Vorlage an den EuGH: Steuerbefreiung einer gemeinnützigen beschränkt stpfl. ausländischen Stiftung
Leitsatz
1. Eine Stiftung fördert auch dann die Allgemeinheit i.S. des § 52 Abs. 1 AO 1977, wenn sie ihre Zwecke ausnahmslos oder überwiegend im Ausland erfüllt und ihre Förderung vorzugsweise auf die Jugend eines Staates (hier: der Schweiz) oder einer Stadt (hier: Bern) beschränkt ist.
2. Die formelle Satzungsmäßigkeit nach § 59 AO 1977 erfordert hinsichtlich der steuerbegünstigten Zweckverfolgung nicht die ausdrückliche Verwendung der Begriffe „ausschließlich” und „unmittelbar”.
3. Die satzungsmäßige Vermögensbindung (§ 61 Abs. 1 AO 1977) ist bei einer staatlich beaufsichtigten Stiftung auch dann nach § 62 AO 1977 entbehrlich, wenn es sich um eine Stiftung ausländischen Rechts handelt, die der Stiftungsaufsicht eines EU-Mitgliedstaates unterfällt.
4. Dem EuGH wird die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Widerspricht es Art. 52 i.V.m. Art. 58, Art. 59 i.V.m. Art. 66 und 58 sowie Art. 73b EGV, wenn eine gemeinnützige Stiftung privaten Rechts eines anderen Mitgliedstaates, die im Inland mit Vermietungseinkünften beschränkt steuerpflichtig ist, anders als eine im Inland gemeinnützige unbeschränkt steuerpflichtige Stiftung mit entsprechenden Einkünften nicht von der Körperschaftsteuer befreit ist?
Gesetze: KStG 1996 § 2 Nr. 1KStG 1996 § 5 Abs. 1 Nr. 9 und Abs. 2 Nr. 3EStG § 21EStG § 49 Abs. 1 Nr. 6AO 1977 § 52AO 1977 § 55 Abs. 1 Nr. 4AO 1977 § 59AO 1977 § 60AO 1977 § 61 Abs. 1,§ 62§ 63EGV Art. 52, 58, 59, 66EGV 73b (= EG Art. 43, 48, 49, 55, 56)
Instanzenzug: (EFG 2003, 481),
Gründe
I. Sachverhalt und Streitstand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Stiftung italienischen Rechts mit Sitz in Italien. In ihrer für das Streitjahr 1997 maßgeblichen Satzung ist ihr Zweck und die Art seiner Verwirklichung in § 2 (in die deutsche Sprache übersetzt) wie folgt beschrieben: „Die Stiftung hat ausschließlich Ausbildungs- und Erziehungszwecke. Für die Erreichung ihrer Ziele soll die Stiftung die Lehrfächer der klassischen Herstellung von Saiteninstrumenten, der Streichinstrumente, der Musikgeschichte und der Musikwissenschaft im Allgemeinen sowie das Wiederaufleben der Kunst in der Herstellung der Geigen und Streichinstrumente unterstützen.…Die Stiftung darf außerdem eine oder mehrere Studienbeihilfen stiften, die jungen Schweizern, vorzugsweise aus Bern, den Aufenthalt in Italien für die ganze Periode des Unterrichts und der Prüfungen ermöglichen, die die Kunst in der Herstellung von Saiteninstrumenten lernen und sich darin fortbilden wollen ...”
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Geschäftsgrundstücks in Deutschland und erzielt daraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) der Körperschaftsteuer unterwarf.
Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Das , das sich inhaltlich weitgehend auf den vorangegangenen Gerichtsbescheid vom bezieht, ist auszugsweise in Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 481 abgedruckt.
Ihre Revision stützt die Klägerin auf Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und sie von der Körperschaftsteuer 1997 zu befreien.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Rechtslage nach deutschem Recht
Die Entscheidung über die Revision ist von der Beantwortung der im 4. Leitsatz genannten Vorlagefrage abhängig. Sofern diese Frage zu bejahen ist, muss das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zur weiteren Sachaufklärung und zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen werden. Ist die Frage aber zu verneinen, ist die Revision als unbegründet zurückzuweisen:
1. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1996 sind Körperschaften, die nach ihrer Satzung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 der Abgabenordnung —AO 1977—), von der Körperschaftsteuer befreit. Die Steuerbefreiung ist jedoch insoweit ausgeschlossen, als wirtschaftliche Geschäftsbetriebe —ausgenommen selbst bewirtschaftete Forstbetriebe— unterhalten werden (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 und 3 KStG 1996).
