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OFD Hannover - S 0331 - 4 - StH 462 S 0331 - 5 - StO 321

Einzelfragen zur Anwendung der Kleinbetragsverordnung (Veranlagungszeiträume ab 2002)

Aufgrund der Ermächtigung in § 156 Abs. 1 AO hat der Bundesminister der Finanzen mit Zustimmung des Bundesrates die Kleinbetragsverordnung (KBV) vom (BStBl 1980 I S. 784), neugefasst durch Art. 26 StEuglG vom (BGBl 2000 I S. 1790) erlassen. Nach Art. 97 § 9a EGAO sind die Vorschriften der KBV in der Neufassung vom auf Steuern anzuwenden, die nach dem entstanden sind. [1] Bei der Anwendung der KBV ist Folgendes zu beachten:

1. Anwendungsbereich

  1. Die KBV gilt nur für das Festsetzungsverfahren. Im Erhebungsverfahren ist sie nicht anwendbar. Soweit sich Kleinbeträge kassentechnisch als Rest eines ursprünglich höheren Anspruchs ergeben (z. B. nach teilweiser Zahlung, durch Anrechnung von Vorauszahlungen, durch Umbuchung oder Aufrechnung), ist die Behandlung von Kleinbeträgen durch Verwaltungserlass geregelt worden. [2]

  2. Die Regelungen der KBV gelten für sämtliche Verfahrensstadien, d. h., auch bei der Entscheidung über Rechtsbehelfe gegen Steuerbescheide oder bei der Änderung von Steuerfestsetzungen, die unter Vorbehalt der Nachprüfung stehen oder für vorläufig erklärt worden sind.

II. Änderungen oder Berichtigungen (§§ 1 – 4 KBV)

1 Allgemeines

1.1

Die §§ 1 – 4 KBV finden Anwendung, wenn die dort genannten Festsetzungen und Feststellungen geändert/berichtigt werden. Dabei ist es – entgegen der bisherigen Regelung – unbeachtlich, ob sich die Änderung/Berichtigung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Steuerpflichtigen (Stpfl.) auswirkt (s.a. Nr. 7 AEAO vor §§ 172 – 177 AO).

Die KBV gilt nicht für

  1. erstmalige Festsetzungen/Feststellungen,

  2. Änderungen oder Berichtigungen anderer, nicht in der KBV genannten Festsetzungen/Feststellungen,

  3. ersatzlose Aufhebungen von Festsetzungen/Feststellungen,

  4. steuerliche Nebenleistungen (z. B. Verspätungszuschläge).

1.2

Um eine Festsetzung i. S. der KBV handelt es sich auch, wenn ein Freistellungsbescheid oder ein Bescheid über die Ablehnung eines Antrags auf Durchführung einer Veranlagung geändert oder berichtigt werden soll.

2 Zu § 1

2.1 Einkommensteuer und Körperschaftsteuer
2.1.1

Bei diesen Steuern ist nach § 1 Abs. 1 Satz 2 KBV für die Berechnung der Abweichung jeweils die nach Abzug von Steuerabzugsbeträgen und Anrechnung von Körperschaftsteuer verbleibende Steuer zu vergleichen. Denn im automatisierten Besteuerungsverfahren wird nur dieser Steuerbetrag (die sog. Zahllast) und nicht die „festgesetzte Steuer” gespeichert. Ist die erstmalige Steuerfestsetzung bereits geändert oder berichtigt worden, so ist die jeweils letzte Festsetzung Ausgangspunkt für die Berechnung der Abweichung.

2.1.2

Ist ausschließlich die Anrechnung der Steuerabzugsbeträge zu Ungunsten des Stpfl. zu berichtigen, ohne dass die Steuerfestsetzung selbst geändert wird [3], so findet § 1 KBV zwar unmittelbar keine Anwendung; es bestehen jedoch keine Bedenken, auch in diesen Fällen bei Abweichungen zum Nachteil des Stpfl. von weniger als 10,– EUR von einer Berichtigung abzusehen.

2.2 Solidaritätszuschlag (Annexsteuern)

Nach § 1 Abs. 5 Satz 2 Solidaritätszuschlagsgesetz (SolZG) vom [4] ist bei einer Änderung/Berichtigung der Einkommen- oder Körperschaftsteuer auch eine entsprechende Änderung/Berichtigung der Annex-Steuerfestsetzung vorzunehmen, ohne dass bei den Annexsteuern die Voraussetzungen des § 1 KBV geprüft werden. Unterbleibt die Änderung/Berichtigung der zugrunde liegenden Steuerfestsetzung, weil die Voraussetzungen des § 1 KBV nicht vorliegen, so wird auch eine Folgeänderung/Folgeberichtigung der Annexsteuern nicht durchgeführt.

