Steuerpflicht der Umsätze aus der Vermietung einer Bowlingbahn
Gesetze: UStG § 4 Nr. 12, § 27 Abs. 6
Instanzenzug:
Gründe
I. Nach einer Umsatzsteuersonderprüfung besteuerte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt —FA—) die Umsätze der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) durch Vermietung von Bowlingbahnen bei der Festsetzung der Umsatzsteuer für 1996 bis 2001 mit dem allgemeinen Steuersatz. Die Antragstellerin hatte insoweit Umsätze durch steuerfreie Grundstücksvermietung im Umfang von 88 v.H. und durch steuerpflichtige Vermietung von Betriebsvorrichtungen von 12 v.H. erklärt.
Gegen diese Steuerfestsetzungen legte die Antragstellerin Einsprüche ein, über die noch nicht entschieden worden ist. Ihre Anträge auf Aussetzung der Vollziehung der Steuerfestsetzungen für 1996 bis 2001 lehnte das FA ab.
Das Finanzgericht (FG) setzte die Vollziehung der bezeichneten Umsatzsteuerbescheide dagegen antragsgemäß ohne Sicherheitsleistung aus. Es legte zur Begründung dar, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Bescheide, weil die Vermietungsumsätze aus dem Betrieb der Bowlingbahnen der Antragstellerin in einen steuerfreien (§ 4 Nr. 12 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 —UStG—) und steuerpflichtigen Teil (§ 4 Nr. 12 Satz 2 UStG) aufzuteilen seien. Dem Mieter werde bei dem Gebrauch einer Bowlingbahn eine Betriebsanlage zum alleinigen oder zum Mitgebrauch überlassen, die aus einer Betriebsvorrichtung und dem sie umschließenden Gebäude bestehe. Abweichend von den Urteilen des (BFHE 177, 567, BStBl II 1995, 750) und vom V R 83/92 (BFHE 175, 147, BStBl II 1994, 775) sei der Nutzung der Betriebsvorrichtungen bei der Vermietung einer Bahn in einer Kegelbahnanlage kein ausschlaggebendes Gewicht beizumessen und nicht von einer insgesamt steuerpflichtigen Vermietung auszugehen. Wie bei der Vermietung von Hallentennisfeldern habe die Nutzung der dafür überlassenen Gebäudeteile ein eigenes Gewicht, so dass die entgeltliche Überlassung von Bowlingbahnen in eine steuerfreie Vermietung von Grundstücken und eine steuerpflichtige Vermietung von Betriebsvorrichtungen aufzuteilen sei (vgl. , BFH/NV 1996, 440; vom V R 68/88, BFHE 168, 198, BStBl II 1992, 758, und vom XI R 62/90, BFHE 172, 178, BStBl II 1993, 808).
In der zugelassenen Beschwerde vertritt das FA die Ansicht, das FG habe § 4 Nr. 12 UStG fehlerhaft angewendet, weil es abweichend von der Rechtsprechung des BFH (in BFHE 177, 567, BStBl II 1995, 750) nicht beachtet habe, dass bei der Überlassung einer Kegelbahn umsatzsteuerrechtlich nur diese als Betriebsvorrichtung überlassen werde und dahinter die Überlassung von Gebäude- und Grundstücksteilen zurücktrete. Das FG habe außerdem ungeprüft die von der Antragstellerin beanspruchte Aufteilung der Umsätze in Höhe von nur 12 v.H. steuerpflichtiger und 88 v.H. steuerfreier Vermietung gebilligt.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteueränderungsbescheide für 1996 bis 2001 abzulehnen.
Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegengetreten.
II. Die Beschwerde ist begründet. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerfestsetzungen, aber nicht in dem vom FG angenommenen Umfang. Die Beschwerde führt daher zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das FG, weil die vorhandenen Feststellungen keine abschließende Entscheidung zulassen, in welchem Umfang die Steuerfestsetzungen rechtlich ernstlich zweifelhaft sind. Der Senat hält es für angemessen, dass das FG dies unter weiteren Ermittlungen erneut beurteilt.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das FG die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts u.a. dann aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheides neben den für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (BFH-Beschlüsse vom VIII B 143/94, BFHE 176, 263, BStBl II 1995, 262; vom III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, ständige Rechtsprechung). Derartige Umstände sind vorhanden.
Das FG hat die Umsätze der Antragstellerin durch die Möglichkeit, sich der von ihr gegen Entgelt bereit gestellten Bowlingbahnanlage sportlich zu betätigen, als teilweise steuerfreien Umsatz nach § 4 Nr. 12 UStG beurteilt. Dies ist mit der Beurteilung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung unvereinbar.
a) Im Anschluss an die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Urteil vom Rs. C-150/99, Stockholm Lindöpark AB, Rdnr. 24 ff., Slg. 2001, I-0493, Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 2001, 153, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 2001, 108) hat der Senat (Urteil vom V R 97/98, BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658) die Nutzungsüberlassung der Sporteinrichtungen einer Anlage als eine einheitliche, steuerpflichtige Leistung beurteilt. Sie ist nicht durch eine (gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfreie) Grundstücksüberlassung unter Ausschluss anderer Benutzer geprägt, sondern durch die Möglichkeit, das Einrichtungsangebot mit oder ohne Nutzung der Spielflächen (auch von Tennisplätzen) in Anspruch zu nehmen.
