Höhe der abziehbaren Unterhaltsleistungen an den unterhaltsbedürftigen Lebenspartner
Leitsatz
1. Der Steuerpflichtige kann Aufwendungen für den Unterhalt einer unterhaltsbedürftigen Lebenspartnerin nach § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG 1996 abziehen, soweit ihr zum Unterhalt bestimmte öffentliche Mittel mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen gekürzt worden sind. Lehnt die zuständige Behörde es ab, die Sozialhilfeleistungen konkret zu berechnen, die der Lebenspartnerin ohne die Unterstützung durch den Steuerpflichtigen zugestanden hätten, hat das FA oder das FG für die Ermittlung der abziehbaren Unterhaltsaufwendungen, den fiktiven Anspruch auf Sozialhilfe selbst zu berechnen.
2. Die der Lebenspartnerin wegen des Zusammenlebens mit dem Steuerpflichtigen nicht gewährten öffentlichen Mittel zum Unterhalt sind nach dem Regelsatz der Sozialhilfe für Haushaltsangehörige und nicht nach dem Regelsatz für einen Haushaltsvorstand zu ermitteln.
3. Neben dem Regelsatz gehört zu dem fiktiven Anspruch auf Sozialhilfe auch die anteilige Miete für die gemeinsamen Wohnräume. Dieser Anspruch entfällt nicht dadurch, dass der Steuerpflichtige seine Lebenspartnerin unentgeltlich in seine Wohnung aufnimmt.
Gesetze: EStG 1996 § 33a Abs. 1 Satz 2
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) lebt mit seiner Partnerin und dem gemeinsamen im Jahr 1983 geborenen Kind in einem Haushalt. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1997 machte er 12 000 DM Unterhaltsaufwendungen an die Lebensgefährtin geltend. Er fügte eine schriftliche Erklärung seiner Partnerin bei, in der sie bestätigt, 12 000 DM an Unterhalt erhalten zu haben. Sie stehe weder in einem Arbeitsverhältnis noch besitze sie Vermögenswerte; anderweitige Unterstützungen habe sie nicht empfangen. Ferner legte er eine Bescheinigung des Sozialamtes vom vor, nach der seine Lebenspartnerin im Jahr 1997 keine laufende Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten habe.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid 1997 die Unterhaltszahlungen nicht nach § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Zur Begründung führte das FA an, der Kläger habe keine Bescheinigung des Sozialamtes vorgelegt, aus der ersichtlich sei, in welcher Höhe die öffentliche Hand ihre Leistungen an die Lebensgefährtin gekürzt habe. Der Einspruch blieb erfolglos.
Während des Klageverfahrens legte der Kläger eine weitere Bescheinigung des Sozialamtes vom vor. Darin ist ausgeführt, die Lebenspartnerin habe 1997 und 1998 keine Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten, weil sie in eheähnlicher Gemeinschaft lebe und die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nicht gegeben seien. Hätte sie nicht in Lebensgemeinschaft gelebt und kein Einkommen gehabt, hätte sie Anspruch auf den Regelsatz Haushaltsangehöriger gehabt (433 DM) zuzüglich der anteiligen Miete.
Das FA änderte daraufhin den Einkommensteuerbescheid 1997 und berücksichtigte 6 000 DM an Unterhaltszahlungen nach § 33a Abs. 1 EStG.
Die Klage, mit der der Kläger den Abzug von insgesamt 12 000 DM an Unterhalt begehrte, blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) teilte die Auffassung des FA. Der gesetzlich unterhaltsberechtigten Person gleichgestellt sei eine Person, soweit bei ihr zum Unterhalt bestimmte inländische öffentliche Mittel mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen gekürzt würden. Nach der bis einschließlich 2001 gültigen Fassung könnten Unterhaltsleistungen an andere als gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen nur abgezogen werden, soweit konkret inländische öffentliche Mittel wegen des Unterhalts gekürzt worden seien. Diese Kürzung sei durch eine Bescheinigung der zuständigen Behörde nachzuweisen. Eingereicht worden sei lediglich eine Bescheinigung, aus der hervorgehe, welche Unterstützungsleistungen die Lebenspartnerin des Klägers erhalten hätte, wenn sie in keiner eheähnlichen Lebensgemeinschaft leben würde.
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG. Das FG habe ausgeführt, ein weiterer Abzug von Unterhaltsleistungen sei nur möglich, wenn er durch eine Bescheinigung der zuständigen Behörde konkret nachweise, um welchen Betrag die öffentlichen Mittel gekürzt worden wären. Diese sog. Negativbescheinigung habe ihm der zuständige Landkreis (Amt für Sozialhilfe) aber verweigert, weil die Behörde nicht verpflichtet sei, fiktive Sozialhilfeansprüche für die Vergangenheit zu prüfen und/oder zu bescheinigen. Er und seine Lebensgefährtin hätten daher den Nachweis der konkreten Kürzung nicht führen können.
