Wertersatzanspruch nach Absichtsanfechtung gegenüber einem geschäftsunfähigen Kind
Leitsatz
Hat der Vollstreckungsschuldner seinem geschäftsunfähigen Kind in Gläubigerbenachteiligungsabsicht ein Geldguthaben auf einem Festgeldkonto bei einer Bank zugewendet und dieses Guthaben kurze Zeit später wieder abgeräumt und für eigene Zwecke verwendet, so ist der dem Anfechtungsgläubiger nach erfolgter Absichtsanfechtung zustehende Wertersatzanspruch aus Gründen des Schutzes Geschäftsunfähiger in entsprechender Anwendung des § 7 Abs. 2 AnfG a.F. auf die bei dem Kind noch vorhandene Bereicherung beschränkt. Herauszugebende Bereicherung kann hiernach der dem Kind gegen seinen Vater zustehende Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der elterlichen Vermögenssorgepflicht aus § 1626 Abs. 1, § 1664 BGB sein.
Gesetze: AnfG (a.F.) § 3 Abs. 1 Nr. 1AnfG (a.F.) § 7AO 1977 § 191 Abs. 1FGO § 53 Abs. 2FGO § 54FGO § 116 Abs. 7FGO § 120 Abs. 2 Satz 1BGB § 166 Abs. 1BGB § 818 Abs. 3BGB § 1626 Abs. 1BGB § 1629 Abs. 1BGB § 1664ZPO (a.F.) § 182
Instanzenzug:
Gründe
Der Vater (Vollstreckungsschuldner) des am geborenen Klägers und Revisionsklägers (Kläger) und seiner am geborenen Schwester (Klägerin und Revisionsklägerin der Parallelsache VII R 17/02) schuldet dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) Umsatzsteuer für 1984 und 1985. Die vorläufigen Umsatzsteuerbescheide von 1988 sind nach zwischenzeitlicher Verböserung und späterer Herabsetzung der Umsatzsteuer für 1984 nach durchgeführtem Klageverfahren inzwischen bestandskräftig.
Im Zeitraum zwischen August 1983 und Juni 1987 richtete der Vollstreckungsschuldner seinen sich damals im Kleinstkindalter befindlichen Kindern verschiedene Spar- und Festgeldkonten ein, auf die er den Kindern von seinem Konto Gelder übertrug. Mit gegen den Kläger gerichtetem Duldungsbescheid vom focht das FA die unentgeltlichen Kapitalzuwendungen des Vollstreckungsschuldners an, weil diese in der Absicht der Gläubigerbenachteiligung erfolgt seien. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Kläger Klage vor dem Finanzgericht (FG). Während des Klageverfahrens hat das FA auf Anregung des FG einen Teilabhilfebescheid erlassen, in dem der Duldungsbescheid an die inzwischen bestandskräftig festgesetzten (niedrigeren) Umsatzsteuern 1984 und 1985 der Höhe nach angepasst werden sollte. Dabei unterliefen dem FA jedoch infolge Vertauschung von Konten des Klägers und dessen Schwester verschiedene Fehler.
Das FG wies die Klage unter Korrektur dieser Fehler und Eliminierung der Säumniszuschläge aus dem Duldungsbetrag unter entsprechender Abänderung des Duldungsänderungsbescheids und der Einspruchsentscheidung ab. Hierzu führte das FG im Wesentlichen aus: Der ursprüngliche Duldungsbescheid vom habe die zehnjährige Anfechtungsfrist wirksam unterbrochen, da er nicht nichtig sei; das Fehlen der Vollstreckungsklausel, wonach die Vollstreckung erst dann erfolgen dürfe, wenn Rechtskraft des Vollstreckungstitels (Bestandskraft des Steuerbescheids) eingetreten sei, berühre nicht die Bestimmtheit des Bescheids und führe nicht zu dessen Nichtigkeit. Wenn im Zivilprozess eine nachträgliche Ergänzung der Vollstreckungsklausel im Titel zugelassen werde, so müsse dies entsprechend auch für den Duldungsbescheid gelten. Durch die vom Gericht dem FA aufgegebene Anpassung des Duldungsbescheids an den aktuellen Stand der noch offenen Forderungen habe das FA trotz der Wortwahl, der alte Bescheid werde „insoweit geändert oder widerrufen”, nicht den alten Bescheid ersatzlos aufgehoben und außerhalb der Anfechtungsfrist einen neuen Bescheid erlassen, sondern den alten Bescheid im Wege der „Teilabhilfe” lediglich geändert und an den nunmehr bestandskräftig festgesetzten Forderungen ausgerichtet.