2. Die Klägerin verfolgte im Streitjahr gemeinnützige Zwecke i.S. der §§ 51 bis 68 AO 1977. Sie erfüllte im Streitjahr auch die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG 1996.
a) Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern (§ 52 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Eine Förderung der Allgemeinheit ist nicht gegeben, wenn der Kreis der Personen, dem die Förderung zugute kommt, fest abgeschlossen ist, zum Beispiel Zugehörigkeit zu einer Familie oder der Belegschaft eines Unternehmens, oder infolge seiner Abgrenzung, insbesondere nach räumlichen oder beruflichen Merkmalen, dauernd nur klein sein kann (§ 52 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Unter diesen Voraussetzungen sind als Förderung der Allgemeinheit (u.a.) insbesondere die Förderung von Wissenschaft und Forschung, Bildung und Erziehung, von Kunst und Kultur anzuerkennen (§ 52 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977).
Die Klägerin hat Ausbildungs- und Erziehungszwecke. Sie unterstützt die Lehrfächer der klassischen Herstellung von Saiteninstrumenten, der Streichinstrumente, der Musikgeschichte und der Musikwissenschaft im Allgemeinen sowie das Wiederaufleben der Kunst in der Herstellung der Geigen und Streichinstrumente. Diese Zielsetzung ist eine solche, die auf die Förderung der Kunst und Kultur gerichtet ist. Sie ist in diesem Rahmen auf die Förderung der „Allgemeinheit” ausgerichtet. Dass die gewährte Studienförderung „jungen Schweizern”, vorzugsweise solchen aus Bern, zugute kommen soll, steht dem nicht entgegen. Der Klägerin ist darin beizupflichten, dass der Kreis der geförderten „jungen Schweizer” —selbst wenn dieser regional auf die Stadt Bern beschränkt wäre— keine i.S. des § 52 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 schädliche Einengung darstellt. Denn bei „jungen Schweizern” handelt es sich um die Jugend der gesamten Schweiz mit mehr als 7 Mio. Einwohnern, bei solchen aus der Stadt Bern mit immerhin rund 125 000 Einwohnern. Ein derart weitgesteckter Personenkreis ist kein solcher, der auf Dauer nur „klein” wäre. Die Förderung braucht sich keineswegs auf die gesamte Bevölkerung (eines Landes, einer Großstadt) zu erstrecken. Schließlich schadet es nicht, wenn die Stiftungszwecke ausnahmslos oder jedenfalls ganz überwiegend im Ausland erfüllt werden. Das deutsche Steuerrecht anerkennt die Verfolgung gemeinnütziger Ziele unabhängig davon, ob dies im Inland oder im Ausland geschieht. Eine Förderung der Allgemeinheit i.S. des § 52 AO 1977 setzt nicht voraus, dass die Fördermaßnahmen den Bewohnern oder Staatsangehörigen Deutschlands zugute kommen (vgl. z.B. Thömmes, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht —JbFStR— 1999/2000, 123, 125 unter Hinweis auf den Spendenabzug; Widmann, daselbst, S. 128, unter Hinweis auf die in § 52 AO 1977 als förderungswürdig erwähnte Entwicklungshilfe).
b) Nach § 59 AO 1977 ist satzungsmäßige Voraussetzung der Steuerbefreiung, dass sich aus der Satzung ergibt, welche Zwecke die Körperschaft verfolgt (= welchen Zwecken sie dient), dass diese Zwecke den Anforderungen der §§ 52 bis 55 AO 1977 entsprechen, und dass sie von der Körperschaft ausschließlich und unmittelbar verfolgt werden. Gemäß § 60 Abs. 1 AO 1977 müssen die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung so genau bestimmt sein, dass bereits aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für Steuervergünstigungen gegeben sind. Hinsichtlich der Körperschaftsteuerbefreiung müssen die satzungsmäßigen Voraussetzungen während des ganzen Veranlagungszeitraums erfüllt sein (§ 60 Abs. 2 AO 1977).