Es treffe nicht zu, dass die Lebensgefährtin im Streitjahr 1997 lediglich einen Anspruch auf Sozialhilfe in Höhe von 5 196 DM (12 x 433 DM) gehabt hätte, denn ein Anspruch auf Sozialhilfe hätte überhaupt nur dann bestanden, wenn sie sich von ihm getrennt hätte, wenn sie also den Grund für die Versagung öffentlicher Mittel, die bestehende häusliche Gemeinschaft, aufgehoben hätte. In diesem Fall wäre aber nicht der Regelsatz für Haushaltsangehörige bei der Bedarfsberechnung anzusetzen gewesen, sondern der Regelbedarf für einen Haushaltsvorstand, der im Streitjahr 1997 541 DM je Monat betragen hätte. Für ihr Kind wäre eine weitere Pauschale in Höhe von 352 DM angefallen, so dass eine Sozialhilfe von mindestens 893 DM im Monat zu beanspruchen gewesen wäre. Weiterhin hätte sie einen Anspruch auf Mehrbedarf für Alleinerziehende hinsichtlich der Wohnkosten in Höhe von 650 DM je Monat gehabt. Der monatliche Gesamtanspruch der Lebensgefährtin hätte daher mindestens 1 543 DM je Monat betragen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den geänderten Einkommensteuerbescheid 1997 vom dahin gehend zu ändern, dass über die bereits anerkannten 6 000 DM hinaus weitere 6 000 DM an Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („soweit”) sei der Abzug von Unterhaltsleistungen auf den Betrag begrenzt, um den die öffentlichen Mittel gekürzt worden seien. Wenn die Lebensgefährtin des Klägers, wie es sich aus der Bescheinigung des Sozialamtes vom ergebe, nur 5 196 DM Sozialhilfe bekommen hätte, könne auch nur dieser Betrag abgezogen werden. Dabei spiele es keine Rolle, dass der Kläger tatsächlich 12 000 DM gezahlt habe.
Selbst wenn hier vom Erfordernis einer sog. Negativbescheinigung abzusehen wäre, könnte demnach die Revision keinen Erfolg haben. Über die bereits berücksichtigten Unterhaltsleistungen in Höhe von 6 000 DM hinaus könne der Kläger seine Zahlungen nicht abziehen. Das vom Kläger und seiner Lebensgefährtin bewohnte Haus gehöre ihm und seinem Bruder. Das ergebe sich aus dem klägerischen Schriftsatz vom . Insoweit seien keine anteiligen Mietkosten zu berücksichtigen.
II.
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Die Unterhaltsleistungen des Klägers an seine Lebensgefährtin sind im Streitjahr zum Teil nach § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG 1996 abziehbar. Danach können Unterhaltsleistungen an gesetzlich nicht unterhaltsberechtigte Personen bis zu 12 000 DM im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, soweit bei diesen zum Unterhalt bestimmte inländische öffentliche Mittel mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen des Steuerpflichtigen gekürzt werden.
a) Nach dem Senatsurteil vom III R 50/02 (BFHE 205, 278, BStBl II 2004, 594) erfordern Wortlaut und Normzweck des § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG 1996 für den Regelfall einen entsprechenden Nachweis der Kürzung oder des Wegfalls öffentlicher Mittel durch Bescheide der zuständigen Behörden. Der Senat hat aber nicht ausgeschlossen, dass auch noch nachträglich eine Bescheinigung beigebracht werden oder im Einzelfall sogar gänzlich entbehrlich sein kann, wenn der vollständige Wegfall öffentlicher Mittel im konkreten Fall offenkundig ist. Schließlich hat er in Fällen, in denen die unterstützte Person trotz Antragstellung und trotz ernsthaften und nachhaltigen Bemühens von der zuständigen Behörde keine entsprechende Bescheinigung erlangen kann, das FA für verpflichtet erachtet, die Höhe der Kürzung selbst zu berechnen oder im Wege der Amtshilfe zu ermitteln. Denn wie aus der Gesetzesbegründung zu dem nunmehr durch das Steueränderungsgesetz 2001 vom (BGBl I 2001, 3794) geänderten § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG ersichtlich ist (BTDrucks 14/6877 S. 26 zu Nr. 9), sind die zuständigen Sozial- und Arbeitsämter nicht verpflichtet, in Fällen, in denen wegen der Unterhaltsleistung einer dritten Person kein Anspruch auf Sozialleistungen besteht oder überhaupt kein Antrag gestellt worden ist, allein für steuerliche Zwecke, die Höhe der Kürzung zu berechnen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat im Einzelnen auf die Urteilsgründe der Entscheidung III R 50/02.