2.2.2

Sind ausschließlich die Annexsteuern zu ändern/berichtigen (isolierte Änderung/Berichtigung), so ist die KBV nicht anzuwenden.

2.3 Kirchensteuer [5]

Die KBV ist auf die Kirchensteuer nicht anwendbar.

Daraus folgt:

2.3.1

Liegen die Gründe für eine Änderung/Berichtigung ausschließlich im Bereich der Kirchensteuer (isolierte Änderung/Berichtigung, z. B. wegen unzutreffender Schlüsselzahl, unrichtiger Angaben zur Dauer der Kirchenzugehörigkeit oder zur Höhe der anzurechnenden Abzugsbeträge a. ä.), so ist stets eine Änderung/Berichtigung unabhängig von der Höhe des nachzuerhebenden Betrags durchzuführen.

2.3.2

Bei einer Änderung/Berichtigung der Einkommensteuer (Lohnsteuer) wird die Kirchensteuer auch dann neu festgesetzt, wenn die Abweichung von der bisherigen Festsetzung oder von dem bisherigen Erstattungsbetrag weniger als 10,– EUR beträgt.

2.3.3

Unterbleibt die Änderung/Berichtigung der Einkommensteuer (Lohnsteuer), so wird – mangels neuer Bemessungsgrundlage – auch eine Folgeänderung/Folgeberichtigung der Kirchensteuerfestsetzung nicht durchgeführt.

2.4 Arbeitnehmer-Sparzulage
2.4.1

Bei der Arbeitnehmer-Sparzulage ergeben sich mittelbare Konsequenzen aus § 1 KBV, wenn

  1. der bisherigen Einkommensteuerfestsetzung im maßgeblichen Kalenderjahr ein zu versteuerndes Einkommen von nicht mehr als 17.900,– EUR/35.800,– EUR zugrunde liegt und

  2. sich nachträglich herausstellt, dass das zu versteuernde Einkommen die Grenze von 17.900,– EUR/35.800,– EUR übersteigt und

  3. die Änderung/Berichtigung der bisherigen Einkommensteuerfestsetzung nach § 1 KBV unterbleibt.

Nach § 13 des 5. Vermögensbildungsgesetzes ist zwar für die Berechnung der Einkommsgrenze das „zu versteuernde Einkommen” (§ 32 Abs. 1 EStG) maßgebend. In den vorstehend genannten Fällen liegt das tatsächlich zu versteuernde Einkommen auch über 17.900,– EUR/35,800,– EUR. Da jedoch nach § 1 KBV die Steuerfestsetzung selbst nicht geändert wird, ist auch von einer Rückforderung der Arbeitnehmer-Sparzulage gem. § 9 VermBDV 1994 abzusehen.

2.4.2

Die Rückforderung von Arbeitnehmer-Sparzulage unterbleibt, wenn der zurückzufordernde Betrag 5,– EUR nicht übersteigt (§ 9 Satz 2 VermBDV 1994).

2.4.3

Festzusetzende Arbeitnehmer-Sparzulage ist auf den nächsten vollen Euro-Betrag aufzurunden (§ 6 Abs. 1 VermBDV 1994).

2.5 Umsatzsteuer

Nach § 1 Abs. 2 KBV ist eine von der angemeldeten Umsatzsteuervorauszahlung oder Jahressteuer abweichende Festsetzung, Änderung oder Berichtigung durch das Finanzamt nur zulässig, wenn die Abweichung mindestens 10,– EUR beträgt. Dasselbe gilt nach § 1 Abs. 2 letzter Satz KBV, wenn die bisherige Steuer durch Steuerbescheid festgesetzt worden ist. Die vorstehende Regelung gilt jedoch nur für Änderungen oder Berichtigungen, die das Finanzamt vornimmt. Gibt der Stpfl. eine geänderte/berichtigte Steueranmeldung ab, so ist diese auch dann entgegenzunehmen, wenn sich eine Steuererhöhung von weniger als 10,– EUR ergibt.

2.6 Feuerschutzsteuer und Versicherungsteuer

Die Regelung in Nr. 2.5 gilt sinngemäß auch für die Feuerschutzsteuer und die Versicherungsteuer.