In materieller Hinsicht hielt das FG den Anfechtungstatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Anfechtungsgesetzes (AnfG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 20. Mai 1898 (RGBl I, 709) für erfüllt. Der Vollstreckungsschuldner habe sämtliche verfügbaren freien Gelder von seinem Konto auf die Konten seiner (ehelichen) Kinder (Kläger und dessen Schwester) übertragen, um sie dem Vollstreckungszugriff eines anderen (nichtehelichen) Kindes zu entziehen, wie der Vollstreckungsschuldner selbst eingeräumt habe. Die hiernach vorliegende Gläubigerbenachteiligungsabsicht habe nicht gegenüber dem FA, dem später anfechtenden Gläubiger, bestehen müssen. Die Gläubigerbenachteiligungsabsicht sei den beschenkten Kindern auch bekannt gewesen, denn sie müssten sich nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung die Kenntnis ihres für sie bei der Schenkung handelnden Vaters als des gesetzlichen Vertreters nach § 166, § 1629 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zurechnen lassen. Für unerheblich erachtete das FG den Einwand des Klägers, das Guthaben auf dem gemeinsamen Konto der Kinder Nr. 00 in Höhe von 58 000 DM sei bei Ergehen des Duldungsbescheids schon abgehoben gewesen, weil der Vater diesen Betrag für Verteidigerkosten in seinen Rechtsstreiten abgehoben hätte. Das FG war der Auffassung, der Rückgewähranspruch (§ 7 Abs. 1 AnfG) sei insoweit als Anspruch auf Wertersatz begründet.
Auf die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision hat der (BFH/NV 2002, 896), auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, die Revision insoweit zugelassen, als es um die Einbeziehung des auf dem Konto Nr. 00 bei der V-Bank für den Kläger angelegten Teilbetrags in Höhe von 29 000 DM nebst den bis zur Abhebung aufgelaufenen Zinsen in die Duldungsverpflichtung des Klägers geht. Im Übrigen ist das Urteil des FG rechtskräftig geworden. Der Zulassungsbeschluss ist den früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers am nach einem vergeblichen Zustellungsversuch in den Büroräumen der Prozessbevollmächtigten durch Niederlegung bei der Postanstalt zugestellt worden. In dem gemäß § 116 Abs. 7 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als Revisionsverfahren fortgeführten Verfahren ist die Revisionsbegründung durch die neuen Prozessbevollmächtigten des Klägers am beim BFH eingegangen.
Der Kläger hält seine Revision für zulässig und begründet. Die Revisionsbegründungsfrist sei nicht versäumt worden, da diese Frist infolge eines Zustellungsmangels zu keiner Zeit wirksam in Gang gesetzt worden sei, denn eine Ersatzzustellung durch Niederlegung bei der Post nach vorausgegangenem Zustellungsversuch am Kanzleisitz eines Rechtsanwalts sei nach dem bis zum geltenden Zustellungsrecht unzulässig gewesen. In der Sache verstoße die Entscheidung des FG gegen den in der Rechtsordnung verankerten Grundsatz des Schutzes von Geschäftsunfähigen. Ein Geschäftsunfähiger könne nicht gemäß § 7 AnfG zum Wertersatz aus seinen eigenen Mitteln verpflichtet sein, obwohl er letztlich in keiner Weise bereichert sei, weil er vom Vollstreckungsschuldner, der den ihm zugewandten Gegenstand wieder zurückgenommen habe, im Ergebnis nichts erlangt habe. In einer solchen Fallkonstellation sei § 7 Abs. 2 AnfG analog anzuwenden und der geschäftsunfähige Empfänger einer Leistung dem gutgläubigen Empfänger gleichzustellen, sodass er dieselbe nur insoweit zurückzugewähren habe, als er durch sie noch bereichert sei. Diese Wertung habe Vorrang vor dem Umstand, dass dem Geschäftsunfähigen die Gläubigerbenachteiligungsabsicht seines gesetzlichen Vertreters grundsätzlich über § 166 BGB zuzurechnen sei.
