Auswirkungen der Aufdeckung verdeckter Gewinnausschüttungen bei der Kapitalgesellschaft und ihren Anteilseignern
Verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) werden bei Kapitalgesellschaften ab dem Veranlagungszeitraum 2001 mit einer Körperschaftsteuer von 25 % belastet (§ 23 Abs. 1 KStG; für vom Kalenderjahr abweichende Wirtschaftsjahre vgl. § 34 Abs. 2 KStG). Beim Anteilseigner ist die verdeckte Gewinnausschüttung nach dem Halbeinkünfteverfahren zur Hälfte zu erfassen (§ 3 Nr. 40d EStG).
Es ist gefragt worden, ob der formell und materiell bestandskräftige Einkommensteuerbescheid des Anteilseigners geändert werden kann, um die Umqualifizierung bisher voll versteuerter Einkünfte in eine vGA berücksichtigen zu können.
A ist Gesellschafter und Geschäftsführer der X-GmbH. Sein Gehalt beträgt lt. Anstellungsvertrag 250.000,– € pro Jahr. Bei der Gewinnermittlung 2003 berücksichtigt die GmbH den Lohnaufwand als Betriebsausgabe und stellt ihrem Geschäftsführer eine entsprechende Lohnsteuerkarte aus. A erklärt den Arbeitslohn von 250.000,– € in seiner Einkommensteuererklärung 2003 als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG). Der Arbeitslohn wird im Einkommensteuerbescheid 2003 entsprechend berücksichtigt. Der Bescheid wird formell und materiell bestandskräftig.
Im Rahmen einer späteren Außenprüfung bei der GmbH sieht das Finanzamt das vereinbarte Gehalt jedoch als zu hoch an und versteuert 100.000,– € als vGA. Der Körperschaftsteuerbescheid der GmbH wird nach § 164 Abs. 2 AO geändert.
Für A bedeutet dies, dass der bisher voll besteuerte Arbeitslohn (250.000,– €) in Höhe von 100.000,– € als vGA zu qualifizieren ist. Insoweit liegen bei A Einnahmen aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) vor, die gem. § 3 Nr. 40d EStG nur zur Hälfte, also in Höhe von 50.000,– €, einkommensteuerpflichtig sind. Daher wäre der Einkommensteuerbescheid des A entsprechend zu seinen Gunsten zu ändern.
Hierzu ist folgende Auffassung zu vertreten:
Die steuerliche Behandlung einer (offenen oder verdeckten) Gewinnausschüttung bei der Kapitalgesellschaft und den Anteilseignern ist voneinander unabhängig, weil weder das EStG noch das KStG diesbezüglich eine korrespondierende Besteuerung vorsehen.
Die Frage, ob, aus welchen Gründen und in welcher Höhe ein bestimmter Sachverhalt eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellt, haben das Körperschaftsteuer-Finanzamt und das für die Veranlagung des Anteilseigners zuständige Finanzamt jeweils selbständig zu entscheiden (, BStBl 1993 II S. 569).
Da die vGA steuerlich sowohl bei der GmbH als auch beim Anteilseigner – also mehrfach – zu berücksichtigen ist, kann die korrespondierende steuerliche Behandlung des Sachverhalts nicht mithilfe des § 174 Abs. 1 AO erreicht werden (, BStBl 1995 II S. 264).
Der Körperschaftsteuerbescheid der Kapitalgesellschaft ist kein Grundlagenbescheid für den Einkommensteuerbescheid des Anteilseigners. Der Einkommensteuerbescheid kann daher nicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert werden (, a. a. O.).
Die geänderte rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts der dem Finanzamt bei Erlass des Steuerbescheides bekannt war, stellt kein rückwirkendes Ereignis dar (, BStBl 1989 II S. 75). Auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO kann die Änderung des Einkommensteuerbescheids daher ebenfalls nicht gestützt werden.
