Kapitel III: Verfahren bei
rechtswidrigen Beihilfen
Artikel 12 Nichtbefolgung einer
Anordnung
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION
–
gestützt auf den
Vertrag zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 89
,
auf Vorschlag der Kommission
,
nach Stellungnahme des
Europäischen Parlaments
,
nach Stellungnahme des
Wirtschafts- und Sozialausschusses
,
in Erwägung nachstehender
Gründe:
(1) Unbeschadet der
besonderen Verfahrensregeln in Verordnungen für bestimmte Sektoren, sollte
diese Verordnung für Beihilfen in allen Sektoren gelten. Im Hinblick auf die
Anwendung der Artikel 73
und 87
des Vertrags ist die Kommission nach Artikel 88
des Vertrags insbesondere für Entscheidungen über die
Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt zuständig; dies
gilt für die Überprüfung bestehender Beihilferegelungen, die Einführung oder
Umgestaltung von Beihilfen und die Nichtbefolgung ihrer Entscheidungen oder der
Anmeldungspflicht.
(2) Die Kommission hat in
Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften bei der Anwendung von Artikel 88
des Vertrags eine kohärente Praxis entwickelt und
festgelegt und in einer Reihe von Mitteilungen bestimmte Verfahrensvorschriften
und -grundsätze niedergelegt. Diese Praxis sollte mittels einer Verordnung
kodifiziert und verstärkt werden, um wirksame und effiziente Verfahren nach
Artikel 88 des Vertrags zu gewährleisten.
(3) Eine Verfahrensverordnung
über die Anwendung von Artikel 88
des Vertrags wird die Transparenz und Rechtssicherheit
erhöhen.
(4) Zur Gewährleistung von
Rechtssicherheit sollte festgelegt werden, unter welchen Umständen staatliche
Beihilfen als bestehende Beihilfen zu betrachten sind. Die Vollendung und
Vertiefung des Binnenmarkts ist ein schrittweiser Prozess, der sich in der
ständigen Entwicklung der Politik im Bereich der staatlichen Beihilfen
widerspiegelt. In der Folge dieser Entwicklungen können bestimmte Maßnahmen,
die zum Zeitpunkt ihrer Einführung keine staatlichen Beihilfen darstellten, zu
Beihilfen geworden sein.
(5) Nach Artikel 88
Absatz 3 des Vertrags müssen alle Vorhaben zur Gewährung
neuer Beihilfen bei der Kommission angemeldet werden und dürfen nicht
durchgeführt werden, bevor die Kommission eine abschließende Entscheidung
erlassen hat.
(6) Nach Artikel 10
des Vertrags sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, mit
der Kommission zusammenzuarbeiten und ihr alle zur Erfüllung ihrer
Verpflichtungen aus dieser Verordnung erforderlichen Informationen
bereitzustellen.
(7) Die Frist, innerhalb
derer die Kommission die vorläufige Prüfung angemeldeter Beihilfen beendet
haben muss, sollte festgesetzt werden auf zwei Monate nach Erhalt einer
vollständigen Anmeldung oder nach Erhalt einer gebührend begründeten Erklärung
des betreffenden Mitgliedstaats, wonach dieser die Anmeldung als vollständig
erachtet, da die von der Kommission erbetenen zusätzlichen Auskünfte nicht
verfügbar sind oder bereits erteilt wurden. Diese Prüfung sollte aus Gründen
der Rechtssicherheit durch eine Entscheidung abgeschlossen werden.
(8) In allen Fällen, in denen
die Kommission nach der vorläufigen Prüfung nicht auf die Vereinbarkeit der
Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt schließen kann, sollte das förmliche
Prüfverfahren eröffnet werden, damit die Kommission alle zur Beurteilung der
Vereinbarkeit der Beihilfe zweckdienlichen Auskünfte einholen kann und die
Beteiligten ihre Stellungnahmen abgeben können. Die Rechte der Beteiligten
können im Rahmen des förmlichen Prüfverfahrens nach Artikel 88
Absatz 2 des Vertrags am besten gewährleistet
werden.
