären sei, im allgemeinen Interesse liegt und klärungsbedürftig ist.
Unabhängig von der fehlenden Darlegung des Allgemeininteresses vermag selbst eine schuldhaft unterlassene Protokollierung eines zur Niederschrift erklärten Einspruchs diesen als solchen nicht zu ersetzen. Insoweit kommt allerdings Wiedereinsetzung in Betracht. Die Tatsachen zur Begründung eines Wiedereinsetzungsgesuchs sind innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist auch dann schlüssig vorzutragen, wenn der Steuerpflichtige behauptet, mündlich Einspruch eingelegt zu haben (, BFH/NV 1994, 680).
Wiedereinsetzung kann im Übrigen dann in Betracht kommen, wenn die Behörde den Empfänger eines mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheides in seiner rechtsirrigen Annahme bestärkt oder die Annahme erst hervorruft, der „zur Niederschrift bei der Behörde” zu erhebende Einspruch könne auch durch eine telefonisch veranlasste Aktennotiz wirksam eingelegt werden (vgl. Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom V OE 77/77, HessVGRspr 1980, 81). Allein die Bitte um Fristverlängerung führt hingegen nicht zu der Verpflichtung des FA, den Steuerpflichtigen nochmals auf die Voraussetzungen der Einspruchseinlegung hinzuweisen.
Fundstelle(n):
SAAAB-36491