Unwirksamkeit einer fernmündlich erklärten Zeugnisverweigerung
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) zu 1 und 2 sind Eheleute, die Kläger und Revisionskläger zu 3 bis 7 deren Kinder, die mit ihnen in den Streitjahren in Haushaltsgemeinschaft lebten.
Mit Urkunde vom ist die A-Stiftung als juristische Person nach liechtensteinischem Recht mit Sitz in X errichtet worden. Zweck der Stiftung ist nach den Statuten die Verwaltung, Sicherung und Vermehrung des Stiftungsvermögens sowie die materielle Sicherung der Begünstigten. Das Stiftungsvermögen stammt von der liechtensteinischen Anstalt B, die ihrerseits die Mittel von der liechtensteinischen C-Stiftung (11 320 000 sfr) und von dritter Seite (13 343 842 sfr) erhalten hat. Begünstigte der C-Stiftung waren u.a. die Eltern der Klägerin zu 2, sowie die Klägerin zu 2, deren vier Geschwister und die jeweiligen ehelichen Nachkommen.
Im Beistatut der A-Stiftung sind als Begünstigte bezüglich der Vermögenserträge die Klägerin zu 2 sowie ihre ehelichen Nachkommen bestimmt. Als Begünstigte hinsichtlich des Vermögens selbst sind im Beistatut der Stiftung die ehelichen Nachkommen der Klägerin zu 2, ersatzweise für den Fall, dass diese allesamt kinderlos versterben, die vier Geschwister der Klägerin zu 2 bzw. die entsprechend der A-Stiftung für diese jeweils errichteten vier weiteren Stiftungen bestimmt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) rechnete das Vermögen der Stiftung gemäß § 15 Abs. 1 des Außensteuergesetzes (AStG) dem Gesamtvermögen der Kläger hinzu und erließ Vermögensteuerbescheide auf den bis 1992 sowie Vermögensteuervorauszahlungsbescheide für die Jahre 1994 und 1995. Ferner setzte das FA für die Jahre 1989 bis 1991 Zinsen auf die Steuernachforderungen fest. Einspruch und Klage, mit denen sich die Kläger gegen die Zurechnung des Vermögens der A-Stiftung wandten, blieben zunächst erfolglos.
Auf die Revision der Kläger hob der Bundesfinanzhof (BFH) die Vorentscheidung auf, da nicht festgestellt sei, wer Stifter der A-Stiftung ist. Dazu hätte ermittelt werden müssen, für wessen Rechnung das Stiftungsgeschäft abgeschlossen worden ist oder wer in der Art des Stifters Vermögen auf die Stiftung übertragen hat bzw. wem das Stiftungsgeschäft bei wirtschaftlicher Betrachtung zuzurechnen ist und ob die Kläger zu 2 bis 7 Angehörige (bzw. deren Abkömmlinge) dieser Personen (Stifter) sind. Dies sei nicht geschehen. Insbesondere fehle es an Feststellungen darüber, woher die Mittel der C-Stiftung stammten, die sie der Anstalt B überlassen hatte. Dem Finanzgericht (FG) wurde aufgegeben, bei seiner erneuten Entscheidung davon auszugehen, dass die A-Stiftung einer Stiftung deutschen Rechts vergleichbar ist und —falls die noch zu ermittelnden Stifter die dafür erforderlichen Anforderungen erfüllen— auch eine Familienstiftung im Sinne dieser Vorschrift darstellt. Die Kläger zu 3 bis 7 seien als anfallsberechtigt und die Klägerin zu 2 ab Vollendung ihres 40. Lebensjahres als bezugsberechtigt anzusehen. Verfassungsrechtliche Bedenken wegen eines Verstoßes gegen Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) bestünden nicht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Revisionsentscheidung im ersten Rechtszug vom II R 14/98 (BFH/NV 2001, 1457) Bezug genommen.