Gem. § 173 Abs. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren oder niedrigeren Steuer führen. Bei Sachverhalten, die bei verschiedenen Steuerpflichtigen steuerlich eigenständig zu berücksichtigen sind, weil die Steuergesetze keine korrespondierende Berücksichtigung vorschreiben, sind die für die einzelne Steuerfestsetzung relevanten Tatsachen und steuerrechtliche Bewertungen zu unterscheiden (vgl. hierzu AEAO zu § 173, Nr. 1). Ergebnismitteilungen des Körperschaftsteuer-Finanzamts an das für die Veranlagung der Anteilseigner zuständige Finanzamt über eine bei einer GmbH durchgeführte Außenprüfung geben rechtliche Schlussfolgerungen und Schätzungsergebnisse wieder, sie stellen für sich jedoch keine Tatsachen dar, die zu einer Änderung nach § 173 Abs. 1 AO berechtigen (, BStBl 1993 II S. 569). Deshalb müssen den für die Veranlagung der Anteilseigner zuständigen Finanzämtern die entscheidungserheblichen Tatsachen mitgeteilt werden; die bloße Mitteilung, es seien verdeckte Gewinnausschüttungen festgestellt worden, reicht nicht aus, um eine Änderung nach § 173 Abs. 1 zu rechtfertigen (AEAO zu § 173, Nr. 1.1.3). Zu beachten ist ferner, dass neue Tatsachen oder Beweismittel die Änderung eines Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 AO nur rechtfertigen können, wenn sie rechtserheblich sind. Die Rechtserheblichkeit ist zu bejahen, wenn das Finanzamt bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsachen oder Beweismittel schon bei der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer höheren oder niedrigeren Steuer gelangt wäre (vgl. , BStBl 1988 II S. 180). Kommt die Anwendung des § 173 AO in Betracht, weil dem für die Besteuerung des Anteilseigners zuständigen Finanzamt erstmals ein Sachverhalt bekannt wird, der die Annahme einer vGA rechtfertigt, darf den Steuerpflichtigen im Fall des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO kein grobes Verschulden daran treffen, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden (vgl. hierzu AEAO zu § 173, Nr. 5). § 173 Abs. 1 Satz 2 AO, wonach das Verschulden unbeachtlich ist, wenn die Steuer mindernden Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Steuer erhöhenden Tatsachen oder Beweismitteln stehen, ist nicht anwendbar, weil es sich bei der GmbH einerseits und dem Anteilseigner andererseits nicht um ein und denselben Steuerpflichtigen handelt.
Schließlich ist zu beachten, dass eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig ist, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Betrifft eine Außenprüfung nur die GmbH selbst, nicht auch deren Gesellschafter, erstreckt sich die durch die Außenprüfung bei der GmbH ausgelöste Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 4 AO nicht auf die Einkommensteuerbescheide der Gesellschafter.
Ist dem für die Einkommensteuerveranlagung des Anteilseigners zuständigen Finanzamt bekannt, dass bei der Kapitalgesellschaft, an der der Anteilseigner beteiligt ist, eine Außenprüfung durchgeführt (werden) wird, sollten die den Prüfungszeitraum betreffenden Einkommensteuerbescheide gem. § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen werden. Einen Rechtsanspruch hat der Anteilseigner hierauf indes nicht.
Hat das Finanzamt Zweifel, welcher Einkunftsart die vom Anteilseigner erklärten Besteuerungsgrundlagen zuzuordnen sind, kann es den Einkommensteuerbescheid deswegen nicht gem. § 165 Abs. 1 Satz 1 AO vorläufig ergehen lassen. Denn eine Steuerfestsetzung kann nur im Hinblick auf ungewisse Tatsachen, nicht aber hinsichtlich der steuerrechtlichen Beurteilung von Tatsachen für vorläufig erklärt werden (AEAO zu § 165, Nr. 1).
OFD Magdeburg v. - S 0350 - 8 - St 251
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
EAAAB-36192