Der Senat hat in der bezeichneten Entscheidung eine mehrfache umsatzsteuerrechtliche Differenzierung innerhalb der Gesamtleistung einer Sportanlagenüberlassung (und die damit verbundenen Aufzeichnungen und Abrechnungsfragen) als nicht mehr mit einer „einfachen” Anwendung der Befreiungen vereinbar angesehen. Aus der für die Beurteilung eines Umsatzes maßgebenden Sicht des Durchschnittsverbrauchers handelt es sich um eine wirtschaftlich einheitliche Leistung, die im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden sollte.
Dem Benutzer einer Sportanlage (als „Durchschnittsverbraucher”) kommt es in erster Linie darauf an, die beabsichtigte sportliche Betätigung mit Hilfe der dafür erforderlichen Vorrichtungen ausüben zu können. Der von ihm in Anspruch genommene Leistungsgegenstand ist ein anderer, als er vom Zweck der Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980 umfasst wird, auch wenn regelmäßig das Grundstück/Gebäude wesentliche Voraussetzung für die darauf errichtete Sportanlage ist. Damit ist die Vorentscheidung unvereinbar. Allerdings sind diese Grundsätze aus den unten (zu c) geschilderten Gründen nicht uneingeschränkt im Streitfall anwendbar.
b) Das FA war auch nicht durch § 176 Abs. 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) gehindert, die entgeltliche Nutzung der Bowlingbahnen als Umsätze mit dem allgemeinen Steuersatz zu besteuern, weil es die nach dieser Vorschrift vorausgesetzte Änderung der Rechtsprechung des BFH nicht gibt. Wie ausgeführt, hat der BFH die Nutzung einer Kegelbahn (in BFHE 177, 567, BStBl II 1995, 750) schon vor der jetzt für die Nutzung von Sportanlagen maßgebenden Rechtsprechung (in BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658) —unter den zu c) geschilderten Voraussetzungen— als steuerpflichtigen Umsatz beurteilt.
c) Es sind ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerfestsetzung gegeben, weil § 27 Abs. 6 UStG 1999 bisher nicht beachtet worden ist. Diese durch das Gesetz zur Sicherstellung einer Übergangsregelung für die Umsatzbesteuerung von Alt-Sportanlagen vom (BGBl I 2002, 3441, BStBl I 2002, 865) eingeführte Vorschrift bestimmte: „(6) Umsätze aus der Nutzungsüberlassung von Sportanlagen können bis zum in eine steuerfreie Grundstücksüberlassung und in eine steuerpflichtige Überlassung von Betriebsvorrichtungen aufgeteilt werden.” Nach der Begründung für dieses Gesetz (BTDrucks 14/9543, S. 4) sollte damit eine Übergangsregelung für Unternehmer getroffen werden, die vor dem Urteil des BFH in BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658 den Umsatz durch Vermietung von Sportanlagen in eine steuerfreie Grundstücksvermietung und eine steuerpflichtige Vermietung von Betriebsvorrichtungen aufteilen konnten (vgl. dazu auch , UR 2003, 304 - umsatzsteuerliche Behandlung der Nutzungsüberlassung von Sportanlagen; vgl. auch Rondorf, Neue Wirtschafts-Briefe, Fach 7, 5935).
Der BFH hatte vor dem Urteil in BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658 entschieden (Urteil in BFHE 175, 147, BStBl II 1994, 775), dass die Überlassung einzelner von mehreren Bahnen einer Kegelbahnanlage als Vermietung (ausschließlich) einer Betriebsvorrichtung zu beurteilen (und somit von der Umsatzsteuerbefreiung ausgenommen) sei (ebenso schon BFH-Urteil in BFHE 172, 178, BStBl II 1993, 808), während die Mitbenutzung des übrigen Gebäudes (Aufenthaltsflächen und Nebenräume) auf einem Vertrag beruhe, der insoweit keinen Mietrechtscharakter habe. Eine Aufteilung des Umsatzes in einen auch steuerfreien Teil hat der BFH in dem Fall für zutreffend angesehen, dass der nutzungsberechtigten Person oder Personengruppe das gesamte, die Kegelbahnanlage umfassende Gebäude (Gebäudeteil) zum ausschließlichen Gebrauch zur Verfügung stehe.
d) Das FG hat insoweit keine Feststellungen getroffen, in welchem Umfang die Anlage der Antragstellerin einer nutzungsberechtigten Person oder Personengruppe insgesamt zum ausschließlichen Gebrauch zur Verfügung stand. Es hat auch den Umfang der Aufteilung —wie von der Antragstellerin beantragt— nicht überprüft und begründet, weshalb der Umfang der Vermietung von Betriebsvorrichtungen nur 12 v.H. sein soll, der offensichtlich zu niedrig ist.
e) Der Senat sieht es als angemessen an, dem FG durch eine Aufhebung der Vorentscheidung die Gelegenheit zu geben, die entsprechenden Feststellungen nachzuholen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1553
BFH/NV 2004 S. 1553 Nr. 11
NAAAB-26242