Ausschüttungsbelastung bei vGA [BStBl 2004 II S. 1010]
Leitsatz
Eine andere Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG a.F. setzt eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) bei einer Kapitalgesellschaft voraus, die sich zusätzlich durch einen tatsächlichen Mittelabfluss realisiert hat. Dies gilt auch im Falle verdeckter Gewinnausschüttungen.
Gesetze: KStG a.F. § 8 Abs. 3 Satz 2KStG a.F. § 27 Abs. 1KStG a.F. § 27 Abs. 3 Satz 2KStG a.F. § 30KStG a.F. § 41 Abs. 1KStG a.F. § 44 Abs. 1
Instanzenzug: (EFG 2003, 1039) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Streitig ist, ob für eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) aufgrund der Wertberichtigung einer Forderung die Ausschüttungsbelastung herzustellen ist.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betrieb Textilhandelsgeschäfte und Handelsvertretungen. Seit 1987 führte die Klägerin für ihre alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin, Frau A, ein Verrechnungskonto. Dies wies vom bis zum Aktivbestände zwischen rd. 340 000 DM und 1,3 Mio. DM aus. Sicherheiten wurden der Klägerin nicht gegeben.
In der Bilanz zum 31. Dezember des Streitjahres 1995 wurde die Forderung um 963 905,66 DM wertberichtigt. Danach verblieb ein Ansatz von 320 000 DM. In gleicher Höhe bestand eine Pensionsverpflichtung der Klägerin gegenüber Frau A. Den Betrag dieser Wertberichtigung rechnete die Klägerin als „nicht abziehbare Aufwendungen” dem Gewinn wieder hinzu.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) gelangte hingegen zu der Auffassung, dass die Wertberichtigung eine vGA darstelle und zudem die Ausschüttungsbelastung herzustellen sei. Er setzte (mit Einspruchsentscheidung vom ) die Körperschaftsteuer für das Streitjahr mit 245 924 DM fest. Diese Festsetzung beruhte bei einem zu versteuernden Einkommen von 5 061 DM auf einer Tarifbelastung von 2 277 DM und ausschüttungsbedingten Änderungen der Körperschaftsteuer um ./. 9 011 DM und 252 658 DM.
Die hiergegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, das FA habe zurecht die Ausschüttungsbelastung hergestellt, da die Wertberichtigung der Darlehensforderung zu einer Minderung des Eigenkapitals der Klägerin geführt habe. Im Einzelnen wird auf die in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1039 abgedruckten Entscheidungsgründe verwiesen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 27 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG a.F.) vor der Fassung vom (BGBl I, 817), zudem hilfsweise Verfahrensmängel. Sie beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Körperschaftsteuer entsprechend der Tarifbelastung festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Zu Unrecht hat das FG bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer der Klägerin für das Streitjahr 1995 hinsichtlich der erfolgten Wertberichtigung die Ausschüttungsbelastung hergestellt.
1. Schüttete eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft in der Zeit der Geltung des KStG a.F. Gewinn aus, minderte oder erhöhte sich ihre Körperschaftsteuer gemäß § 27 Abs. 1 KStG a.F. um den Unterschiedsbetrag zwischen der bei ihr eingetretenen Belastung des Eigenkapitals (Tarifbelastung), das nach § 28 KStG a.F. als für die Ausschüttung verwendet galt, und der Belastung, die sich hierfür bei Anwendung eines Steuersatzes von —im Streitjahr 1995— 30 v.H. des Gewinns vor Abzug der Körperschaftsteuer ergab (Ausschüttungsbelastung). Beruhte die Ausschüttung nicht auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr, handelte es sich um eine „andere Ausschüttung”, in diesem Fall trat die Minderung oder Erhöhung der Körperschaftsteuer für den Veranlagungszeitraum ein, in dem das Wirtschaftsjahr endete, in dem die Ausschüttung erfolgte (§ 27 Abs. 3 Satz 2 KStG a.F.). Letztere Vorschrift galt auch für vGA.
Die Herstellung der Ausschüttungsbelastung korrespondiert systematisch mit der Besteuerung der Ausschüttung beim Anteilseigner als Einkünfte aus der Beteiligung, wobei allerdings eine zeitliche Kongruenz nicht vorauszusetzen ist (Senatsurteil vom I R 260/83, BFHE 151, 560, BStBl II 1988, 460). Eine Ausschüttung und damit auch eine „andere Ausschüttung” i.S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG a.F. setzt daher eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) bei einer Kapitalgesellschaft voraus, die sich durch einen tatsächlichen Mittelabfluss konkretisiert hat (Senatsurteil vom I R 47/88, BFHE 162, 546, BStBl II 1991, 255; vgl. auch Abschn. 77 Abs. 6 Satz 1 der Körperschaftsteuer-Richtlinien —KStR— 1995) und als Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Besteuerung des Anteilseigners zugrunde gelegt werden kann (vgl. dazu auch §§ 41 Abs. 1, 44 Abs. 1 KStG a.F.; Wrede in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, 21. Aufl., § 27 KStG Anm. 27). Ob die Ausschüttungen das Einkommen der Gesellschaft mindern, ist unerheblich (Senatsurteil vom I R 41/87, BFHE 161, 87, BStBl II 1991, 588).
