Korrekturumfang eines bestandskräftigen, auf einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen beruhenden Umsatzsteuerbescheids;
Nachträglich bekannt gewordene Tatsachen (§ 173 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AO) und materielle Fehler (§ 177 AO)
1 Nachträglich bekannt gewordene Tatsachen gem. § 173 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 AO
Bei der Umsatzsteuer sind Tatsachen, die eine Erhöhung der Umsatzsteuer begründen, und Tatsachen, die eine höhere Vorsteuer begründen, getrennt zu beurteilen. Ein Zusammenhang zwischen nachträglich bekannt gewordenen Umsätzen und nachträglich bekannt gewordenen Leistungen an den Unternehmer i. S. d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 besteht nur insoweit, als die Eingangsleistungen zur Ausführung der nachträglich bekannt gewordenen Umsätze verwendet wurden (, BStBl 1992 II S. 12 und vom , V R 60/92, BStBl 1996 II S. 149). Dies gilt allerdings nur, soweit diese Umsätze zum Vorsteuerabzug berechtigen; soweit die nachträglich bekannt gewordenen Vorsteuerbeträge hingegen mit nachträglich bekannt gewordenen steuerfreien oder nichtsteuerbaren Umsätzen in Zusammenhang stehen, sind die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 nicht erfüllt.
Hat das Finanzamt bei einer Schätzung der Umsatzsteuer davon abgesehen, die Steuer auf der Grundlage des Ansatzes einer Vielzahl einzelner Umsätze mit jeweils genau bezifferter Bemessungsgrundlage zu ermitteln, können die nachträglich bekannt gewordenen Vorsteuerbeträge im Schätzungsweg entsprechend dem Verhältnis der nachträglich erklärten und der ursprünglich vom Finanzamt geschätzten steuerpflichtigen Umsätze berücksichtigt werden, es sei denn, es liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass weniger oder mehr Vorsteuerbeträge im Zusammenhang mit den nachträglich bekannt gewordenen Umsätzen stehen, als sich nach dieser Aufteilung ergibt (, BStBl 1996 II S. 149).
Wegen der übrigen Voraussetzungen wird auf A 202 Abs. 5 und 6 UStR verwiesen.
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Schätzung | Erklärung | Differenz | |
stpfl. Umsätze | 750.000,– € | 1.250.000,– € | 500.000,– € (40 %) [1] |
USt (16 %) | 120.000,– € | 200.000,– € | 80.000,– € |
– Vorsteuer | 0,– € | 120.000,– € | 120.000,– € |
= verbleibende USt | 120.000,– € | 80.000,– € | – 40.000,– € |
Im geänderten Umsatzsteuerbescheid sind die Steuer erhöhenden neuen Tatsachen (steuerpflichtige Umsätze) und die Steuer mindernden neuen Tatsachen (Vorsteuern) aus der Steuererklärung wie folgt zu berücksichtigen:
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USt (16 %) lt. Schätzung | (60 %) | 120.000,– € |
+ neue Tatsache (§ 173 (1) Nr. 1 AO) | (40 %) | 80.000,– € |
zusammen | (100 %) | 200.000,– € |
abzüglich Vorsteuer lt. Schätzung | 0,– € | |
+ neue Tatsache | ||
§ 173 (1) Nr. 2 AO | ||
(40 % von 120.000,– €) | + 48.000,– € | |
48.000,– € | – 48.000,– € | |
festzusetzende USt | 152.000,– € |
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Schätzung | Erklärung | Differenz | |
stpfl. Umsätze | 1.000.000,– € | 1.500.000,– € | 500.000,– € (33,33 %) [2] |
USt (16 %) | 160.000,– € | 240.000,– € | 80.000,– € |
– Vorsteuer | 50.000,– € | 250.000,– € | 200.000,– € |
= verbleibende USt | 110.000,– € | – 10.000,– € | 120.000,– € |