Der Kläger beantragt, das vorinstanzliche Urteil und den geänderten Duldungsbescheid sowie die Einspruchsentscheidung dahin gehend abzuändern, dass die Duldung der Zwangsvollstreckung oder die Verpflichtung zum Wertersatz hinsichtlich des auf dem Konto Nr. 00 bei der V-Bank für ihn angelegten Teilbetrags in Höhe von 29 000 DM nebst den aufgelaufenen Zinsen aufgehoben wird.
Das FA beantragt, die Revision wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Es ist der Auffassung, § 7 Abs. 2 AnfG sei im Streitfall nicht anwendbar, da der Tatbestand der Absichtsanfechtung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG erfüllt worden sei. Der Kläger schulde im Rahmen der Duldungsverpflichtung Wertersatz. Infolge der Abräumung des Kontoguthabens habe der Kläger einen Schadensersatzanspruch nach § 1664 BGB gegen seinen Vater, den Vollstreckungsschuldner, der im Streitfall an die Stelle des Wertersatzes in Geld trete.
Die Revision des Klägers ist zulässig und (teilweise) begründet. Sie führt zur Abänderung der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen und zur dementsprechenden Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils nach Maßgabe des Tenors des vorliegenden Urteils.
1. Die Revision ist zulässig; der Kläger hat die Revisionsbegründungsfrist nicht versäumt. Gemäß § 116 Abs. 7 Satz 2 FGO beginnt im Falle der Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens als Revisionsverfahren die einmonatige Revisionsbegründungsfrist (§ 120 Abs. 2 Satz 1 zweiter Halbsatz FGO) für den Beschwerdeführer mit der Zustellung der Entscheidung des BFH über die Zulassung der Revision. Der Zulassungsbeschluss des BFH ist den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers am noch nach den Vorschriften des bis zum geltenden alten Zustellungsrechts durch Niederlegung zugestellt worden (§ 53 Abs. 1 und 2, § 62 Abs. 3 Satz 5 FGO i.V.m. § 3 Abs. 3, § 8 Abs. 4 des Verwaltungszustellungsgesetzes —VwZG— und § 182 der Zivilprozessordnung —ZPO—). Bei wirksamer Zustellung wäre die Revisionsbegründungfrist mithin am abgelaufen, da der ein gesetzlicher Feiertag war (§ 54 Abs. 1 und 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 ZPO und § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB), und die am beim BFH eingegangene Revisionsbegründung wäre verfristet.
Die Zustellung war indes unwirksam, da zwingende Zustellungsvorschriften verletzt worden sind mit der Folge, dass die Revisionsbegründungsfrist im Zeitpunkt des Eingangs der Revisionsbegründung beim BFH noch nicht angelaufen war (vgl. § 9 Abs. 2 VwZG). Dem Kläger kommt die nach altem Zustellungsrecht einheitliche Auffassung der Rechtsprechung zugute, wonach eine Ersatzzustellung nach § 182 ZPO durch Niederlegung bei der Postanstalt nur dann zulässig ist, wenn zuvor ein vergeblicher Zustellungsversuch in der Wohnung des Zustellungsempfängers vorausgegangen ist. Nach einem vergeblichen Zustellungsversuch lediglich im Geschäftslokal des Zustellungsempfängers ist eine Ersatzzustellung durch Niederlegung unzulässig (Bundesgerichtshof —BGH—, Urteil vom VIII ZR 73/75, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1976, 149; Oberverwaltungsgericht Bremen, Beschluss vom 2 B 77/86, NJW 1986, 2132; BFH-Beschlüsse vom IX B 88/90, BFH/NV 1992, 755; vom V B 40/01, BFH/NV 2001, 1573, und vom V B 75/02, BFH/NV 2003, 1590, jeweils m.w.N.).