2. a) Andererseits sind vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG a.F. nach ständiger Rechtsprechung des Senats Vermögensminderungen oder verhinderte Vermögensmehrungen, die nicht auf einer offenen Gewinnausschüttung beruhen, sich auf den Unterschiedsbetrag i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG auswirken und durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind (vgl. z.B. , BFHE 191, 107, BStBl II 2000, 545; vom I R 40/99, BFHE 191, 330, BStBl II 2000, 504; vom I R 12/99, BFHE 193, 274, BStBl II 2001, 140). Diese Voraussetzungen können auch bei Wertberichtigungen auf Darlehensforderungen gegenüber einem Gesellschafter jedenfalls dann vorliegen, wenn die Gesellschaft —wie im Streitfall— im Zeitpunkt der Darlehensgewährung auf dessen ausreichende Besicherung verzichtet hat (vgl. Senatsbeschluss vom I B 112/93, BFH/NV 1994, 415; Urteil vom I R 6/89, BFHE 160, 459, BStBl II 1990, 795). Dies ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig.
b) Die für eine vGA erforderliche Vermögensminderung ist anhand der Steuerbilanz zu ermitteln, wie sie ohne Berücksichtigung der Rechtsfolge aus § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG a.F. unter Anwendung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes aufzustellen ist (vgl. Senatsurteil vom I R 72/92, BFHE 172, 51, BStBl II 1993, 801). Damit ist für die Annahme einer vGA als solcher nicht erforderlich, dass es zu einem Mittelabfluss kommt. Allerdings muss die Gewinnminderung bei der Körperschaft geeignet sein, beim Gesellschafter einen sonstigen Bezug i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen (Senatsurteil vom I R 2/02, BFHE 200, 197, BStBl II 2004, 131).
Eine verdeckte Gewinn- „Ausschüttung” begründet solange keine „andere Ausschüttung” i.S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG a.F., als sich die Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung nicht durch einen Mittelabfluss bzw. die Nichtrealisierung einer Vermögensmehrung tatsächlich konkretisiert hat (Senatsurteile in BFHE 162, 546, BStBl II 1991, 255, m.w.N.; vom I R 55/92, BFHE 170, 241, BStBl II 1993, 376; in BFHE 172, 51, BStBl II 1993, 801). Erst dann ist die Ausschüttungsbelastung für den entsprechenden Veranlagungszeitraum herzustellen.
3. a) Die Anwendung dieser Grundsätze führt im Streitfall dazu, dass die erfolgte Wertberichtigung auf die Darlehensforderung sich zwar in der Bilanz der Klägerin als Minderung ihres Betriebsvermögens ausgewirkt, als bloße „Eigenkapitalminderung” im Sinne der Steuerbilanz aber zu keiner „anderen Ausschüttung” i.S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG a.F. geführt hat (vgl. Wrede in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O.; Dötsch in Dötsch/Eversberg/ Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, 2004, § 27 KStG a.F. Rz. 144, 186c; a.A. wohl Rengers in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 2004, § 8 KStG Rz. 578 unter Verweisung auf Lang in Ernst & Young, Körperschaftsteuergesetz, 2004, § 8 Rz. 1171, wo mit dem Hinweis auf das Jahr der Teilwertberichtigung allerdings lediglich eine Abgrenzung vom (nicht maßgeblichen( Wirtschaftsjahr der Darlehenshingabe erfolgt).
b) Dementsprechend hat der Senat entschieden (vgl. Urteile vom I R 57/90, BFH/NV 1992, 200; vom I R 54/91, BFHE 170, 119, BStBl II 1993, 311), dass bei der Passivierung von Verbindlichkeiten eine „andere Ausschüttung” zu verneinen ist, solange nicht die der Vermögensminderung entsprechenden Werte mit der Zahlung oder mit dem Untergang des entsprechenden Teils der Verbindlichkeit in anderer Weise (Aufrechnung, Erlass, Schuldumwandlung usw.) i.S. des § 27 Abs. 1 KStG a.F. abfließen; der Ausweis einer Verpflichtung als solcher reicht nicht aus (Senatsurteil in BFHE 151, 560, BStBl II 1988, 460; Abschn. 77 Abs. 6 Satz 3 KStR 1995). Gleichermaßen hat der Senat in seinen Urteilen vom I R 129/84 (BFH/NV 1988, 807), vom I R 87/83 (BFHE 147, 521, BStBl II 1987, 75) und vom I R 2/91 (BFH/NV 1993, 52) entschieden, dass die Annahme einer vGA aufgrund der Bildung einer Rückstellung für Pensionszusagen an Gesellschafter nicht gleich bedeutend ist mit der Annahme einer anderen Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG a.F., da bei einer Pensionszusage ein Abfluss bei der Kapitalgesellschaft erst dann stattfindet, wenn die Pension ausbezahlt wird.