Die im Streitjahr geltende und vom FG —für den Senat bindend (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—)— festgestellte Satzung der Klägerin bestimmte in § 2 deren Zweck und die Art seiner Verwirklichung wie im Tatbestand wiedergegeben. Das genügt, um aufgrund der Satzung zu prüfen, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für Steuervergünstigungen vorliegen. Ausschlaggebend ist, dass die im Einzelnen aufgelisteten Zielsetzungen keinen begründbaren Zweifel daran belassen, dass sie zur Verwirklichung des Stiftungszwecks dienen. Die Satzung belässt gleichermaßen keinen begründbaren Zweifel daran, dass die Klägerin den Satzungszweck ausschließlich und unmittelbar verfolgt. Zwar ergibt sich dies nicht erklärtermaßen unter Verwendung der Begriffe „ausschließlich” und „unmittelbar” aus der Satzung. Dieser kann aber an keiner Stelle Gegenteiliges entnommen werden. Der Umstand, dass die Klägerin ihre Zwecke teilweise mittels „Unterstützung” bestimmter Zielsetzungen verwirklichen will, ändert daran nichts. Der Begriff der „Unterstützung” ist als solcher ebenso neutral, wie der Begriff der Förderung. Er suggeriert nicht, dass die Zielsetzung lediglich in mittelbarer Weise erfüllt werden soll. Andere Anhaltspunkte in diese Richtung hat das FG nicht festgestellt. Ohnehin gilt es, bei der Auslegung der Satzungen von Körperschaften, die Steuervergünstigungen wegen Verfolgung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke beanspruchen, eine allzu kleinliche „Wortklauberei” (so Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 60 AO Tz. 3) zu vermeiden. Die Satzungen haben nicht lediglich den Zweck, die satzungsmäßigen Voraussetzungen der Steuervergünstigungen zu erfüllen. Sie dienen auch und oft sogar vorrangig dazu, die Organisation der Vereine und die Befugnisse ihrer Organe festzulegen (Senatsurteil vom I R 15/02, BFHE 201, 395, BStBl II 2003, 384).
Daraus folgt, dass die Satzung im Streitjahr den Anforderungen der § 59 und § 60 Abs. 1 AO 1977 genügte.
c) Die in Rede stehende Satzung erfüllte jedoch, wie insoweit unstreitig ist, aus sich heraus nicht sämtliche Anforderungen, die nach § 61 AO 1977 für den Fall der Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks an die satzungsmäßige Vermögensbindung (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 AO 1977) zu stellen sind. Allerdings sind diese Anforderungen u.a. bei staatlich beaufsichtigten Stiftungen verzichtbar (§ 62 AO 1977). Die Klägerin ist eine staatlich beaufsichtigte Stiftung. Das für sie maßgebliche italienische Stiftungsrecht genügt nach Auffassung des FG indes nicht sämtlichen Anforderungen des § 61 Abs. 1 AO 1977, die gemäß § 62 AO 1977 infolge der staatlichen Aufsicht ersetzt würden. Dem kann schon aus systematischen Gründen nicht gefolgt werden. Zwar stellt § 62 AO 1977 der Sache nach eine Ausnahme zu dem Gebot der satzungsmäßigen Vermögensbindung des § 61 Abs. 1 AO 1977 dar. Der Tatbestand des § 62 AO 1977 ist mit jenem des § 61 Abs. 1 AO 1977 jedoch nicht ausdrücklich verknüpft, weshalb insoweit auch nicht uneingeschränkt auf die tatbestandlichen Vorgaben des § 61 Abs. 1 AO 1977 zurückgegriffen werden darf. Ebenso wenig stellt das Gesetz besondere Anforderungen an die Intensität und Ausgestaltung der staatlichen Aufsicht. Es wird vielmehr generell unterstellt, dass das Aufsichtsrecht und seine Durchsetzung die Vermögensbindung in der gebotenen Weise sicherstellt. Dabei mag der Gesetzgeber in erster Linie die Stiftungsgesetze der (deutschen) Bundesländer und deren Stiftungsaufsicht vor Augen gehabt haben. Der Tatbestand des § 62 AO 1977 trifft dazu aber keine Einschränkungen. Es gibt folglich keine Veranlassung, die staatliche Aufsicht eines anderen EU-Staates (hier der italienischen) nicht genügen zu lassen, um § 62 AO 1977 zu genügen. Vielmehr wird der Steuerpflichtige auch dann von den satzungsmäßigen Vermögensbindungserfordernissen suspendiert, wenn er einer ausländischen staatlichen Aufsicht unterliegt, unabhängig davon, ob diese im Einzelnen —ohne dass dem weiter nachzugehen wäre— von der deutschen Stiftungsaufsicht abweichen mag.
