BFH Beschluss v. - III B 166/03

Erlass bestandskräftig festgesetzter ESt aus gewinnerhöhender Auflösung eines negativen Kapitalkontos; Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes der Sicherung einer einheitlichen Rspr.

Gesetze: AO § 227; EStG § 15a; FGO § 115

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Sie ist durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat den sinngemäß geltend gemachten Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

1. Der Kläger war alleiniger Kommanditist einer GmbH & Co. KG gewesen. Er begehrte mit der Klage vergeblich den Erlass rechtskräftig festgesetzter Einkommensteuer für 1986, die auf einem Veräußerungsgewinn aus der gewinnerhöhenden Auflösung seines negativen Kapitalkontos beruht.

Der Kläger trägt vor, das Finanzgericht (FG) habe das (BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297) „missachtet”. Danach sei die Besteuerung aus der Auflösung eines negativen Kapitalkontos sachlich unbillig, soweit das negative Kapitalkonto durch Verluste entstanden sei, für die die Möglichkeit des Verlustabzugs nach § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht habe genutzt werden können. Soweit das negative Kapitalkonto durch Entnahmen zur Erfüllung von Bürgschaftsverpflichtungen entstanden sei, habe das FG den Beschluss des Großen Senats des (BFHE 132, 244, BStBl II 1981, 164) nicht angewendet. Hafte der Kommanditist aufgrund der Entnahmen den Gläubigern der KG nach § 171 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB), dürfe das durch die Entnahmen entstandene negative Kapitalkonto nicht gewinnwirksam aufgelöst werden (vgl. § 15a Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 EStG).

Außerdem könne —wie das FG selbst ausgeführt habe— nach ständiger Rechtsprechung des BFH ein bestandskräftiger Steuerbescheid im Billigkeitsweg sachlich überprüft werden, wenn die Steuerfestsetzung eindeutig falsch und es dem Steuerpflichtigen nicht möglich und zumutbar gewesen sei, sich dagegen zu wehren. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) habe durch sein eigenes Gutachten festgestellt, dass die einheitliche und gesonderte Feststellung 1986 für die GmbH & Co. KG offensichtlich und eindeutig unrichtig sei. Zu Unrecht habe das FG angenommen, ihm, dem Kläger, sei es möglich und zumutbar gewesen, gegen den Feststellungsbescheid rechtzeitig Einspruch zu erheben.

Für eine zulässige Divergenzrüge im engeren Sinne fehlt es bereits an der erforderlichen Gegenüberstellung tragender, sich widersprechender abstrakter Rechtssätze in dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und in den angeblichen Divergenzentscheidungen des BFH andererseits (zu dieser Voraussetzung , BFH/NV 2003, 1445, m.w.N.).

Das FG hat die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe für einen Erlass gemäß § 227 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) bestandskräftig festgesetzter Steuern wegen sachlicher Unbilligkeit unter Bezugnahme auf das (BFHE 150, 502, BStBl II 1988, 512) zutreffend dargestellt. In Anwendung dieser Maßstäbe hat das FG ausgeführt, der Kläger habe keine substantiierten Gründe angegeben, weshalb es ihm seinerzeit nicht möglich und zumutbar gewesen sei, gegen den Feststellungs- und Einkommensteuerbescheid 1986 sowie wegen nicht berücksichtigter Verluste gegen die Feststellungs- und Einkommensteuerbescheide 1984 und 1985 Einspruch einzulegen. Immerhin ist der maßgebende Feststellungsbescheid für 1986, mit dem ein Veräußerungsgewinn in Höhe von ... DM festgestellt worden ist, lange Zeit nach dem Beschluss des Amtsgerichts vom März 1986 ergangen, mit dem die Eröffnung eines Konkursverfahrens über das Vermögen der KG mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse zurückgewiesen worden war. Zudem stand der Feststellungsbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, so dass der Kläger spätestens nach Ergehen des Einkommensteuerbescheides für 1986 vom ohne weiteres noch einen Antrag auf Änderung gemäß § 164 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 hätte stellen können und müssen.

