Steuerfreie Entnahme einer fremdvermieteten Wohnung zum Eigenbedarf während der Übergangsregelung
Leitsatz
1. Die Nutzung einer vor dem fremdvermieteten Wohnung zu eigenen Wohnzwecken oder für Wohnzwecke eines Altenteilers während des Zeitraums der Übergangsregelung führt nach § 52 Abs. 15 Satz 8 Nr. 2 EStG a.F. (jetzt § 13 Abs. 4 Satz 6 Nr. 2 EStG) zu einer Zwangsentnahme dieser bis dahin dem gewillkürten Betriebsvermögen zuzuordnenden Wohnung.
2. Das Entnahmeprivileg des § 52 Abs. 15 Satz 8 Nr. 2 EStG a.F. (jetzt § 13 Abs. 4 Satz 6 Nr. 2 EStG) erfordert eine auf Dauer angelegte private Nutzung durch den Betriebsinhaber oder den Altenteiler. Die kurzzeitige Nutzung einer Wohnung des (gewillkürten) Betriebsvermögens durch den Altenteiler oder den Betriebsinhaber ist nicht geeignet, den betrieblichen Zusammenhang des Wirtschaftsguts zu lösen und endgültig notwendiges Privatvermögen zu begründen.
Gesetze: EStG a.F. (1990) § 52 Abs. 15 Satz 8 Nr. 2EStG § 13 Abs. 4 Satz 6 Nr. 2
Instanzenzug: 199116K 6 (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), zusammenveranlagte Ehegatten, streiten mit dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) darüber, ob ein Altenteilerhaus samt dazugehörigem Grund und Boden aus dem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen steuerfrei entnommen wurde.
Der Kläger ist seit 1994 Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebs, der ursprünglich seiner Großmutter gehörte, die ihn seit 1966 an den Kläger verpachtet hatte. Der Gewinn wird nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zum Stichtag auf den 30. April jeden Jahres ermittelt. 1980 errichtete die Großmutter für die Eltern des Klägers ein Altenteilerhaus auf dem Hofgrundstück. Weil der Vater des Klägers jedoch zuvor starb, wurde das Altenteilerhaus fremdvermietet. Mit dem Tod der Großmutter ging der Hof 1981 auf die Mutter des Klägers über, die in den Pachtvertrag eintrat.
Zum übertrug die Mutter den Betrieb dem Kläger gegen Einräumung eines lebenslänglichen, unentgeltlichen Wohnrechts am Altenteilerhaus und des Rechts, das Altenteilerhaus auch zu vermieten. Nach den Angaben des Klägers bezog die Mutter das Altenteilerhaus am , ohne jedoch ihre Wohnung in A aufzugeben. Polizeilich gemeldet war sie für das Altenteilerhaus vom bis zum . Nachdem sie das Altenteilerhaus ab wieder an fremde Dritte vermietet hatte, bewohnte sie wieder ihre Wohnung in A.
Im Abschluss auf den wies der Kläger einen im Hinblick auf § 52 Abs. 15 EStG a.F. steuerfreien Entnahmegewinn für das Altenteilerhaus mit dazugehörigem Grund und Boden in Höhe von 238 332 DM aus und teilte dem FA mit, er habe das Altenteilerhaus am ausgebucht; in seiner Einkommensteuererklärung 1994 vom gab er an, das Altenteilerhaus mit Grund und Boden zum steuerfrei entnommen zu haben.
Bei der Einkommensteuerveranlagung für die Streitjahre (1995 und 1996) ging das FA von einer steuerpflichtigen Entnahme im Zeitpunkt der Entnahmebuchung () aus. Einspruch und Klage, mit denen der Kläger sich auf die Voraussetzungen des § 52 Abs. 15 Satz 8 Nr. 2 EStG a.F. berief, blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, das Altenteilerhaus sei mit dem Einzug der Mutter im Dezember 1994 dem notwendigen Betriebsvermögen zuzuordnen gewesen und später steuerpflichtig entnommen worden. Denn die Voraussetzungen des § 52 Abs. 15 Satz 8 Nr. 2 EStG a.F. seien im Streitfall nicht erfüllt. Der Kläger habe zwar eine vor dem entgeltlich vermietete Wohnung nach dem und vor dem entnommen; diese Entnahme sei jedoch nicht zu Wohnzwecken des Altenteilers erfolgt, weil die Mutter im Zeitpunkt der Entnahme, dem , bereits ausgezogen sei. Im Übrigen sei der Entnahmewert nicht streitig.