3. Ungewiss ist derzeit vor dem Hintergrund der tatrichterlichen Feststellungen allein, ob die Klägerin auch den Anforderungen an ihre tatsächliche Geschäftsführung genügt (vgl. § 63 AO 1977), insbesondere, ob sie ihre vereinnahmten Mittel zeitnah für ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwendet (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 5, § 58 Nr. 7 Buchst. a AO 1977). Das wäre ggf. im Wege der Zurückverweisung an das FG (vgl. § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO) weiter aufzuklären.
4. Infolge der vorstehenden Rechtslage (und vorbehaltlich des letzten Aspektes unter 3.) wäre die Klägerin an sich gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 1996 mit ihren inländischen Vermietungseinkünften (§ 21 des Einkommensteuergesetzes —EStG—) von der Körperschaftsteuer befreit. Eine (teilweise) Steuerpflicht mit diesen Einkünften gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 und 3 KStG 1996 scheidet aus, weil die Vermietung nach den —den Senat bindenden— tatsächlichen Feststellungen des FG nicht über den Rahmen der Vermögensverwaltung hinausgeht und damit kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (§ 14 Satz 1 AO 1977) ist (vgl. Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 14 AO Tz. 11 ff.). Da die Klägerin die Vermietungseinkünfte wegen ihres Sitzes und ihrer Stiftungsleitung in Italien aber im Rahmen ihrer beschränkten Steuerpflicht gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG i.V.m. § 21 EStG und § 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1 KStG erzielt, greift § 5 Abs. 2 Nr. 3 KStG 1996 (nunmehr § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG) ein, wonach die Steuerbefreiung für beschränkt Steuerpflichtige nicht gilt. Die Klägerin wäre sonach mit den inländischen Einkünften aus der Vermietung des Geschäftsgrundstücks steuerpflichtig, wobei der Senat in Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte unterstellt, dass sie insgesamt mit Einkunftserzielungsabsicht tätig und dass die von ihr ausgeübte Tätigkeit deshalb im Inland steuerbar ist (vgl. zur Abgrenzung z.B. , BFHE 204, 21 für einen Verein; vom I R 14/01, BFHE 197, 287, BStBl II 2002, 861 für eine ausländische Kapitalgesellschaft).
III. Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht
Es ist allerdings fraglich, ob der Ausschluss von der Körperschaftsteuerbefreiung in § 5 Abs. 2 Nr. 3 KStG 1996 gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen ohne weiteres standhält. Das wurde vom Senat zwar in einer älteren Entscheidung bejaht (Urteil vom I R 224/74, BFHE 120, 366, BStBl II 1977, 175), widerspricht aber möglicherweise der zwischenzeitlichen Entwicklung des Gemeinschaftsrechts. Der Ausschluss von der Steuerbefreiung beschränkt Steuerpflichtiger (Gebietsfremder) könnte gegen die Grundfreiheiten der Niederlassungsfreiheit (Art. 52 i.V.m. Art. 58 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft —EGV—, jetzt Art. 43 i.V.m. Art. 48 nach der Zählung des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft —EG—, sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— 1997 Nr. C-340/173), der Dienstleistungsfreiheit (Art. 59 i.V.m. Art. 66 und 58 EGV, jetzt Art. 49 i.V.m. Art. 55 und 48 EG), und/oder der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 73b EGV, jetzt Art. 56 EG) verstoßen, deren Auslegung dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vorbehalten ist (vgl. im Einzelnen Helios, Betriebs-Berater —BB— 2002, 1893; Eicker, Internationale Wirtschaftsbriefe —IWB— Fach 11 Gruppe 2, 365; Thömmes, JbFStR 1999/2000, 123, 124 ff.; Widmann, daselbst, S. 128; enger Jachmann, BB 2003, 990; ablehnend Isensee, Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft —DStJG— 26 [2003], 93, 110 ff.).
