Keine grundsätzliche Bedeutung bei einzelfallbezogener Verschuldensprüfung; § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO erfasst nur Verstöße des FG gegen Vorschriften des gerichtlichen Verfahrens; keine Akteneinsicht nach Begründungsfristablauf
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 56
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die —zum Teil ohne Beachtung der Darlegungserfordernisse des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO)— geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nr. 1, 3 FGO liegen nicht vor.
1. Die mit der Beschwerde sinngemäß aufgeworfene Frage, ob die —rechtlich zutreffend abgefasste— Rechtsmittelbelehrung der Einspruchsentscheidung für den 81 Jahre alten Vertreter der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) missverständlich (dazu vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom IX B 87/87, BFH/NV 1988, 180; vom II B 33/00, BFH/NV 2000, 1234) und ob die förmliche Zustellung der Einspruchsentscheidung (dazu vgl. , BFHE 150, 305, BStBl II 1988, 392; Beschluss vom III B 29/94, BFH/NV 1995, 276) für ihn nicht als solche zu erkennen war, so dass er deshalb die Klagefrist nicht richtig berechnen konnte, zielt darauf, ob die Versäumung der Klagefrist als unverschuldet i.S. von § 56 FGO anzusehen ist. Diese Frage hat —abgesehen von der fehlenden Auseinandersetzung mit der vorstehenden Rechtsprechung— schon deshalb keine über den Streitfall hinausreichende und damit grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, weil für die Verschuldensprüfung einzelfallbezogen auf die individuellen Fähigkeiten des Säumigen und die ihm zumutbare Sorgfalt abzustellen ist.
2. Auch ein Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegt nicht vor.
a) Das Finanzgericht (FG) hat § 56 FGO nicht unrichtig angewandt. Aus dem Mitte Dezember 2003 beim FG eingegangenen Schriftstück war lediglich zu entnehmen, dass der Vertreter der Klägerin die Klagefrist unzutreffend berechnet hatte. Ein solcher Rechtsirrtum schließt für sich allein nicht ohne weiteres ein Verschulden aus. An einer vertieften Prüfung war das FG insoweit gehindert, weil für die Klägerin trotz ordnungsgemäßer Ladung in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist und vor der mündlichen Verhandlung auch keine Hinderungsgründe für das Erscheinen vorgetragen worden waren.
b) Die Beanstandungen, die die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Bekanntgabe der angefochtenen Steuerbescheide und der Zustellung der Einspruchsentscheidung erhebt, betreffen Vorschriften des Besteuerungs- und Einspruchsverfahrens. Der Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO erfasst aber nur Verstöße des FG gegen Vorschriften des Gerichtsverfahrensrechts (vgl. BFH-Beschlüsse vom X B 23/01, BFH/NV 2001, 1529, unter 3.; vom IX B 139/02, BFH/NV 2003, 1436, m.w.N.). Im Übrigen hätte die Klägerin die vermeintlichen Zustellungsmängel bereits im finanzgerichtlichen Verfahren, spätestens in der mündlichen Verhandlung vor dem FG zur Sprache bringen können und müssen; dies ist nicht geschehen.
3. Der Senat sieht sich durch die beantragte Akteneinsicht (§ 78 Abs. 1 FGO) nicht an seiner Entscheidung gehindert. Zum einen haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin von der Möglichkeit der bereits im Juni 2004 beantragten Akteneinsicht keinen Gebrauch gemacht. Zum anderen war zum Zeitpunkt des Antrags die —bereits um einen weiteren Monat verlängerte und danach nicht mehr weiter verlängerbare— Frist zur Begründung der Beschwerde (§ 116 Abs. 3 FGO) abgelaufen. Aus der Akteneinsicht sich möglicherweise ergebendes weiteres Beschwerdevorbringen hätte nicht mehr berücksichtigt werden können.
Fundstelle(n):
GAAAB-27802