Mit ihrer dagegen gerichteten Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Sie tragen vor: Die Altenteilerwohnung sei bereits am mit dem Bezug durch die Mutter des Klägers nach § 52 Abs. 15 Satz 8 Nr. 2 EStG a.F. zwangsweise, aber steuerfrei entnommen worden. Die durch die beauftragte Steuerberatungsgesellschaft durchgeführte Entnahmebuchung auf den sei daher irrtümlich erfolgt. Jedenfalls sei eine steuerpflichtige Entnahme nicht beabsichtigt gewesen.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer 1995 nach einem um 158 888 DM verminderten Einkommen sowie die Einkommensteuer 1996 nach einem um 79 444 DM verminderten Einkommen festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Zu einer Zwangsentnahme sei es nicht gekommen, weil die Altenteilerin das Wohnhaus nur probeweise bezogen habe und dann wieder in die von ihr beibehaltene Wohnung in A gezogen sei. Das Altenteilerhaus sei aber mit der Ausbuchung am entnommen worden. Auch wenn man mit den Klägern von einer Zwangsentnahme des Wohnhauses mit der Nutzungsänderung zum ausgehen wollte, habe diese nicht steuerfrei erfolgen können, weil die Wohnung nicht notwendiges Betriebsvermögen gewesen sei. Das Altenteilerwohnhaus habe vielmehr stets zum gewillkürten Betriebsvermögen gehört. Für solche Wohnungen habe aber kein Bedürfnis nach einer steuerfreien Entnahme bestanden.
Die Revision der Kläger ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Das FG hat in der von den Klägern vorgetragenen Überlassung der Wohnung zu Wohnzwecken der Altenteilerin zum zu Unrecht eine Maßnahme gesehen, die die Wohnung auch nach Abschaffung der Nutzungswertbesteuerung zum notwendigen Betriebsvermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs werden ließ. Auf dieser Grundlage hat es eine steuerpflichtige Entnahme des Grundstücks im Zeitpunkt der „Entnahmebuchung” angenommen, mit der der Kläger lediglich eine steuerfreie Entnahme nachvollziehen wollte. Auch diese Folgerung ist revisionsrechtlich zu beanstanden.
a) Nach § 52 Abs. 15 Satz 8 Nr. 2 erster Halbsatz EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung (a.F.) konnten eine vor dem einem Dritten entgeltlich überlassene Wohnung und der dazugehörende Grund und Boden vor dem steuerfrei für eigene Wohnzwecke oder für Wohnzwecke eines Altenteilers entnommen werden. Die Steuerbefreiung zielte also darauf ab, die Befriedigung des Wohnbedarfs nach Ablauf der Nutzungswertbesteuerung auch in den Fällen zu begünstigen, in denen während der Übergangszeit (1987 bis 1998) für den Betriebsinhaber oder für einen oder mehrere Altenteiler neuer Wohnbedarf entstand (Senatsurteil vom IV R 7/02, BFHE 204, 206, BStBl II 2004, 277 zu 1.b der Gründe). Der Gesetzgeber ging demnach ersichtlich davon aus, dass die Überlassung einer Wohnung zu privaten Wohnzwecken des Altenteilers während des Zeitraums der Übergangsregelung zu einer Zwangsentnahme dieser bis dahin fremdvermieteten Wohnung führt (s. nur Leingärtner/Kanzler, Besteuerung der Landwirte, Kap. 17 Rz. 299), die aber aus eben diesem Grund steuerbefreit ist. Als Entnahmehandlung führte die Überlassung der Wohnung an den Altenteiler dazu, dass die bisher zum gewillkürten Betriebsvermögen gehörende Wohnung unmittelbar notwendiges Privatvermögen des Überlassenden wurde (Felsmann/Giere, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, A 173b).
b) Das FG hat demgegenüber angenommen, dass der Kläger das Altenteilerhaus seinem „ursprünglich beabsichtigten Zweck zugeführt” habe, als er es am seiner Mutter überlassen hatte, dass das Grundstück daher auch nach Abschaffung der Nutzungswertbesteuerung zu notwendigem Betriebsvermögen des Hofes geworden sei und dass somit keine Zwangsentnahme vorgelegen haben könne. Das mit dem Altenteilerwohnhaus bebaute Grundstück sei vielmehr mit Durchführung der „Entnahmebuchung” am steuerpflichtig entnommen worden.