b) Im Streitfall liegt —die Unterhaltsbedürftigkeit der Lebenspartnerin unterstellt— ein solcher Ausnahmefall vor. Der Kläger hat trotz ernsthaften Bemühens keine Bescheinigung der zuständigen Sozialbehörde über eine konkrete Kürzung erlangt; bestätigt wird aber, dass die Lebenspartnerin 1997 und 1998 wegen der eheähnlichen Gemeinschaft mit dem Kläger keine Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten habe und dass sie ohne die Lebenspartnerschaft den Regelsatz für Haushaltsangehörige und die anteilige Miete erhalten hätte. Dies reicht nach den oben dargelegten Grundsätzen für den Abzug der Unterhaltszahlungen dem Grunde nach aus.
c) FA und FG haben zutreffend nur den Regelsatz für Haushaltsangehörige und nicht den für einen Haushaltsvorstand berücksichtigt.
Es ist nicht zu unterstellen, dass der Kläger und seine Partnerin getrennt gelebt hätten. Grund für die Kürzung öffentlicher Mittel ist die Vermutung des Gesetzes, dass Lebenspartner einander bei Bedürftigkeit gegenseitig unterhalten. Dieser im Sozialrecht geltenden Vermutung wird einkommensteuerrechtlich durch den Abzug der Unterhaltsaufwendungen in Höhe des gekürzten Betrages Rechnung getragen. Abziehbar sein sollen aber nur Unterhaltszahlungen, soweit die Vermutung des Gesetzes greift. Da die Partnerin tatsächlich in Haushaltsgemeinschaft mit dem Kläger lebt, ist ihr Unterhaltsbedarf geringer als im Falle des Alleinlebens, so dass auch nur ein Abzug in Höhe des Bedarfs Haushaltsangehöriger gerechtfertigt ist.
d) Zu Unrecht haben jedoch FG und FA mit der Begründung keine anteilige Miete berücksichtigt, die Lebenspartnerin habe im Haus des Klägers und seines Bruders umsonst gelebt.
Nach dem Gesetzeswortlaut des § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG kann der Steuerpflichtige Unterhaltsleistungen abziehen, soweit der unterhaltenen Person zum Unterhalt bestimmte öffentliche Mittel mit Rücksicht auf das Zusammenleben gekürzt wurden. Der Anspruch auf öffentliche Mittel ist demnach in der Höhe zu ermitteln, wie er ohne Unterhaltsleistungen gewesen wäre. Unterhalt kann durch Bar- oder Sachzuwendungen gewährt werden. Dabei ist zu unterstellen, dass laufende Zuwendungen an den Partner nur mit Rücksicht auf die Lebenspartnerschaft erbracht werden. Die unentgeltliche Zurverfügungstellung von Wohnraum ist in der Lebenspartnerschaft begründet und stellt wie Barzuwendungen ebenfalls eine Unterhaltsleistung dar. Bei der Prüfung, in welcher Höhe die Lebenspartnerin Sozialhilfe bekommen hätte, ist folglich davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige ohne die eheähnliche Verbindung eine angemessene Miete verlangt hätte.
2. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Es hat —ausgehend von seiner Rechtsauffassung zu Recht— keine Feststellungen über eigene Einkünfte, Bezüge oder eigenes Vermögen der Lebensgefährtin getroffen. Im zweiten Rechtsgang wird es diese Feststellungen anhand der vom Kläger vorgelegten Unterlagen nachzuholen haben.
Besteht danach dem Grunde nach ein Anspruch der Lebensgefährtin auf Hilfe zum Lebensunterhalt, so kann der Kläger seine Unterhaltsaufwendungen nicht nur bis zur Höhe des Regelsatzes für Haushaltsangehörige nach § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG 1996 abziehen, sondern darüber hinaus auch in Höhe der hälftigen (fiktiven) Miete, auf welche die Klägerin ohne die Lebenspartnerschaft sozialhilferechtlich einen Anspruch gehabt hätte. Die Miete ist nach der ortsüblichen Miete für die vom Kläger und seiner Lebenspartnerin bewohnten Wohnräume zu ermitteln. Anhaltspunkte dafür, dass die anteilige ortsübliche Miete „den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang” übersteigt (vgl. § 3 Abs. 1 der Regelsatzverordnung zu § 22 des Bundessozialhilfegesetzes), sind im Streitfall nicht ersichtlich.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 1051
BB 2004 S. 2005 Nr. 37
BFH/NV 2004 S. 1460
BFH/NV 2004 S. 1460 Nr. 10
BStBl II 2004 S. 1051 Nr. 23
DB 2004 S. 2134 Nr. 40
DStRE 2004 S. 1145 Nr. 19
FR 2004 S. 1178 Nr. 20
INF 2004 S. 768 Nr. 20
KÖSDI 2004 S. 14355 Nr. 10
NWB-Eilnachricht Nr. 18/2006 S. 1515
StB 2004 S. 363 Nr. 10
AAAAB-25967