Im Streitfall ist entsprechend dem Vorbringen des Klägers nach den objektiven Gegebenheiten davon auszugehen, dass der vergebliche Zustellungsversuch am Samstag, dem 20. April 2002, am Kanzleisitz der früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers erfolgt ist, denn der Zulassungsbeschluss des BFH sollte ausweislich der Zustellungsurkunde am Kanzleisitz der Rechtsanwälte O und R zugestellt werden. Da die Zustellungsanschrift einer gemeinschaftlichen Kanzlei zweier Rechtsanwälte (vgl. zu diesem Gesichtspunkt den BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 1573) und nicht einem Einzelanwalt zuzuordnen ist, sieht der Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dieser Anschrift gleichzeitig um die Wohnung eines der beiden Rechtsanwälte handeln könnte. Da das FA gegen das entsprechende Vorbringen des Klägers keine Einwände erhoben hat, durfte der Senat das Vorbringen als richtig unterstellen und von einer weiteren Aufklärung absehen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Beweiskraft der Zustellungsurkunde, denn die Vermutung des § 418 ZPO kann in einem Fall wie dem vorliegenden widerlegt werden. Im Übrigen käme der Zustellungsurkunde in diesem Punkt, nämlich dass der Zustellungsempfänger unter der in der Zustellungsurkunde angegebenen Adresse auch wohnt, allenfalls lediglich Indizwirkung zu, die durch eine plausible schlüssige Darstellung entkräftet werden kann (, BFH/NV 1995, 138). Diese eingeschränkte Beweiskraft folgt schon aus der Fassung des Vordrucks der Zustellungsurkunde, die im Feld 7.1 zum Ankreuzen lediglich den Fall vorsieht, dass der Zustellungsversuch „in der Wohnung des in der Anschrift bezeichneten Empfängers (Einzelperson, Einzelfirma, Rechtsanwalt usw.)” gescheitert ist, nicht jedoch auch den Fall, dass im Geschäftslokal des Empfängers kein zur Entgegennahme der Zustellung Berechtigter angetroffen wird. Daher ist es leicht möglich, dass dem zustellenden Postbediensteten bei der Zustellung an die Kanzleiadresse von Rechtsanwälten bei der Beurkundung ein Versehen dahin gehend unterläuft, dass Feld 7.1 ohne nähere Erläuterung irrtümlich angekreuzt wird (vgl. dazu bereits BGH in NJW 1976, 149).
2. Die Revision ist auch (teilweise) begründet. Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass der Kläger im Rahmen seiner Duldungsverpflichtung Wertersatz in Höhe des auf ihn fallenden Kontoguthabens von 29 000 DM nebst aufgelaufenen Zinsen leisten muss. Dies führt jedoch nicht zu der vom Kläger insoweit begehrten Aufhebung der Duldungsverpflichtung, sondern lediglich zu einer Abänderung derselben nach Maßgabe des Tenors dieses Urteils.
a) Nach dem insoweit rechtskräftigen Urteil des FG steht fest, dass der Kläger dem Grunde nach der vom FA geltend gemachten Duldungsverpflichtung ausgesetzt ist, weil sein Vater als Vollstreckungsschuldner mit der schenkweisen Übertragung von Geldern auf Konten des Klägers den Anfechtungstatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG verwirklicht hat und sich der Kläger die bei seinem Vater als seinem gesetzlichen Vertreter vorhandene Gläubigerbenachteiligungsabsicht grundsätzlich zurechnen lassen muss (§ 166 Abs. 1, § 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB). Insoweit verweist der Senat auf seine Ausführungen im Zulassungsbeschluss in BFH/NV 2002, 896. Noch offen ist lediglich der Umfang der Duldungsverpflichtung, nämlich die Frage, ob in diese Verpflichtung auch die dem Kläger schenkweise auf das eingerichtete Festgeldkonto übertragenen 29 000 DM nebst Zinsen einzubeziehen sind, die der Vollstreckungsschuldner ca. neun Monate nach der Schenkung und damit noch vor Ergehen des ursprünglichen Duldungsbescheids wieder vollends vom Konto abgehoben und unter Verstoß gegen seine Sorgepflicht für das Vermögen seines Kindes (§ 1626 Abs. 1, § 1642 BGB) für eigene Zwecke verwandt hat.
b) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH begründet der aus dem verwirklichten Anfechtungstatbestand resultierende gesetzliche Rückgewähranspruch (§ 7 Abs. 1 AnfG) in erster Linie die Pflicht des Anfechtungsgegners, zur Befriedigung des Anfechtungsgläubigers die Zwangsvollstreckung in den anfechtbar erworbenen Gegenstand zu dulden (Primäranspruch). Ist der erworbene Gegenstand nachträglich untergegangen, in seinem Zustand verschlechtert oder in seinem Verkehrswert gemindert worden oder hat der Anfechtungsgegner die Herausgabe in Form der Duldung der Vollstreckung auf andere Weise unmöglich gemacht, ist der Rückgewähranspruch durch Wertersatz zu erfüllen. Der Wertersatzanspruch (Sekundäranspruch) stellt lediglich eine Modalität des Duldungsanspruchs dar. Der Anfechtungsgegner erfüllt die ihm nach § 7 Abs. 1 AnfG obliegende Duldungspflicht (Rückgewährpflicht) infolge nachträglichen Eintritts der genannten Umstände nunmehr nicht mehr durch Duldung der Zwangsvollstreckung, sondern durch Zahlung von Wertersatz. Besondere Anfechtungsvoraussetzungen müssen für den Übergang auf den Wertersatzanspruch nicht vorliegen (vgl. , BFHE 142, 99, BStBl II 1985, 31, und , BFH/NV 2002, 757).
Im Streitfall hat der Vollstreckungsschuldner als gesetzlicher Vertreter des Klägers durch die Auflösung des Festgeldkontos des Klägers und dessen Schwester die Herausgabe des angelegten Geldes in Form der Duldung der Vollstreckung in das Festgeldkonto auf andere Weise unmöglich gemacht, so dass sich der Kläger, der für das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters einzustehen hat (§ 278 BGB), grundsätzlich dem Wertersatzanspruch des FA ausgesetzt sieht, ohne dass insoweit besondere Anfechtungsvoraussetzungen zu beachten wären. Dies hätte zur Folge, dass minderjährige geschäftsunfähige Kinder dem Wertersatzanspruch des Anfechtungsgläubigers schutzlos ausgeliefert wären, im Ergebnis also aus ihrem eigenen vorhandenen oder in ihrem weiteren Leben erworbenen Vermögen dem Anfechtungsgläubiger Geld zurückzugewähren hätten, um damit für Steuerschulden ihres gesetzlichen Vertreters einzustehen.
Die Regeln des Anfechtungsrechts geraten hier ersichtlich in Konflikt mit einem anderen im Zivilrecht durchgängig waltenden Prinzip, nämlich dem Schutz des Geschäftsunfähigen bei Teilnahme am Rechtsverkehr. Es stellt sich die Frage, ob dieser Schutz vor den Regeln des AnfG zurücktreten muss, wenn der Duldungsanspruch nicht mehr durch Rückgewähr in Natur, d.h. durch Wiederherstellung der Zugriffslage für den Vollstreckungsgläubiger, erfüllt werden kann, weil der anfechtbar erworbene Gegenstand nicht mehr im Vermögen des Beschenkten vorhanden und demzufolge an die Stelle des primären Rückgewähranspruchs nach § 7 Abs. 1 AnfG der sekundäre Anspruch auf Wertersatz getreten ist.
c) Über diese Konfliktlage ist von der höchstrichterlichen Rechtsprechung soweit ersichtlich bislang noch nicht entschieden worden. Nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung steht allerdings fest, dass der Schutz der Gläubigerinteressen bei der Durchsetzung des primären Rückgewähranspruchs den Vorrang vor dem Schutz minderjähriger Personen in der Rolle des Anfechtungsgegners hat (vgl. , BGHZ 38, 65). Mit Recht hat der BGH hierzu ausgeführt, dass beachtenswerte Interessen des Minderjährigen nicht entgegenstehen, denn der Minderjährige, dem sein gesetzlicher Vertreter in der Absicht, seine Gläubiger zu benachteiligen, unter Mitwirkung eines Ergänzungspflegers, der das Kind beim Erwerb vertreten hat, Teile seines Vermögens zugewandt habe, verdiene hinsichtlich dieser Vermögensteile im Verhältnis zum Gläubiger keinen Schutz. Allerdings war in dem zugrunde liegenden Fall der zugewandte Vermögensgegenstand, ein Grundstück, noch im Vermögen des Minderjährigen vorhanden. Nur hinsichtlich dieser Vermögensteile —"denn nur soweit reicht die Anfechtung"— hat der BGH den Minderjährigenschutz zurücktreten lassen. Diese Formulierung lässt es zumindest fraglich erscheinen, ob der BGH hinsichtlich eines sekundären Wertersatzanspruchs zum gleichen Ergebnis gelangt wäre.