(9) Nachdem die Kommission
die Stellungnahmen der Beteiligten gewürdigt hat, sollte sie ihre Prüfung durch
eine abschließende Entscheidung beenden, sobald alle Bedenken ausgeräumt sind.
Sollte diese Prüfung nach einem Zeitraum von 18 Monaten nach Eröffnung des
Verfahrens nicht beendet sein, so empfiehlt es sich, dass der betreffende
Mitgliedstaat die Möglichkeit hat, eine Entscheidung zu beantragen, die die
Kommission innerhalb von zwei Monaten treffen muss.
(10) Um eine korrekte und
wirksame Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen zu gewährleisten,
sollte die Kommission die Möglichkeit haben, eine Entscheidung, die auf
unrichtigen Auskünften beruht, zu widerrufen.
(11) Um die Einhaltung von
Artikel 88 des Vertrags, insbesondere der Anmeldepflicht und des
Durchführungsverbots in dessen Absatz 3, zu gewährleisten, sollte die
Kommission alle rechtswidrigen Beihilfen überprüfen. Im Interesse der
Transparenz und Rechtssicherheit sollten die in diesen Fällen zu befolgenden
Verfahren festgelegt werden. Ist ein Mitgliedstaat der Anmeldepflicht oder dem
Durchführungsverbot nicht nachgekommen, so sollte die Kommission an keine
Fristen gebunden sein.
(12) Bei rechtswidrigen
Beihilfen sollte die Kommission das Recht haben, alle für ihre Entscheidung
sachdienlichen Auskünfte einzuholen und gegebenenfalls sofort den
unverfälschten Wettbewerb wiederherzustellen. Daher ist es angezeigt, dass sie
gegenüber dem betreffenden Mitgliedstaat einstweilige Maßnahmen erlassen kann.
Bei diesen einstweiligen Maßnahmen kann es sich um Anordnungen zur
Auskunftserteilung sowie zur Aussetzung oder Rückforderung einer Beihilfe
handeln. Die Kommission sollte bei Nichtbefolgung einer Anordnung zur
Auskunftserteilung ihre Entscheidung auf die ihr vorliegenden Informationen
stützen und bei Nichtbefolgung einer Aussetzungs- oder Rückforderungsanordnung
den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach Artikel 88
Absatz 2 Unterabsatz 2 des Vertrags unmittelbar anrufen
können.
(13) Bei rechtswidrigen
Beihilfen, die mit dem Gemeinsamen Markt nicht vereinbar sind, muss wirksamer
Wettbewerb wiederhergestellt werden. Dazu ist es notwendig, die betreffende
Beihilfe einschließlich Zinsen unverzüglich zurückzufordern. Die Rückforderung
hat nach den Verfahrensvorschriften des nationalen Rechts zu erfolgen. Die
Anwendung dieser Verfahren sollte jedoch die Wiederherstellung eines wirksamen
Wettbewerbs durch Verhinderung der sofortigen und tatsächlichen Vollstreckung
der Kommissionsentscheidung nicht erschweren. Um zu diesem Ergebnis zu
gelangen, sollten die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Maßnahmen zur
Gewährleistung der Wirksamkeit der Kommissionsentscheidung treffen.
(14) Aus Gründen der
Rechtssicherheit sollte in Bezug auf rechtswidrige Beihilfen eine Frist von
zehn Jahren festgesetzt werden, nach deren Ablauf keine Rückforderung mehr
angeordnet werden kann.
(15) Die missbräuchliche
Anwendung von Beihilfen kann sich auf die Funktionsweise des Binnenmarkts in
ähnlicher Weise wie eine rechtswidrige Beihilfe auswirken und sollte demnach in
ähnlicher Weise behandelt werden. Im Gegensatz zu rechtswidrigen Beihilfen
handelt es sich bei Beihilfen, die gegebenenfalls in missbräuchlicher Weise
angewandt worden sind, um Beihilfen, die die Kommission zu einem früheren
Zeitpunkt genehmigt hat. Deswegen sollte die Kommission bei der
missbräuchlichen Anwendung von Beihilfen keine Rückforderungsanordnung erlassen
können.