Im geänderten Umsatzsteuerbescheid sind die Steuer erhöhenden neuen Tatsachen (steuerpflichtige Umsätze) und die Steuer mindernden neuen Tatsachen (Vorsteuern) aus der Erklärung wie folgt zu berücksichtigen:
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USt (16 %) lt. Schätzung | (66,67 %) | 160.000,– € |
+ neue Tatsache (§ 173 (1) Nr. 1 AO) | (33,33 %) | 80.000,– € |
zusammen | (100,00 %) | 240.000,– € |
abzüglich Vorsteuer lt. Schätzung | 50.000,– € | |
+ neue Tatsache (§ 173 (1) Nr. 2 AO) | + 66.667,– € | |
(33.33 % von 200.000,– €) | ||
116.667,– € | – 116.667,– € | |
festzusetzende USt | 123.333,– € |
2 Berücksichtigung materieller Fehler gem. § 177 AO
Nach dem (BStBl 2003 II S. 785), können, wenn nachträglich sowohl Steuer erhöhende Tatsachen (Umsätze) als auch Steuer mindernde Tatsachen (Vorsteuerbeträge) bekannt werden und die Steuer erhöhenden Tatsachen zur Änderung eines Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO führen, die Steuer mindernden Tatsachen sowohl gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO als auch gem. § 177 AO zu berücksichtigen sein. Mit dieser Entscheidung hat der BFH für die Umsatzsteuer sein Urteil vom , V R 60/92 (BStBl 1996 II S. 149), fortentwickelt.
Für eine Änderung nach § 177 (1) Abs. 1 AO kommt noch in Betracht:
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Vorsteuerbeträge lt. Erklärung | 120.000,– € |
bereits im Schätzungsbescheid berücksichtigt | – 0,– € |
bereits nach § 173 (1) Nr. 2 Satz 2 AO berücksichtigt | – 48.000,– € |
verbleibender Vorsteuerbetrag = materieller Fehler | 72.000,– €. |
Änderungsrahmen:
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a) | Änderungsobergrenze | 120.000,– € | Steuerfestsetzung lt. Schätzung |
+ 80.000,– € | Änderung zu Ungunsten | ||
200.000,– € | |||
b) | Änderungsuntergrenze | 120.000,– € | Steuerfestsetzung lt. Schätzung |
– 48.000,– € | Änderung zu Gunsten | ||
72.000,– € |
Da durch die materiell zutreffende Umsatzsteuer (80.000,– € lt. Steuererklärung) die Obergrenze nicht über- und die Untergrenze nicht unterschritten wird, ist der verbleibende Vorsteuerbetrag (materieller Fehler) in voller Höhe gem. § 177 Abs. 1 AO zu berücksichtigen. Im Ergebnis wird dadurch die Umsatzsteuer entsprechend der Steuererklärung festgesetzt.
Für eine Änderung nach § 177 Abs. 1 AO kommt noch in Betracht:
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Vorsteuerbeträge lt. Erklärung | 250.000,– € |
bereits im Schätzungsbescheid berücksichtigt | – 50.000,– € |
bereits nach § 173 (1) Nr. 2 Satz 2 AO berücksichtigt | – 66.667,– € |
verbleibender Vorsteuerbetrag = materieller Fehler | 133.333,– €. |
Änderungsrahmen:
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a) | Änderungsobergrenze | 110.000,– € | Steuerfestsetzung lt. Schätzung |
+ 80.000,– € | Änderung zu Ungunsten | ||
190.000,– € | |||
b) | Änderungsuntergrenze | 110.000,– € | Steuerfestsetzung lt. Schätzung |
– 66.667,– € | Änderung zu Gunsten | ||
43.333,– € |
Da durch die materiell zutreffende Umsatzsteuer (– 10.000,– € lt. Steuererklärung) die Änderungsuntergrenze unterschritten wird, ist der verbleibende Vorsteuerbetrag (133.333,– €) nur bis zur Höhe von 80.000,– € („soweit die Änderung reicht”) gem. § 177 Abs. 1 AO zu berücksichtigen. Die berichtigte Steuerfestsetzung beträgt danach 43.333,– €.
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Fundstelle(n):
BAAAB-26486