Auch im zweiten Rechtsgang wies das FG die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 568 veröffentlichten Urteil ab. Zuvor hatte es aufgrund eines Beweisbeschlusses vom 12 K 3051/01 Beweis darüber erhoben, aus wessen Vermögen —ggf. unter Zwischenschaltung anderer natürlicher oder juristischer Personen— letztlich das Vermögen stammt, das über die Anstalt B in die A-Stiftung und gleichartige Stiftungen zugunsten der vier Geschwister der Klägerin zu 2 einschließlich der jeweiligen Familien eingebracht wurde und in welchem familiären Verhältnis die Einbringenden zur Klägerin zu 2, ihren Geschwistern und den jeweiligen Familien stehen, und zwar durch Vernehmung eines Schwagers der Klägerin zu 2, des Zeugen Dr. X. An sich hatte der Beweisbeschluss als weitere Zeugen die vier Geschwister der Klägerin zu 2 vorgesehen. Davon waren zwei Schwestern förmlich geladen worden. Hinsichtlich einer weiteren Schwester und des Bruders, die beide ihren Wohnsitz in der Schweiz hatten, war den Klägern aufgegeben worden, sie zum Beweistermin mitzubringen. Im Termin zur Beweisaufnahme erschien jedoch lediglich der Schwager. Von den beiden förmlich geladenen Schwestern war eine zwischenzeitlich ebenfalls in die Schweiz verzogen. Sie hatte mitgeteilt, zum vorgesehenen Termin verhindert zu sein. Die andere Schwester, die Zeugin Y, teilte am Tag vor dem Termin zur Beweisaufnahme und mündlichen Verhandlung unter Vorlage eines ärztlichen Attestes mit, krankheitshalber verhindert zu sein, äußerte sich aber am Morgen vor dem Termin anlässlich eines Telefonats mit dem Berichterstatter wegen einer möglichen Terminsverlegung dahin, dass das Geld der Stiftungen für die Geschwister von ihrem Vater stamme, sie mehr dazu nicht sagen könne und sich im Übrigen auf ihr Aussageverweigerungsrecht berufe. Über das Telefongespräch fertigte der Berichterstatter einen Vermerk, über den die Beteiligten in der anschließenden und nicht verlegten mündlichen Verhandlung unterrichtet worden sind. Wegen des Ergebnisses der Vernehmung des Zeugen X wird auf die Niederschrift über die öffentliche Sitzung des Bezug genommen.
Das FG würdigte das Ergebnis der Beweisaufnahme dahin, dass sie keine Klarheit darüber gebracht habe, wer die C-Stiftung ausgestattet habe und wer sich hinter der Zuwendung von dritter Seite an die Anstalt B verbirgt. Gleichwohl sah es sich nicht veranlasst, die Zeugin Y ein weiteres Mal zu laden und dem am Schluss der mündlichen Verhandlung vom gestellten Beweisantrag der Kläger nachzukommen, alle vier Geschwister als Zeugen zu vernehmen oder zumindest schriftliche Erklärungen von ihnen einzuholen. Mit dem Beweisbeschluss sei den Klägern verdeutlicht worden, dass die im Ausland lebenden Geschwister unmittelbar befragt werden sollten. Der Antrag der Kläger zum Schluss der mündlichen Verhandlung, die Geschwister als Zeugen zu vernehmen bzw. schriftliche Erklärungen einzuholen, ziele daher auf eine Art der Sachverhaltsaufklärung, die vom Gericht bereits als nicht sachdienlich verworfen worden sei. Die einzige nach wie vor im Inland wohnende Schwester habe sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Bleibe aber ein Auslandssachverhalt deshalb ungeklärt, weil im Ausland ansässige Wissensträger entgegen der Aufforderung durch das Gericht nicht im Termin zur Beweisaufnahme und mündlichen Verhandlung präsentiert werden, sei das Gericht gehalten, seiner Entscheidung —im Zweifel auch zum Nachteil der Kläger— einen Sachverhalt zugrunde zu legen, für den eine gewisse Wahrscheinlichkeit spreche. Im Streitfall sprächen die Umstände dafür, dass der Vater der Klägerin zu 2 Stifter sowohl der C-Stiftung als auch der A-Stiftung sei.
Mit der Revision rügen die Kläger eine Verletzung des Rechts auf Gehör. Das FG habe sich mit der fernmündlichen Äußerung der Zeugin Y begnügt, von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen, und dem am Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem FG gestellten Beweisantrag nicht entsprochen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Schweizer Zeugen ein Erscheinen vor dem FG grundsätzlich ablehnen würden.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung sowie die Vermögensteuerbescheide auf den bis 1992 und die Bescheide über die Zinsen zur Vermögensteuer 1989 bis 1991 sowie die Vermögensteuervorauszahlungsbescheide 1994 und 1995 aufzuheben, hilfsweise die Steuern im Billigkeitswege zu erlassen, hilfsweise das Verfahren auszusetzen, um dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob § 15 AStG verfassungsgemäß sei.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
II. Die Revision ist begründet. Das FG ist seinem Beweisbeschluss und dem Beweisantrag der Kläger, Y, die Schwester der Klägerin zu 2, als Zeugin zu vernehmen, in der Annahme nicht nachgekommen, die Zeugin habe von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht wirksam Gebrauch gemacht. Die Annahme ist unzutreffend. Die Kläger bemängeln daher zu Recht die Nichtvernehmung dieser Zeugin. Sie rügen damit sinngemäß eine mangelnde Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Dieser Verfahrensfehler führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. Das FG war ausweislich der Vorentscheidung (unter 1.3.4.) der Ansicht, den Termin zur Beweisaufnahme und mündlichen Verhandlung wegen der Erkrankung der Zeugin Y nicht gemäß § 155 FGO i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung (ZPO) verlegen bzw. vertagen zu müssen, weil die Zeugin von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 84 Abs. 1 FGO i.V.m. den §§ 101 Abs. 1 Satz 1, 15 Abs. 1 Nr. 4, 5 und 6 der Abgabenordnung (AO 1977) Gebrauch gemacht habe. Eine Erklärung diesen Inhalts hat die Zeugin jedoch nicht wirksam abgegeben. Dies haben die Kläger —wenn auch unter der rechtlichen Einordnung als Verletzung des Rechts auf Gehör— gemäß § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO ausreichend gerügt. Da das FG selbst begründet hat, weshalb es den Zeugenbeweis nicht erhoben hat, ergeben sich die den Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen aus dem Urteil selbst, so dass deren Angabe in der Revisionsbegründung nicht erforderlich ist und die schlichte Rüge der Nichtvernehmung der Zeugin genügt (vgl. , BFH/NV 1986, 136, unter 3., sowie vom VII R 135/85, BFHE 153, 393, BStBl II 1988, 841).