1. Dagegen wird geltend gemacht, es mangele bei gemeinnützigen Aktivitäten an dem erforderlichen „Erwerbszweck”, um den Schutzbereich jener Grundfreiheiten für Gesellschaften und sonstige juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts —und damit auch für Stiftungen— zu eröffnen (Art. 58 Abs. 2, Art. 66 EGV, Art. 48 Abs. 2, Art. 55 EG; vgl. Isensee, DStJG 26 [2003], 93, 111). Es ist jedoch zumindest zweifelhaft, ob das zutrifft. „Erwerbszwecke” i.S. der Art. 58 Abs. 2 EGV, Art. 48 Abs. 2 EG sind sicherlich keine rein ideellen oder altruistischen Ziele. Verlangt wird aber wohl auch keine Gewinnmaximierung, solange nur —neben anderen Zwecken— entgeltliche Leistungen erbracht werden (vgl. z.B. Scheuer in Lenz/ Borchardt, EU- und EG-Vertrag, Art. 48 EG Rz. 1). Folgt man der ganz überwiegenden Meinung im Schrifttum, sind Gesellschaften mit einem wirtschaftlichen „Erwerbszweck” vielmehr solche, die als „rechtlich konfigurierte Marktakteure (...) im Rechtsverkehr auftreten, soweit sie keine Hoheitsrechte ausüben” (so Müller-Graff in Streinz, EUV/EGV, Vertrag über die Europäische Union und Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Art. 48 EGV Rn. 2; s. auch Troberg/Tiedje in von der Groeben/ Schwarze, Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Art. 48 EG Rn. 5), und die nicht ausschließlich kulturell oder karitativ tätig sind (Troberg/Tiedje, ebenda; Müller-Graff in Streinz, a.a.O., Art. 43 EGV Rn. 12, m.w.N.; „Sodemare”, Slg. 1997, I-3395). Der Begriff des Erwerbszwecks ist hiernach ebenso wie jener der Erwerbstätigkeit natürlicher Personen gemäß Art. 52 EGV, Art. 43 EG weit zu verstehen. Er dient zwar in erster Linie der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen (Randelzhofer/Forsthoff in Grabitz/ Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 48 EGV Rdnr. 8; Robbers in Essener Gespräche 27 [1993], 81, 90; Schwarz, Europarecht 2002, 192, 209; Luthe, Die Sozialgerichtsbarkeit 2000, 505, 513 f.). Es spricht jedoch viel dafür, dass darüber hinausgehend jegliche Tätigkeiten, die zum Wirtschaftsleben i.S. des Art. 2 EGV/EG gehören (vgl. Randelzhofer/Forsthoff in Grabitz/Hilf, a.a.O., Art. 43 EGV Rdnr. 15; Bröhmer in Calliess/Ruffert, Kommentar des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft —EUV/EGV—, Art. 43 EG-Vertrag Rz. 10), dann einbezogen sind, wenn sie erwerbsorientiert sind und gegen Entgelt erbracht werden (Troberg/Tiedje in von der Groeben/Schwarze, a.a.O., Art. 43 EG Rn. 55 ff.; Randelzhofer/Forsthoff in Grabitz/Hilf, a.a.O., Art. 43 EGV Rdnr. 16, m.w.N. zur Rechtsprechung des EuGH; Müller-Graff in Streinz, a.a.O., Art. 43 EGV Rn. 12; Bröhmer in Calliess/Ruffert, a.a.O., Art. 43 EG-Vertrag Rz. 9; Scheuer in Lenz/Borchardt, a.a.O., Art. 48 EG Rz. 1). So gesehen können aber auch vermögensverwaltende Aktivitäten —wie im Streitfall die Vermietung von Grundbesitz— Erwerbszwecken in diesem Sinne dienen (ebenso Thömmes, JbFStR 1999/2000, 123, 124; Helios, BB 2002, 1893 ff.; vgl. allgemein auch Generalanwalt Cosmas in seinen Schlussanträgen vom zu dem nachfolgenden „KOM/Belgien”, Slg. 1999, I-3999; s. auch die Rechtsprechungsnachweise bei Randelzhofer/Forsthoff in Grabitz/ Hilf, a.a.O., Art. 43 EGV Rdnr. 16).