Das FG hat sich auch mit dem BFH-Urteil in BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297 auseinander gesetzt, aber die darin geforderten Voraussetzungen für einen Erlass der Einkommensteuer bei gewinnerhöhender Auflösung eines Kapitalkontos im Streitfall verneint. Nach den —nicht mit fristgerechten Verfahrensrügen angegriffenen (s. unter 3. der Entscheidungsgründe)— Feststellungen des FG, die den BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO auch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren binden, haben sich die seit Gründung der KG dem Kläger als ehemaligen Kommanditisten zugewiesenen Verluste bei dessen Einkommensteuerfestsetzungen steuermindernd ausgewirkt. Für die Jahre 1984 und 1985 hätten nach den bestandskräftig gewordenen Feststellungs- und Einkommensteuerbescheiden für 1984 und 1985 keine Verluste bestanden.

Eine Abweichung von dem Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 132, 244, BStBl II 1981, 164 hat der Kläger ebenfalls nicht dargetan. Der Große Senat hat nur darüber entschieden, dass dem Kommanditisten ein Verlust der KG auch dann einkommensteuerrechtlich zuzurechnen ist, wenn er zu einem negativen Kapitalkonto führt, und dass sich bei dessen Wegfall ein steuerpflichtiger Gewinn des Kommanditisten in Höhe des negativen Kapitalkontos ergibt. Der Große Senat des BFH hat sich hingegen nicht zu der vom Kläger aufgeworfenen Frage geäußert, ob entsprechend § 15a Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 EStG das negative Kapitalkonto nicht gewinnwirksam aufgelöst werden dürfe, wenn die Entnahmen eine Außenhaftung des Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 HGB zur Folge gehabt hätten.

Im Übrigen hat das FG ausgeführt, eine sachliche Überprüfung komme im Rahmen des Erlassverfahrens nicht in Betracht, weil es dem Kläger zumutbar und möglich gewesen sei, Einspruch auch insoweit einzulegen, als das negative Kapitalkonto auf Entnahmen des Klägers zurückzuführen sei, die im Außenverhältnis zu einer Rückzahlungsverpflichtung geführt hätten.

Das FG hat mithin keine abweichenden rechtlichen Maßstäbe angewendet, sondern allenfalls die Voraussetzungen für die Zumutbarkeit und Möglichkeit zur fristgerechten Einlegung eines Einspruchs gegen den Feststellungsbescheid 1986 fehlerhaft verneint.

2. Soweit der Kläger eine unrichtige Würdigung des Sachverhalts und eine unzutreffende Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Streitfall rügt, wird damit keine Notwendigkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dargetan.

Ein derartiger materiell-rechtlicher Fehler führt grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision, es sei denn, es handelte sich um offensichtliche Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung (BFH-Beschlüsse vom III B 28/02, BFH/NV 2002, 1474, und in BFH/NV 2003, 1445, m.w.N.).

Für einen solchen qualifizierten Rechtsanwendungsfehler hat der Kläger indes nichts vorgetragen.

3. Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom verfahrensfehlerhafte Feststellungen des FG, u.a. infolge einer mangelnden Aufklärung des Sachverhalts, geltend macht, kann offen bleiben, ob überhaupt ein Verfahrensverstoß ordnungsgemäß bezeichnet worden ist (vgl. zu den Anforderungen , BFH/NV 2003, 1214).

Erst nach Ablauf der —hier bis zum verlängerten— Begründungsfrist (§ 116 Abs. 3 Sätze 1 und 4 FGO) erstmals geltend gemachte Zulassungsgründe sind bei der Entscheidung über eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr zu berücksichtigen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 1214, m.w.N.).

4. Von der Darstellung des Tatbestandes und einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

Fundstelle(n):
CAAAB-36132