(16) Es sind alle
Möglichkeiten festzulegen, über die Dritte verfügen, um ihre Interessen bei
Verfahren für staatliche Beihilfen zu vertreten.
(17) Die Kommission ist nach
Artikel 88 Absatz 1 des Vertrags verpflichtet, fortlaufend in
Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten alle bestehenden Beihilferegelungen zu
überprüfen. Im Interesse der Transparenz und Rechtssicherheit ist es angezeigt,
den Rahmen dieser Zusammenarbeit festzulegen.
(18) Die Kommission sollte
zur Gewährleistung der Vereinbarkeit der bestehenden Beihilferegelungen mit dem
Gemeinsamen Markt nach Artikel 88
Absatz 1 des Vertrags zweckdienliche Maßnahmen
vorschlagen, wenn eine solche Regelung nicht oder nicht mehr mit dem
Gemeinsamen Markt vereinbar ist, und das Verfahren nach Artikel 88
Absatz 2 des Vertrags eröffnen, wenn der betreffende
Mitgliedstaat die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht durchführen will.
(19) Damit die Kommission die
Befolgung ihrer Entscheidungen wirksam überwachen kann und ihre Zusammenarbeit
mit den Mitgliedstaaten bei der fortlaufenden Überprüfung aller bestehenden
Beihilferegelungen nach Artikel 88
Absatz 1 des Vertrags erleichtert wird, muss für alle
bestehenden Beihilferegelungen eine allgemeine Berichterstattungspflicht
eingeführt werden.
(20) Hat die Kommission
ernsthafte Bedenken, ob ihre Entscheidungen befolgt werden, sollte sie über
zusätzliche Instrumente verfügen, um die Informationen einholen zu können, die
für die Nachprüfung der tatsächlichen Befolgung ihrer Entscheidungen
erforderlich sind. In dieser Hinsicht stellen Nachprüfungen vor Ort ein
geeignetes und nützliches Instrument dar, und zwar insbesondere in Fällen, in
denen Beihilfen missbräuchlich angewandt worden sein könnten. Deshalb muss die
Kommission dazu ermächtigt werden, Nachprüfungen vor Ort durchzuführen, und die
zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten müssen mit ihr zusammenarbeiten, wenn
ein Unternehmen sich einer solchen Nachprüfung vor Ort widersetzt.
(21) Im Interesse der
Transparenz und Rechtssicherheit sollten die Entscheidungen der Kommission der
Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden; gleichzeitig gilt weiterhin der
Grundsatz, dass Entscheidungen über staatliche Beihilfen an den betreffenden
Mitgliedstaat gerichtet werden. Deswegen ist es zweckmäßig, alle
Entscheidungen, die die Interessen der Beteiligten beeinträchtigen könnten, in
vollständiger oder zusammengefasster Form zu veröffentlichen oder für die
Beteiligten Kopien derjenigen Entscheidungen bereitzuhalten, die nicht
veröffentlicht oder nicht in vollständiger Form veröffentlicht wurden. Die
Kommission sollte bei der Veröffentlichung ihrer Entscheidungen die
Vorschriften über das Berufsgeheimnis nach Artikel 287
des Vertrags befolgen.
(22) Die Kommission sollte in
enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten Durchführungsvorschriften zu den
in dieser Verordnung genannten Verfahren erlassen können. Für die
Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den zuständigen Behörden der
Mitgliedstaaten sollte ein Beratender Ausschuss für staatliche Beihilfen
eingesetzt werden, der konsultiert wird, bevor die Kommission
Durchführungsvorschriften erlässt. –
HAT FOLGENDE VERORDNUNG
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