2. Die Vorentscheidung beruht danach auf einer anderen Rechtsauffassung und ist aus diesem Grunde aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Von seinem Standpunkt aus konsequent, hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen, ob die von den Klägern behauptete vorübergehende Nutzung des Altenteilerwohnhauses durch die Mutter des Klägers tatsächlich zu einer Zwangsentnahme geführt hat und den Klägern daher das Entnahmeprivileg des § 52 Abs. 15 Satz 8 Nr. 2 EStG a.F. zusteht.
a) Bei erneuter Verhandlung und Entscheidung wird das FG diese Feststellungen nachzuholen und dabei insbesondere zu berücksichtigen haben, dass nur eine auf Dauer angelegte private Nutzung durch den Altenteiler die Voraussetzungen des § 52 Abs. 15 Satz 8 Nr. 2 EStG a.F. erfüllen konnte. Die kurzzeitige Nutzung einer Wohnung des (gewillkürten) Betriebsvermögens durch den Altenteiler oder den Betriebsinhaber ist aber nicht geeignet, den betrieblichen Zusammenhang des Wirtschaftsguts zu lösen und endgültig notwendiges Privatvermögen zu begründen. Denn wie der Senat mit Urteil vom IV R 93/70 (BFHE 111, 322, BStBl II 1974, 240, m.w.N.) entschieden hat, kann eine eindeutige Entnahmehandlung durch Nutzungsänderung nicht angenommen werden, wenn ein Grundstück zwar eigenen Wohnzwecken zugeführt wird, aber Umstände vorliegen, die zweifelhaft erscheinen lassen, dass eine dauernde Nutzung zu Wohnzwecken beabsichtigt ist (s. auch Senatsurteil vom IV R 39/93, BFH/NV 1995, 873 zu 2.d, und , BFHE 156, 476, BStBl II 1989, 621 unter 4.). Diese Rechtsprechung gilt auch für die Überlassung eines Grundstücks zu Wohnzwecken eines Altenteilers durch den Eigentümer.
b) Gelangt das FG auf Grund der im Streitfall vorliegenden Anhaltspunkte und weiterer Tatsachenfeststellungen zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen des § 52 Abs. 15 Satz 8 Nr. 2 EStG a.F. nicht erfüllt waren, so ist das Altenteilergrundstück weiterhin gewillkürtes Betriebsvermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs des Klägers geblieben, es sei denn, die Mutter des Klägers wäre mit der Begründung des Wohnrechts und der damit verbundenen Befugnis, die Wohnung ihrerseits zu vermieten, wirtschaftliche Eigentümerin des Grundstücks geworden.
3. Der Senat kann dem FG aber auch nicht darin folgen, dass der Kläger das Grundstück steuerpflichtig entnommen hat. Zwar hätte der Kläger das Altenteilergrundstück als Wirtschaftsgut des gewillkürten Betriebsvermögens auch jederzeit durch eine eindeutige Entnahmehandlung in das Privatvermögen überführen können. Eine solche Entnahmehandlung, die auch in einem entsprechenden Buchungsvorgang bestehen kann, muss jedoch erkennbar von dem Bewusstsein getragen sein, dass es als Folge dieser Maßnahme zu einer Versteuerung der stillen Reserven kommt (Senatsurteil vom IV R 36/94, BFH/NV 1996, 398 zu dem vergleichbaren Fall einer Betriebsaufgabe). Aus den bisherigen Feststellungen des FG ergibt sich indessen, dass der Kläger mit der „Entnahmebuchung” am lediglich die Rechtsfolge des § 52 Abs. 15 EStG a.F. umsetzen wollte. Eine steuerpflichtige Entnahme war damit nicht beabsichtigt, sondern nur die Ausbuchung des Grundstücks, weil der Entnahmegewinn nach der Vorstellung des Klägers außer Ansatz blieb. Eine solche Ausbuchung des Grundstücks wäre aber gegenstandslos, wenn die weiteren Feststellungen des FG ergäben, dass die Voraussetzungen des § 52 Abs. 15 Satz 8 Nr. 2 EStG a.F. durch die vorübergehende Nutzung der Wohnung nicht erfüllt worden sind.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 947
BB 2004 S. 2062 Nr. 38
BFH/NV 2004 S. 1470
BFH/NV 2004 S. 1470 Nr. 10
BStBl II 2004 S. 947 Nr. 21
DB 2004 S. 2023 Nr. 38
DStRE 2004 S. 1282 Nr. 21
FR 2004 S. 1181 Nr. 20
INF 2004 S. 765 Nr. 20
KÖSDI 2004 S. 14353 Nr. 10
NWB-Eilnachricht Nr. 42/2005 S. 3528
StB 2004 S. 362 Nr. 10
KAAAB-26256