2. Dem Senat erscheint es in Anbetracht dessen auch als zweifelhaft, ob die unterschiedliche Behandlung gebietsansässiger und gebietsfremder gemeinnütziger Stiftungen infolge des Kohärenzgrundsatzes gerechtfertigt ist. Zwar dürfte die Steuerbefreiung das Korrelat zu den gemeinnützigen Zwecken sein (vgl. Isensee, DStJG 26 [2003], 93, 113: „Die Gemeinnützigkeit bildet einen ganzheitlichen Status”). Die gemeinnützigen Zwecke einer ausländischen Stiftung, die —wie die Klägerin— ihre (gemeinnützigen) Stiftungszwecke im Ausland verfolgt und erfüllt, kommen Deutschland und dessen Bewohner letztlich aber nicht zugute, so dass sich unter Umständen vertreten ließe, einer solchen Stiftung die Steuerbefreiung vorzuenthalten. Da § 52 Abs. 1 AO 1977 die steuerliche Anerkennung der Gemeinnützigkeit indes nicht von der Förderung der inländischen „Allgemeinheit” abhängig macht, würde eine unbeschränkt steuerpflichtige Stiftung mit vergleichbarer Zielsetzung der Klägerin steuerlich besser behandelt als die beschränkt steuerpflichtige Stiftung. Die Korrespondenz zwischen innerstaatlicher Vorteilserlangung und innerstaatlicher Steuerbefreiung knüpft so gesehen also nicht an die Zielsetzung an, sondern an den Umstand der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht. Eine solche Unterscheidung ist nicht mehr kohärent.
Soweit dem der „strukturelle Inlandsbezug gemeinnützigen Handelns” (so Jachmann, BB 2003, 990, 992) oder der Einwand entgegengehalten wird, das Gemeinnützigkeitsrecht sei „auf das Gemeinwohl der Bundesrepublik Deutschland” als „offener, europaintegrierter Nationalstaat” zugeschnitten (so Isensee, DStJG 26 (2003), 93, 111 ff.), ist gleichermaßen zweifelhaft, ob daraus ein tragfähiger Rechtfertigungsgrund für die unterschiedliche Behandlung einer gebietsfremden und einer gebietsansässigen gemeinnützigen Stiftung abgeleitet werden kann. Zwar fehlt im Bereich des Gemeinnützigkeitsrechts und der direkten Steuern bislang eine gemeinschaftsrechtliche Harmonisierung. Zuständig für diese Rechtsbereiche sind allein die Mitgliedstaaten. Der EuGH verlangt jedoch in ständiger Rechtsprechung, dass die Mitgliedstaaten ihre Befugnisse gleichwohl unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben und sich deshalb jeder offensichtlichen oder versteckten Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit enthalten müssen (vgl. z.B. „Schumacker”, Slg. 1995, I-225 Tz. 21 und 26; vom C-391/97 „Gschwind”, Slg. 1999, I-5451 Tz. 20). In Anbetracht dessen erscheint es fraglich, ob sich die unterschiedliche Behandlung mit dem Hinweis rechtfertigen lässt, es liege an der jeweiligen Körperschaft, „ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in das Inland zu verlagern” (so Isensee, DStJG 26 (2003), 93, 113). Ebenso wenig überzeugt den Senat die Überlegung, der Gebietsfremde werde im Ergebnis nur der Regelbesteuerung unterworfen und ihm werde lediglich eine „im Kontext des nationalen Rechts rechtfertigungsbedürftige” steuerliche Ausnahme —nämlich die Steuerbefreiung— vorenthalten (so ebenfalls Isensee, DStJG 26 [2003], 93, 112). Ausschlaggebend sollte die ungleiche Gewährung der Ausnahme trotz gleichermaßen erfüllter tatbestandlicher Rechtfertigungsvoraussetzungen sein.
IV. Vorlage an den EuGH
Der Senat setzt das Revisionsverfahren deshalb gemäß § 74 FGO aus und legt dem EuGH folgende Frage gemäß Art. 234 Abs. 3 EG zur Vorabentscheidung vor:
Widerspricht es Art. 52 i.V.m. Art. 58, Art. 59 i.V.m. Art. 66 und 58 sowie Art. 73b EGV, wenn eine gemeinnützige Stiftung privaten Rechts eines anderen Mitgliedstaates, die im Inland mit Vermietungseinkünften beschränkt steuerpflichtig ist, anders als eine im Inland gemeinnützige unbeschränkt steuerpflichtige Stiftung mit entsprechenden Einkünften nicht von der Körperschaftsteuer befreit ist?
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2005 II Seite 721
BB 2004 S. 2118 Nr. 39
BB 2004 S. 2338 Nr. 43
BFH/NV 2004 S. 1575
BFH/NV 2004 S. 1575 Nr. 11
BStBl II 2005 S. 721 Nr. 17
DB 2004 S. 2135 Nr. 40
DStR 2004 S. 1644 Nr. 39
DStRE 2004 S. 1191 Nr. 19
FR 2004 S. 1231 Nr. 21
INF 2004 S. 763 Nr. 20
KÖSDI 2004 S. 14351 Nr. 10
StB 2004 S. 403 Nr. 11
PAAAB-26545