2.7 Lohnsteueranmeldung

Nach § 1 Abs. 3 KBV ist die Kleinbetragsregelung des Abs. 2 auf Lohnsteueranmeldungen des Arbeitgebers erst anzuwenden, wenn die Lohnsteueranmeldung unanfechtbar geworden ist. Damit soll einer missbräuchlichen Ausnutzung der Kleinbetragsregelung vorgebeugt werden.

3 Zu § 2

Gewerbesteuermessbeträge

Für die Bestimmung der Kleinbetragsgrenze i. H. v. 2,– EUR waren die bei den Gemeinden bestehenden Hebesätze von Bedeutung. Weicht der neue Steuermessbetrag um nicht mehr als 2,– EUR von der bisherigen Festsetzung ab, liegen die steuerlichen Auswirkungen – von Einzelfällen abgesehen – unter der vom Gesetzgeber bestimmten Grenze von 10,– EUR.

4 Zu § 3

4.1 Änderung oder Berichtigung der gesonderten Feststellung von Einkünften
4.1.1

Nach § 3 Abs. 1 KBV findet eine Änderung oder Berichtigung nur statt, wenn sich die Höhe der Einkünfte bei mindestens einem Beteiligten um mindestens 20,– EUR ermäßigt oder erhöht.

Danach unterbleibt bei Unterschreiten der Betragsgrenze von 20,– EUR eine Änderung oder Berichtigung einer einheitlichen und gesonderten Feststellung, wenn ausschließlich die Höhe der Einkünfte berührt ist. Die Kleinbetragsregelung ist nicht anzuwenden, wenn z. B.

  1. die Art der Einkünfte betroffen ist,

  2. zu entscheiden ist, ob es sich um laufenden Gewinn oder einen Veräußerungsgewinn handelt,

  3. weitere Beteiligte in die Feststellung einbezogen oder bisher Beteiligte nicht mehr einbezogen werden sollen.

4.1.2

Die Regelung stellt auf die Höhe der auf den einzelnen Beteiligten entfallenden Einkünfte ab. Ermäßigen sich die einem Beteiligten zuzurechnenden Einkünfte um mehr als 20,– EUR, so wird die gesonderte und einheitliche Feststellung auch dann geändert/berichtigt, wenn sich dadurch bei anderen Beteiligten eine Erhöhung von weniger als 20,– EUR ergibt.

4.1.3

Bei gesonderten Feststellungen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2b AO gilt Entsprechendes (§ 3 Abs. 2 KBV).

4.1.4

Unabhängig von § 3 KBV ist bei der Änderung der Folgebescheide die Regelung des § 1 KBV zu beachten.

4.1.5

Die Vorschrift des § 3 KBV gilt nicht in Fällen, in denen andere Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden, z. B. nicht für

  1. Einheitswertbescheide,

  2. Feststellungen nach § 47 KStG,

  3. Teilwertfeststellungen nach § 55 Abs. 5 EStG.

5 Zu § 5

5.1 Rückforderung von Wohnungsbauprämien
5.1.1

Bei der Prüfung der Frage, ob wegen Überschreitens der Einkommensgrenze Wohnungsbauprämien zurückzufordern sind, ist entsprechend den Ausführungen in Nr. 2.4 zu verfahren.

5.1.2

Wohnungsbauprämien sind nur zurückzufordern, wenn die Rückforderung mindestens 20,– EUR beträgt (§ 5 KBV). Für diese Grenze ist allein der Gesamtbetrag maßgebend, der durch einen Bescheid zurückgefordert wird. Ob der jeweilige Rückforderungsbescheid einen oder mehrere Verträge oder ein bzw. mehrere Kalenderjahre berührt, ist dabei unerheblich (Abschn. 13 Abs. 6 WoPR).

6 Zu § 4

Investitions- oder Eigenheimzulagebescheide werden nur geändert oder berichtigt, wenn sich die Investitions- oder Eigenheimzulage um mindestens 10,– EUR ändert.

OFD Hannover v. - S 0331 - 4 - StH 462S 0331 - 5 - StO 321

Fundstelle(n):
GAAAB-27828

1Für Steuern, die vor dem entstanden sind, bleiben die Vorschriften der KBV in der bis zum geltenden Fassung weiter anwendbar (Art. 97, Hinweis auf Karte 3b)

2s. AO-Kartei § 156 Karte 2 und Karte 3 rosa

3vgl. AO-Kartei, § 218 AO Karte 1 Nr. 3

4BGBl 2002 I S. 4130

5Hinweis auf Niedersächsisches FinMin mit Erlass vom – S 3600 – 56 – 34 –