Entgegen der Vorentscheidung ist kein überzeugender Grund zu erkennen, den Fall der Wertberichtigung eines aktiven Wirtschaftsguts (Forderung) nicht entsprechend zu beurteilen. Wie die Passivierung von Verbindlichkeiten führen auch Wertberichtigungen auf Forderungen zu Minderungen des bilanziellen Eigenkapitals, ohne zugleich einen Mittelabfluss zu begründen. Mit den wertberichtigten Forderungen können sie als zunächst nur buchmäßig berücksichtigte Minderungsbeträge ebenfalls erst „abfließen”, wenn die tatsächliche oder rechtliche Zugehörigkeit der betroffenen Wirtschaftsgüter zum Betriebsvermögen endet und sich damit die Vermögensminderung realisiert. Dies ist erst der Fall, wenn die Forderung (teilweise) tatsächlich ausfällt, nicht hingegen, solange sie zivilrechtlich noch (in voller Höhe) weiterhin besteht (vgl. Dötsch in Dötsch/Eversberg/ Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 27 KStG a.F. Rz 186c).
Auf eine tatsächliche Realisierung der Vermögensminderung als Voraussetzung für eine Ausschüttung hat der Senat bereits in seinen Entscheidungen in BFHE 172, 51, BStBl II 1993, 801 und BFHE 170, 241, BStBl II 1993, 376 abgestellt. Auf eine zuvor gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 des Handelsgesetzbuchs (HGB) in Befolgung des Vorsichtsprinzips in der Bilanz zu berücksichtigende „nicht realisierte” Vermögensminderung kann es bei der Frage, ob eine Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG a.F. vorliegt, hingegen nicht ankommen. Eine Wertberichtigung kann durch eine nachfolgende Wertaufholung (vgl. dazu § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/ 2000/2002 vom , BGBl I, 402, BStBl I, 304) auch wieder rückgängig gemacht werden, ohne dass es zu ihrer tatsächlichen Realisierung käme.
c) Zu keinem abweichenden Ergebnis führt der Hinweis des FA darauf, dass die Passivierung von Verbindlichkeiten zu einem späteren Geldabfluss führe, der bei Wertberichtigungen ausbleibe. Denn auch bei Verbindlichkeiten kann die Erfüllung ausbleiben, sie können zudem auf Dienst- oder Sachleistungen gerichtet sein. In beiden Fällen kann ihr Ausweis unverändert zu vGA führen, ohne dass es zu einem späteren Geldabfluss käme. Letztlich weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass Wertberichtigungen auf aktive Wirtschaftsgüter, insbesondere auf Forderungen nicht nur aktivisch, sondern (indirekt und mit dem selben Ergebnis) auch passivisch vorgenommen werden können. In diesem Falle bleibt auf der Aktivseite unverändert der Nennwert der Forderung ausgewiesen; eine indirekte Wertberichtigung kann dann umso weniger als Mittelabfluss beurteilt werden.
d) Schließlich steht der Entscheidung des Senats —entgegen der Auffassung des FA— nicht die Formulierung im Senatsurteil in BFHE 162, 546, BStBl II 1991, 255 entgegen, wonach „zur Feststellung des Abflusses einer Vermögensminderung auf die Steuerbilanz abzustellen ist (§ 29 Abs. 1 KStG a.F.) und entsprechend der Abfluss der Vermögensminderung die Minderung des Eigenkapitals laut Steuerbilanz voraussetzt”. Denn dieser Formulierung geht die Forderung voraus, „dass sich die Vermögensminderung durch einen tatsächlichen Mittelabfluss konkretisiert hat”. In diesem Zusammenhang zitiert der Senat sein Urteil vom I R 142-143/85 (BFHE 156, 484, BStBl II 1989, 636), wonach eine Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 3 KStG a.F. „unabhängig von einer eingetretenen Einkommensminderung dann anzunehmen ist, wenn der Vermögensminderung entsprechende Mittel bei der Kapitalgesellschaft tatsächlich abfließen (vgl. Senatsurteil in BFHE 151, 560, BStBl II 1988, 460)”.
4. Nach alledem war die Vorentscheidung aufzuheben. Der Senat kann durchentscheiden. Die Körperschaftsteuer 1995 der Klägerin war antragsgemäß entsprechend der Tarifbelastung festzusetzen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 1010
BB 2004 S. 2286 Nr. 42
BB 2004 S. 2389 Nr. 44
BFH/NV 2004 S. 1601
BFH/NV 2004 S. 1601 Nr. 11
BStBl II 2004 S. 1010 Nr. 22
DB 2004 S. 2249 Nr. 42
DStRE 2004 S. 1286 Nr. 21
FR 2004 S. 1281 Nr. 22
INF 2004 S. 809 Nr. 21
KÖSDI 2004 S. 14398 Nr. 11
StB 2004 S. 403 Nr. 11
KAAAB-27429