In einem weiteren Fall hat der BGH den auf Duldung in Anspruch genommenen Minderjährigen sogar vor dem Primäranspruch des Anfechtungsberechtigten geschützt, weil der Minderjährige beim schenkweisen Erwerb von Teppichen und Mobiliar wegen des mit der Schenkung verbundenen lediglich rechtlichen Vorteils (§ 107 BGB) eine eigene Willenserklärung abgegeben hatte und ihm daher hinsichtlich der Absichtsanfechtung die Kenntnis seines gesetzlichen Vertreters, des Schenkers, nicht nach § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen war (, BGHZ 94, 232).
War ein beschenkter Minderjähriger mithin selbst gutgläubig, muss er sich nach dieser zivilgerichtlichen Rechtsprechung die elterliche Kenntnis ihrer Absicht, Gläubiger zu benachteiligen, zurechnen lassen, wenn er bei der Schenkung von den Eltern vertreten wurde, die Schenkung also —wie auch bei dem zur Zeit der Schenkung geschäftsunfähigen Kläger im Streitfall (vgl. insoweit die Ausführungen im Zulassungsbeschluss)— durch Insichgeschäft erfolgte, nicht aber auch dann, wenn er sie als lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft i.S. des § 107 BGB selbst angenommen hat. Diese unterschiedliche Lösung, die im Schrifttum Kritik gefunden hat (vgl. Tintelnot, Gläubigeranfechtung kraft Wissenszurechnung - insbesondere zu Lasten Minderjähriger, Juristenzeitung —JZ— 1987, 795, m.w.N.), mag in Anbetracht der dogmatischen Vorgaben des § 166 BGB und der Lehre von der Willenserklärung für den anfechtungsrechtlichen Primäranspruch durchaus ihre Richtigkeit haben, zumal sie, wie ausgeführt, zu vertretbaren, mit dem Minderjährigenschutz nicht kollidierenden Ergebnissen führt. Für den anfechtungsrechtlichen Sekundäranspruch auf Wertersatz ist diese Lösung jedoch nicht tauglich, da sie nicht in der Lage ist, dem gebotenen Minderjährigenschutz ausreichend Rechnung zu tragen. Es ist nämlich nicht einzusehen und kann auch nicht gerechtfertigt werden, dass ein siebenjähriges Kind den anfechtungsrechtlichen Primäranspruch und damit zwangsläufig auch den Sekundäranspruch unter Hinweis auf seine eigene Gutgläubigkeit abwehren kann, während ein sechsjähriges Kind, nur weil es noch keinen eigenen rechtsgeschäftlichen Willen haben kann (vgl. , BFHE 120, 165, BStBl II 1977, 78), dem Sekundäranspruch des Anfechtungsgläubigers schutzlos ausgeliefert sein soll. Der Schutz des Geschäftsunfähigen erfordert es, beide Fälle jedenfalls im Hinblick auf die Abwehr des Sekundäranspruchs im materiellen Ergebnis gleich zu behandeln.
d) Die Lösung des Problems kann sich nur aus dem AnfG selbst ergeben. Der Senat hält eine entsprechende Anwendung des § 7 Abs. 2 AnfG zugunsten des geschäftsunfähigen Anfechtungsgegners für angebracht (vgl. bereits Tintelnot, JZ 1987, 795). Nach dieser Vorschrift hat der gutgläubige Empfänger einer unentgeltlichen Leistung dieselbe nur soweit zurückzugewähren, als er durch sie noch bereichert ist. Die Haftung des Empfängers ist hiernach zwar keine Bereicherungshaftung, denn sie begrenzt lediglich den Umfang der Rückgewährpflicht auf die noch vorhandene Bereicherung, ohne den Charakter des Anfechtungsanspruchs zu ändern. Es gilt aber § 818 Abs. 3 BGB, wonach die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Werts ausgeschlossen ist, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist (vgl. Huber, Anfechtungsgesetz, 9. Aufl. 2000, § 11 Rz. 47 und 48, Einf. Rz. 17). Der Grund für die Privilegierung des gutgläubigen Empfängers liegt darin, dass die Anfechtung unentgeltlicher Leistungen weit zurückreichen kann und es deshalb unbillig wäre, auch denjenigen Beschenkten auf vollen Wertersatz haften zu lassen, der bei der Annahme der Zuwendung die objektive Gläubigerbenachteiligung nicht kannte (Huber, a.a.O., Rz. 48). Der Senat hält es aus Gründen des Schutzes Geschäftsunfähiger für angezeigt, geschäftsunfähige Kinder als Beschenkte einem gutgläubigen Empfänger in diesem Sinne gleich zu stellen, wenn es um die Verpflichtung zum Wertersatz im Rahmen des anfechtungsrechtlichen Sekundäranspruchs geht.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, § 7 Abs. 2 AnfG sei auf die Absichtsanfechtung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG nicht anwendbar (so Kilger/Huber, a.a.O., 8. Aufl. 1994, § 7 IV 2). Es mag zwar für den Regelfall zutreffen, dass eine Entreicherung des Anfechtungsgegners nur für den Fall der Schenkungsanfechtung von Bedeutung ist und bei der Absichtsanfechtung die §§ 818, 819 BGB „grundsätzlich” unanwendbar sind (vgl. so beiläufig , BGHZ 124, 298). Von diesem Grundsatz, und dies lässt die Aussage des BGH durchaus offen, kann es jedoch Ausnahmen geben, in denen es, wie im Streitfall, gerechtfertigt ist, § 7 Abs. 2 AnfG, zumal in analoger Anwendung, auch bei zugrunde liegender Absichtsanfechtung heranzuziehen, wenn dies aus Gründen des Schutzes vorrangiger Rechtsgüter erforderlich ist.