2. Während § 84 Abs. 1 FGO für die Frage, wem ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, auf die Vorschriften der §§ 101 bis 103 AO 1977 verweist, richtet sich das Verfahren der Zeugnisverweigerung gemäß § 82 FGO nach den Vorschriften der §§ 386 bis 390 ZPO. Gemäß § 386 Abs. 1 ZPO hat der Zeuge, der das Zeugnis bei einem das ganze Beweisthema abdeckenden Zeugnisverweigerungsrecht (vgl. dazu Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 82 Anm. 24) verweigert, vor dem zu seiner Vernehmung bestimmten Termin schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle oder in diesem Termin die Tatsachen, auf die er die Weigerung gründet, anzugeben und glaubhaft zu machen. Dies schließt ein, dass der Zeuge zunächst auf dieselbe Weise, nämlich entweder vor dem Termin schriftlich bzw. zu Protokoll der Geschäftsstelle oder im Termin seine Weigerung erklärt (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 62. Aufl. 2004, § 386 Anm. 4; Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung mit Nebengesetzen, 25. Aufl. 2003, § 386 Anm. 1; Zöller, Zivilprozessordnung, Kommentar, 24. Aufl. 2004, § 386 Anm. 1). Ist der Zeuge im Termin nicht erschienen und hat er seine Weigerung auch nicht vorher schriftlich erklärt, kommt für das Vorliegen einer wirksamen Zeugnisverweigerung nur noch eine Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle in Betracht. Nimmt statt des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle der Richter die Erklärung auf, ist dies unschädlich (vgl. Smieszeck in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, Stand März 2003, § 12 FGO Anm. 30). Der Erklärende muss aber zur Abgabe seiner Erklärung zur Niederschrift der Geschäftsstelle persönlich bei Gericht erscheinen. Telefonisch können Erklärungen nicht zu Protokoll gegeben werden; eine vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder dem Richter über das Telefonat gefertigte Niederschrift macht die telefonisch abgegebene Erklärung nicht wirksam (so zutreffend Schmieszeck, a.a.O., § 12 FGO Anm. 27). Da das FG dies verkannt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Entgegen der Annahme des FG hat die Zeugin Y von ihrem das ganze Beweisthema abdeckenden Zeugnisverweigerungsrecht als Schwester der Klägerin zu 2 und Tante der Kläger zu 3 bis 7 nach § 101 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 4 bis 6 AO 1977 keinen wirksamen Gebrauch gemacht, da sie ihre Weigerung bislang lediglich telefonisch erklärt hat. Daher ist die Beweiserhebung durch Vernehmung der Zeugin Y nach wie vor zu versuchen. Das FG geht selbst davon aus, dass die bisherige Beweisaufnahme noch „keine Klarheit” über das Beweisthema lt. dem Beweisbeschluss vom erbracht habe. Für die erforderliche anderweitige Entscheidung wird wegen der Bezugs- und Anfallsberechtigung auf § 126 Abs. 5 FGO verwiesen und wegen der vom FG angenommenen Unklarheit über das Verbot neuen tatsächlichen Vorbringens in der Revisionsinstanz nach § 118 Abs. 2 FGO darauf hingewiesen, dass der Entscheidung des FG im ersten Rechtszug zur Herkunft der Mittel der C-Stiftung noch nicht einmal zu entnehmen ist, dass darüber zwischen den Beteiligten kein Streit bestand.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1535
BFH/NV 2004 S. 1535 Nr. 11
NAAAB-26229