BFH Beschluss v. - VIII B 78/04

Kinderzulage nach § 583 Abs. 3 RVO a. F. ist eine Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung i. S. des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG; Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung und eines Verfahrensfehlers

Gesetze: EStG § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; FGO § 115 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat nicht schlüssig dargelegt, dass die Frage, ob der lohnauszahlende Arbeitgeber pauschal als Familienkasse für Beamte anzusehen oder ob die Familienkasse des materiell-rechtlich zuständigen Dienstherrn als Kindergeldauszahlungsbehörde allein zuständig sei, grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Er hat nicht substantiiert vorgetragen, dass diese Rechtsfrage in ihrer Bedeutung über den Streitfall hinausgeht, also im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist, und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist (vgl. zu den Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung z.B. , BFH/NV 1987, 309, m.w.N.).

2. Anders als der Kläger meint, stellt sich auch im Zusammenhang mit der von der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) an seine Ehefrau gezahlten Kinderzulage keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird Kindergeld nicht für ein Kind gezahlt, für das Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gezahlt werden. Nach der Mitteilung der VBG wird die Kinderzulage für die Ehefrau des Klägers nach § 583 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) a.F. gewährt. Es handelt sich dabei um eine Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung, so dass der Tatbestand des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erfüllt ist.

3. Das Finanzgericht (FG) hat entgegen der Rüge des Klägers auch keinen Verfahrensfehler (Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 FGO; Verletzung rechtlichen Gehörs) dadurch begangen, dass es die vom Kläger angebotenen Beweise nicht erhoben hat. Denn bei der Beurteilung, ob das FG einen Verfahrenfehler begangen hat, kommt es auf dessen materiell-rechtlichen Standpunkt unabhängig davon an, ob dieser Standpunkt zutreffend ist oder nicht (vgl. z.B. , BFHE 189, 148, BStBl II 1999, 731, m.w.N.). Sind nach dem materiell-rechtlichen Standpunkt des FG bestimmte Umstände nicht für seine Entscheidung erheblich, kann es keinen Verfahrensfehler begründen, dass es sie nicht aufklärt. So lag es im Streitfall. Der Kläger hat selbst vorgetragen, das Gericht sei der Meinung gewesen, es komme für seine Entscheidung auf die von ihm, dem Kläger, für aufklärungsbedürftig gehaltenen Umstände nicht an.

4. Die Entscheidung des Streitfalles erfordert auch nicht die Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang damit, unter welchen Voraussetzungen der Vertrauensschutz als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben der Rückforderung eines zu Unrecht gezahlten Kindergeldes entgegensteht. Der Senat hat sich in seinem —vom Kläger zitierten— Urteil vom VIII R 56/01 (BFHE 203, 472, BStBl II 2004, 123) grundsätzlich mit der Frage des Vertrauensschutzes bei der Rückforderung von Kindergeld auseinander gesetzt. Einen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt. Das Vorbringen, dass in der Vergangenheit eine andere Behörde bei Anwendung einer mit § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG vergleichbaren Vorschrift das Kindergeld nicht um die Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung gekürzt habe, kann —seine Richtigkeit unterstellt— keinen Vertrauensschutz des Klägers begründen. Es ist nicht klärungsbedürftig, sondern offensichtlich, dass eine neu zuständig gewordene Behörde (Familienkasse) bei der Anwendung des für sie geltenden Gesetzes nicht eine fehlerhafte Rechtsanwendung wieder aufnehmen muss, die einer früher für die Kindergeldfestsetzung zuständig gewesenen Behörde bei der zeitweiligen Anwendung einer vergleichbaren Vorschrift unterlaufen ist. Denn eine Behörde müsste sogar ihre eigene und später als falsch erkannte Rechtsauffassung zum frühest möglichen Zeitpunkt aufgeben, auch wenn der Betroffene auf sie vertraut haben sollte (vgl. z.B. , BFHE 155, 538, BStBl II 1989, 363).

5. Soweit der Kläger geltend macht, er habe entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanz nicht dadurch gegen seine Mitwirkungspflicht nach § 68 Abs. 1 EStG verstoßen, dass er die Wiederaufnahme der Zahlung der Kinderzulage an seine Ehefrau ab dem nicht mitgeteilt habe, hat er einen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO nicht schlüssig dargelegt. Denn daraus, dass zu einem Problemkreis noch keine finanzgerichtlichen Entscheidungen ergangen sind, folgt nicht, dass insoweit ein in seiner Bedeutung über den Streitfall hinausgehender Klärungsbedarf besteht (vgl. z.B. , BFH/NV 1995, 910).

6. Die Revision ist auch nicht zur Klärung der Rechtsfrage zuzulassen, ob der Bescheid des Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung über die Zahlung einer Kinderzulage für den Bescheid über die Festsetzung von Kindergeld ein Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung (AO 1977) ist. Denn da das FG die Änderung des Bescheides über die Festsetzung von Kindergeld bereits gemäß § 70 Abs. 2 EStG für zulässig gehalten hat und insoweit ein Grund für die Zulassung der Revision nicht schlüssig dargelegt worden ist, ist nicht mehr entscheidungserheblich, ob die Änderung zusätzlich auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 hätte gestützt werden können.

7. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.

Fundstelle(n):
HAAAB-35556