Im Streitfall ist eine Entreicherung des Klägers insofern eingetreten, als der Vollstreckungsschuldner den dem Kläger zugewandten Geldbetrag in Höhe von 29 000 DM auf dem Festgeldkonto wieder vollständig abgeräumt und für eigene Zwecke verwendet hat. Damit kann das FA seinen Duldungsanspruch jedenfalls nicht als Zahlungsanspruch auf Wertersatz in Höhe dieses Betrages geltend machen. Da das FG dies verkannt hat, war der Revision des Klägers insoweit stattzugeben und waren, da die Sache spruchreif ist (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO), die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen entsprechend abzuändern und das vorinstanzliche Urteil in dem bezeichneten Umfang aufzuheben.
3. Im Übrigen ist jedoch der Revision des Klägers, der insoweit die Aufhebung des Duldungsbescheids beantragt hat, der Erfolg zu versagen (§ 126 Abs. 2 FGO). Dies ergibt sich aus Folgendem: Mit der Abräumung des Festgeldkontos des Klägers und der nachfolgenden Verwendung des Geldes für eigene Zwecke hat der Vollstreckungsschuldner seine Sorgepflicht für das Vermögen seines Kindes verletzt (vgl. § 1626 Abs. 1, § 1642 BGB) und dadurch einen Schadensersatzanspruch des Klägers nach § 1664 BGB ausgelöst. Dieser Schadensersatzanspruch ist gerade als Folge der schädigenden Handlung, durch welche die Entreicherung beim Kläger eingetreten ist, als Surrogat an die Stelle des entzogenen Geldes getreten. Damit ist der Kläger noch um diesen Anspruch gegen seinen Vater bereichert. Die Rückgewährpflicht des Klägers gegenüber dem FA aus dem Duldungsbescheid beschränkt sich daher auf die Herausgabe, d.h. die Abtretung dieses Anspruchs. Ob der Anspruch werthaltig ist und seine Durchsetzung durch das FA Erfolg verspricht, mag angesichts der erheblichen Steuerrückstände des Vollstreckungsschuldners gegenüber dem FA zweifelhaft sein. Doch ist hierüber keine gesicherte Aussage möglich. Nur wenn die gegenwärtige Wertlosigkeit des Anspruchs zweifellos feststände, wäre zu erwägen gewesen, im Rahmen der Duldungsverpflichtung sogleich von einem Wegfall der Bereicherung des Klägers auszugehen. Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen waren daher hinsichtlich des beanstandeten Teilbetrags nicht, wie der Kläger begehrt hat, völlig aufzuheben, sondern nur, wie im Tenor dieses Urteils geschehen, entsprechend abzuändern.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 923
BB 2004 S. 2112 Nr. 39
BFH/NV 2004 S. 1560
BStBl II 2004 S. 923 Nr. 21
DStRE 2004 S. 1245 Nr. 20
KÖSDI 2004 S. 14360 Nr. 10
NWB-Eilnachricht Nr. 50/2005 S. 4269
StB 2004 S. 403 Nr. 11
JAAAB-26547